Eine Ausnahme bildete der zutiefst mit der Weimarer Republik verknüpfte Bauhaus-Stil, der sofort nach der Machtergreifung in Ungnade fiel. Bauhaus-Gründer Walter Gropius, Mies van der Rohe und andere Architekten aus dem berühmten »Ring« – der sich dem Neuen Bauen verschrieben hatte –wurden kaltgestellt. Dem Bauhaus als Teil dieser Bewegung wurde die Bevorzugung des Flachdachs gegenüber dem traditionellen deutschen Giebelhaus vorgehalten. Das Flachdach aber sei technisch schwierig und ästhetisch misslungen, mit der Betonung der Horizontalen statt – wie in der Gotik – der Vertikalen sei der Bauhaus-Stil nicht deutsch, sondern »bolschewistisch«, passend zur Weimarer »Asphaltkultur«.58 Im Großen und Ganzen wollten die NS-Ideologen zum Historismus der Vorkriegszeit zurückkehren, wobei die Betonung eher auf ländlichen denn auf urbanen Stilformen lag.59
In der Weimarer Republik hatte der Verband Deutscher Architekten (VDA) nahezu eine Monopolstellung innegehabt; 1933 nun wurde er von einer Gruppe Nationalsozialisten um den ehemaligen Architekten Alfred Rosenberg infiltriert, nicht zuletzt, um unerwünschte Kollegen loszuwerden, darunter einige »Ring«-Architekten wie Gropius’ Freund Erich Mendelsohn. Noch im selben Jahr wurde der VDA in die von Goebbels neu gegründete Reichskulturkammer (RKK) integriert.60 Im April 1933 fiel, was vom Weimarer Bauhaus nach Berlin gerettet worden war, den NS-Zensoren zum Opfer; die Schule wurde aufgrund des entschiedenen Vorgehens Rosenbergs, Chefideologe der NSDAP und aufgeblasener Obskurant, geschlossen. Vom Bauhaus beeinflusste Architekten verloren ihre Stellung: Fritz Wichert an der Städelschule in Frankfurt/M., Hans Scharoun und Adolf Rading, »deren Entwürfe für die Wohnungsbauentwicklung zu den radikalsten gehörten, die während der Weimarer Zeit gebaut wurden«; beide waren Mitglied der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Hans Poelzig büßte seinen Posten als Direktor der Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin ein, und Robert Vorhoelzer durfte nicht mehr an der Technischen Hochschule München lehren. Indes konnten die weniger prominenten Adepten je nach Grad ihrer Anpassung an die Erfordernisse des Regimes ihre Jobs als Lehrkräfte oder anderweitig im Staatsdienst Beschäftigte zumeist behalten. Gropius und sein Nachfolger Mies van der Rohe mühten sich, trotz ihrer Bauhaus-Aura Arbeit als selbstständige Berater zu erhalten. Sie boten ihre Dienste für Ausstellungen an, die vom Regime gefördert wurden, und Gropius entwarf 1934 für eine Veranstaltung sogar hakenkreuzgeschmückte Fahnenreihen, »wodurch er sich eindeutig dem NS-Regime anzudienen suchte«. Doch noch im selben Jahr wurde seine finanzielle Lage so schwierig, dass er in der Hoffnung auf bessere Zeiten nach Großbritannien ging. 1937, mittlerweile an der Universität Harvard, bestand er allerdings nach wie vor darauf, er sei kein Einwanderer, sondern da, um »der deutschen Kunst zu dienen«. Mies van der Rohe machte in Deutschland ähnlich enttäuschende Erfahrungen und folgte Gropius 1938 in die USA, während ihr Mentor Peter Behrens in Deutschland blieb, im Dienst des sogenannten Dritten Reiches.61
Malerei und Bildhauerei gerieten unter den Nationalsozialisten indes in viel höherem Maße ins Kreuzfeuer der Kritik als die Architektur, die, unabhängig vom Design, letztlich immerhin einen praktischen Nutzen hatte. Die bildnerische Avantgardekunst der Nachkriegszeit wurde von Kritikern im Gefolge von Rosenberg und Goebbels schlechtgemacht, die sich ihrerseits auf Urteile von Hitler bezogen (der die Aufnahmeprüfung an der Wiener Kunstakademie nicht bestanden hatte). Bereits Mitte der zwanziger Jahre hatte er »Kubismus und Dadaismus« in Mein Kampf dem »Bolschewismus der Kunst« zugerechnet. In seinen öffentlichen Hauptreden zwischen 1933 und 1937 wiederholte er diese Phrasen fast wörtlich, ohne sie jemals genauer auszuführen; nie ließ er erkennen, dass ihm die Unterschiede zwischen den neuen Kunstrichtungen – Dadaismus oder Kubismus, Impressionismus oder Expressionismus – geläufig gewesen wären. Unvermeidlich und höchst vereinfachend sah er in all dem nur Entartung, die er mit körperlicher und geistiger Krankheit und »den Juden« in Verbindung brachte.62 Entsprechend behauptete Rosenbergs Sykophant Robert Scholz 1933, dass Karl Hofer, Paul Klee und ihre Freunde durch ihre Beschäftigung mit Expressionismus und Kubismus das »Gift des künstlerischen Nihilismus« nach Deutschland gebracht hätten. 1934 zeigte der NS-Kunstpropagandist Wolfgang Willrich Reproduktionen von Werken Noldes und Barlachs, um daran »die Entartung zu Missgestalt und Gemeinheit« zu demonstrieren.63 Das oftmals schwer verständliche Geschreibsel der NS-Zensoren lässt immerhin erkennen, dass sie die naturfremde Farbgebung der modernen Kunst ebenso hassten wie deren ungegenständliche bis abstrakte Formen.
Auf der Grundlage dieser Ideologie gingen die Nationalsozialisten zweigleisig gegen die moderne Kunst vor: Sie entzogen unerwünschte objets d’art dem Blick der Öffentlichkeit, um sie ihr dann in eigens inszenierten Schreckensausstellungen so zu präsentieren, dass diese sich davon abwenden sollte. Im Juni 1933 empfing Hitler höchstpersönlich eine Gruppe von Gegnern der Moderne – darunter der Hauptfeind des Bauhauses, der Architekt Schultze-Naumburg –, die ihm eine Reihe von Fotos moderner Kunst vorlegten. 500 Gemälde der Avantgarde ließ er daraufhin aus der Neuen Abteilung der Nationalgalerie, der weltweit ersten öffentlichen Sammlung moderner Kunst im Berliner Kronprinzenpalais, entfernen. Im Oktober 1936 verfügte er die dauerhafte Schließung der Abteilung. Danach wurden regionale Galerien, hauptsächlich von Gefolgsleuten Rosenbergs, geschlossen oder in ihren Beständen ausgedünnt. In München riss 1935 der bayrische Innenminister und Gauleiter Adolf Wagner Bilder einer Ausstellung Berliner Künstler von der Wand. In Essen entfernte Klaus Graf von Baudissin Bilder des gebürtigen Russen Kandinsky, den Baudissin einen »Entwurzelten« nannte, aus dem Folkwang-Museum, zu dessen Direktor er gerade ernannt worden war. Den Anfang der Schandschauen machte Mannheim 1933 – die Ausstellung wanderte dann weiter nach München und Erlangen. Vergleichbare folgten in Karlsruhe, Stuttgart, Chemnitz und insbesondere der Kunstmetropole Dresden. Hier war Hitler so beeindruckt von dem, was er als entartete Kunst ansah, dass er befahl, daraus eine Wanderausstellung zu machen, die in ganz Deutschland gezeigt werden sollte. Institutionell wurden diese frühen Aktivitäten von Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur ebenso unterstützt wie vom Deutschen Kunstverein, einer Neugründung von NS-Fanatikern unter Leitung der obskuren Malerin Bettina Feistel-Rohmeder.64
Gleich nach der Machtergreifung setzten die Nazis in der deutschen Kunstwelt eine Welle von Entlassungen in Gang, die sich über Jahre hinziehen sollte. Einer der Ersten, der gehen musste, war der künstlerische Mentor der Weimarer Republik, Reichskunstwart Edwin Redslob, zu dessen Aufgaben die Ausrichtung von Staatsbegräbnissen ebenso gehört hatte wie die Gestaltung von Münzen und Briefmarken. Vor die Tür gesetzt wurden ferner Direktoren von Museen und Galerien, etwa Gustav F. Hartlaub in Mannheim oder Carl Georg Heise in Lübeck. Ihre Lehramt verloren: Karl Hofer in Berlin, Willi Baumeister in Frankfurt/M. und der Bildhauer Gerhard Marcks, der früher, ebenso wie Paul Klee, am Bauhaus tätig gewesen war; Klee musste seinen Posten an der Düsseldorfer Kunstakademie aufgeben und ging Ende 1933 in die heimatliche Schweiz zurück.65
Manchen von Klees Kollegen war so ein Ausweg nicht vergönnt. Ihre Versuche, nach dem Rauswurf beruflich wieder Fuß zu fassen, liefen zumeist ebenfalls ins Leere. Diese Fälle verdienen eine nähere Betrachtung. Da ist zunächst Otto Dix, der erst Expressionist gewesen und dann zur Neuen Sachlichkeit übergegangen war, die in gewisser Weise eine Fortschreibung des Expressionismus darstellte wie auch eine Reaktion darauf. Denn die Künstler suchten nun der Wirklichkeit wie in einer detaillierten Fotografie nachzueifern, während der Expressionismus auf exaltierte Farben und Formen gesetzt hatte.66 Auf die Spitze getriebener Realismus und Sozialkritik, diese Kennzeichen der Neuen Sachlichkeit führten dazu, dass Dix’ Darstellungen des Bordelllebens von bigotten NS-Fanatikern als »Unflätigkeiten unterster Geschmacksstufe« bezeichnet wurden. Am 8. April 1933 wurde Dix, bis dahin Professor an der Kunstakademie zu Dresden, von der sächsischen Regierung im Rahmen der neuen Gesetzgebung zum Berufsbeamtentum entlassen. Er zog an den Bodensee und wohnte eine Zeit lang im Schloss seines Schwagers. Er litt unter Geldnot und war von allen Ausstellungen des Jahres 1934 ausgeschlossen. Bis 1945 musste er sich mit kleineren lokalen Privataufträgen durchschlagen.67 Auch Max Beckmann, der an der Frankfurter Städelschule unterrichtete, verlor seine Professur schon Anfang 1933. Zunächst versuchte er in Berlin zu überleben, floh aber im Juli 1937, als Hunderte seiner Bilder in der Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« zu sehen waren, nach Amsterdam und von dort weiter nach New York. 1935 hatte der NS-affine Kunsthistoriker Carl Linfert, der den Fanatiker Rosenberg nicht mochte, sich bemüht, Beckmanns Haut zu retten, indem er ihn öffentlich als dem Expressionismus fernstehend