Zimmer zwei ist klein und dunkel, das Fenster geht in einen Schacht. In der dritten Wohnung muss man durch das Wohnzimmer mit laufendem Fernseher gehen, um ins Zimmer zu kommen. Und Zimmer vier ist in einer großen Wohnung in der Avenida in der Mitte der Stadt, sieht aus wie die Kulisse eines alten Films und wirkt ein bisschen gruselig. Aber Zimmer fünf ist ein Volltreffer: ein großes Zimmer in einem Neubau, fünf Minuten von der Uni entfernt, für 200 Euro, Internet inklusive. Es gibt eine Gemeinschaftsküche und zwei Bäder für vier Bewohner. Nur eine Heizung gibt es nicht.
»Wir sind hier in Portugal«, sagt der Vermieter auf Alex Frage. »Da muss man nicht heizen. Und Aveiro liegt am Meer, da wird es nicht kalt.«
Als ob die sich abgesprochen hätten, denkt Alex. In Aveiro ist es nicht kalt? Alex hat selten so gefroren wie in den letzten Tagen. Eben weil Aveiro am Meer liegt, ist die Luft feucht, und an manchen Tagen pfeift ein kalter Wind durch die Stadt.
Was ist hier schiefgelaufen?
Je weiter man in das Innere des Landes kommt, umso heißer sind die Sommer und umso kälter die Winter. Hier kann das Wohnen in den Wintermonaten empfindlich kalt werden, da die meisten älteren Häuser nicht wie in Deutschland für niedrige Temperaturen gebaut sind. Neue Häuser werden jedoch nach neuen Bauvorschriften errichtet und müssen entsprechend isoliert sein. Außerdem müssen seit 2010 alle Häuser einen Energiepass haben.
Eine Heizmöglichkeit ist allerdings nicht vorgeschrieben. Dafür ist es aber Vorschrift, dass alle Häuser, wenn möglich, eine alternative Energiequelle nutzen, wie zum Beispiel Solarzellen auf dem Dach.
Die älteren Häuser hingegen sind fast alle unzureichend isoliert und haben als Heizmöglichkeit im besten Fall einen Kamin. In den alten Häusern auf dem Land gibt es meistens einen großen offenen Kamin, der unter anderem zum Räuchern von Würsten genutzt wurde.
Kaum beginnt der Winter, werden in den entsprechenden Läden Gasöfen und Elektroheizungen angeboten. Beides ist im Gebrauch teuer. Der Preis für Gas ist in Portugal an den Ölpreis gekoppelt, und eine Gasflasche von 13 Kilogramm kostet je nach Ölpreis um die 25 Euro.
Im Vergleich mit anderen EU-Staaten ist der Preis für Strom in Portugal hoch, ganz besonders wenn man bedenkt, dass die Einkommen sehr viel niedriger sind als zum Beispiel in Deutschland.
Kein Wunder, dass viele an der Heizung sparen und sich einfach warm anziehen und mit Jacken, Umschlagtüchern oder Decken in der Wohnung sitzen. Zehn Grad Außentemperatur hört sich nicht sehr kalt an, aber in einem ungeheizten Raum kann es sich ganz schön ungemütlich anfühlen.
Durch das unterschiedliche Klima in den Regionen haben sich auch die unterschiedlichen Bauformen der Häuser in Portugal entwickelt. Traditionell waren die Häuser im Süden ebenerdig, klein, langgestreckt und hatten nur wenige und kleine Fenster. Die Häuser wurden weiß gestrichen, denn die weiße Farbe und die kleinen Fenster boten Schutz vor der Hitze des Sommers.
Im Norden waren die Häuser aus Granit. Im Erdgeschoss war das Vieh untergebracht, im ersten Stock wohnte die Familie. So wärmte das Vieh durch den Holzboden die Wohnung der Menschen.
Auch heute sieht man im Winter an sonnigen Tagen immer noch geparkte Autos in Strandnähe. Aber die Besitzer der Autos steigen nicht etwa für einen Spaziergang aus, sondern bleiben in ihren Fahrzeugen sitzen, die durch die Sonne aufgewärmt werden. Der Mann liest Zeitung, die Frau häkelt. Im Winter ist das Auto oft einfach der wärmste Platz, da es von der Sonne gewärmt wird und man vor Wind geschützt ist.
Was können Sie besser machen?
Für Nicht-Portugiesen ist es oft unverständlich, wieso Portugiesen sich so schlecht gegen die Kälte schützen. Und natürlich ist es wahr, dass die Häuser in Deutschland generell besser isoliert und die Häuser vernünftig beheizt sind. Trotzdem ist es keine gute Idee, Portugiesen diese Tatsachen direkt ins Gesicht zu sagen.
Portugiesen sehen durchaus, was in Portugal nicht oder schlecht funktioniert. Sie reden auch darüber. Untereinander. Aber sie hören es nicht gerne von Nicht-Portugiesen. In diesem Fall ist Zurückhaltung angebracht.
Eine Bemerkung wie sie Alex herausgerutscht ist, im Sinne von: »In Deutschland ist das besser, da wird das so und so gemacht«, kann sehr schnell als arrogant und besserwisserisch aufgefasst werden.
Also: Selbst wenn in einem Gespräch unter Portugiesen Kritik an Portugal geübt wird und Sie das genauso sehen und gerne was dazu beitragen möchten – tun Sie es lieber nicht.
KLIMA IN PORTUGAL
Obwohl Portugal ein so kleines Land ist, unterscheidet sich das Klima in den verschiedenen Regionen.
Die Algarve hat mehr als 3.000 Sonnenstunden im Jahr und das mildeste Klima Portugals. Hier sind die Sommer lang, heiß und trocken und die Winter mild.
Der Alentejo umfasst circa 30 Prozent der Landfläche des portugiesischen Festlandes, und doch wohnen hier nur knapp 760 000 Einwohner. Das Innere des Alentejo ist von weiten Feldern und Korkeichen geprägt. Das Klima ist im Sommer heiß und trocken und im Winter kühl.
Im Norden Portugals sind die Winter kalt und regenreich, die Sommer können heiß werden. Je weiter man im Norden ist, desto kälter kann es werden. Je weiter man im Inland ist, desto größer sind die Unterschiede in den Sommer- und Wintertemperaturen, und je näher an der Küste, umso ausgeglichener sind sie.
In der fast zweitausend Meter hohen Serra de Estrela schneit es im Winter, und man kann dort sogar Ski fahren. In kalten Wintern sind aber nicht nur die Spitzen der Berge in der Serra de Estrela schneebedeckt, sondern alle hohen Berge. Schneefall ist in den Regionen im Inneren Nordportugals im Winter durchaus möglich. Und im Jahr 1954 hat es sogar im Alentejo und in der Algarve geschneit, wie man heute noch auf Fotos sehen kann. Aber in normalen Jahren liegt die Schneegrenze bei 1.000 Metern.
PORTUGAL DOS PEQUENITOS
In Coimbra befindet sich der Park Portugal dos Pequenitos, das »Portugal der Kleinen«. In diesem Themenpark kann man sich einen Überblick über ganz Portugal verschaffen. Hier kann man in verkleinerter Form alle traditionellen Haustypen Portugals besichtigen und bekommt einen Einblick in die Ex-Kolonien und die dortige Bauweise. Ein schöner Ausflug, der einem komprimiert und anschaulich Portugals Regionen einschließlich der Azoren und Madeira vermittelt und über die Ex-Kolonien informiert.
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PÁSCOA É O NATAL DOS LADRÕES
OSTERN IST DAS WEIHNACHTEN DER TASCHENDIEBE
Lissabon riecht nach Straßenverkehr und Abgasen, nach gegrilltem Fleisch und Fisch. In der Luft liegen Motorenlärm und Sirenen, Stimmengewirr und Straßenmusik. Der Judasbaum fängt an zu blühen, kleine lila Blüten dicht an dicht. Eine Legende besagt, dass sich Judas an so einem Baum erhängt habe, und dass der Baum daraufhin vor Scham rot angelaufen sei.
In den Straßen tummeln sich Touristen, und vor dem Aufzug Elevador de Santa Justa, der die Baixa, die Unterstadt, mit dem Bairro Alto, der Oberstadt, verbindet, steht eine lange Schlange. Alle wollen einmal mit dem Aufzug fahren, der schon seit über hundert Jahren in Betrieb ist und von dem aus man zum Convento do Carmo kommt, der Ruine des Klosters, das im großen Erdbeben von 1755 zerstört wurde.
Die gelbe Straßenbahn der mittlerweile berühmten Linie 28 platzt fast auseinander, so dicht aneinandergedrängt stehen die Fahrgäste in der Straßenbahn, die hier seit 1872 fährt. Damals wurde sie von Pferden gezogen, jetzt fährt sie elektrisch. An ihrer Ausstattung hat sich wenig verändert, der Waggon der Tram sieht noch so aus wie in den vergangenen Jahrhunderten: die Innenausstattung ist aus Holz, die Kurbeln sind aus Eisen.
Vorne in der Straßenbahn warnt ein Schild