Ich erinnere mich noch gut, dass ich mich im Pub in Deutschland erst umstellen musste, dass es dort Tischbedienung gibt und die Leute zum Schluss zahlen, nicht bei jeder Runde. In Irland bestellt man an der Theke, zahlt sofort und in Gesellschaft immer in Runden, nicht einzeln. Das kann natürlich dazu führen, dass man den Überblick verliert, nicht nur hinsichtlich der getrunkenen Menge, sondern auch finanziell. Das lässt sich jedoch kontrollieren – falls man dazu noch in der Lage ist –, nämlich indem man dankend, aber nachdrücklich ablehnt, wenn die nächste Runde bestellt wird. Dann wird auch nicht erwartet, dass man selbst jeweils eine Runde zahlen muss.
Was ihr aber in den ländlichen Pubs wirklich beachten müsst, ist der Respekt vor Musikern. Zum einen gibt es immer eine vorbestimmte Ecke für die Leute. Kein Gast würde sich jemals dorthin setzen. Gut, das mag für Neulinge nicht unbedingt ersichtlich sein, es steht ja auch nirgends ein »Reserviert«-Schild. Musiker haben jedoch immer einen hohen Stellenwert. Die Kerntruppe wird meist vom Wirt bezahlt, wenn auch mickrig. Gäste sorgen für deren Getränke und auf jeden Fall dafür, dass sie genug Raum haben. Ahnungslose Touristen, die in der Musikerecke sitzen bleiben, werden freundlich, aber gnadenlos verjagt. Das habt ihr ja am eigenen Leibe erfahren.
Zum anderen: Sean Nós. Das ist der traditionelle Sologesang oder -tanz, der absolute Ruhe und Wertschätzung verlangt, auch wenn der jeweilige Solist weder singen noch tanzen kann. Jedes Bemühen wird geschätzt, gekichert wird bestenfalls im Keller.
Stellt euch vor, du, Micha oder Jo, würdest aufgefordert, auch einen Beitrag zur musikalischen Unterhaltung zu leisten. »Singt mal was Deutsches«, heißt es oft. Doch wirklich, wir Iren sind interessiert an anderen musikalischen Traditionen. Jetzt stelle ich mir Jo vor, die eigentlich ganz gut Joni Mitchell nachahmen kann. Die ist zwar nicht deutsch, aber egal. Und auch wenn Jo die Noten nicht ganz so trifft, wären alle ruhig und würden ihr höflich zuhören und klatschen. Was sich bestimmt besser anfühlt, als belächelt oder gar ausgelacht zu werden. Noch lustiger stelle ich mir allerdings vor, wenn Micha nach etlichen Bierchen mal wieder Luftgitarre spielen würde. Auf den Knien. In Berlin würden sich alle vor Lachen kringeln, in Irland würden alle den Mut bewundern und klatschen. Na gut, wir kringeln uns dann hinterher, wenn’s keiner sieht.
Denn: Wir Iren sind alle Künstler. Welcher Qualität auch immer. Hauptsache gutes Entertainment!
THE BLACK STUFF – UND ANDERE GETRÄNKE
Das beliebteste Getränk in irischen Pubs ist natürlich Bier, v. a. das weltberühmte Guinness, the black stuff, wie es vertraulich genannt wird. Das porter, wie das schwarze Bier mit dem typischen cremigen Schaum auch heißt, ist aber nicht das einzige stout (schwarzes Starkbier), das ausgeschenkt wird. Im County Cork z. B. werden die einheimischen stouts Beamish und Murphy’s bevorzugt.
Rötlich braun ist das leicht süßlich schmeckende Bier Smithwick’s (sprich: Smitticks), das früher unter dem Namen Kilkenny ausschließlich exportiert wurde. Heute gibt es auch ein Kilkenny für den irischen Markt, das herber und alkoholreicher als Smithwick’s ist. Zu den einheimischen blonden Bieren, lager genannt, gehört u.a. die Marke Harp. Daneben werden zahlreiche Importbiere u.a. aus den USA, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland angeboten, die nicht gezapft, sondern in Flaschen verkauft werden.
Ein erfrischendes, wenn auch nicht gerade schwach alkoholisches Getränk ist cider, der aus Äpfeln gebraut wird und in der Regel 4,5 bis zu 8 Prozent Alkoholgehalt hat. Bulmers ist die am weitesten verbreitete Marke, die in Pubs auch vom Fass kommt.
Berühmt ist natürlich der irische Whiskey, der einzige, der mit e geschrieben wird. Er ist milder als der schottische oder amerikanische Whisky. Zu den gängigsten Whiskeysorten zählen Jameson, Paddy und Bushmills. Beliebt besonders bei älteren Menschen ist der sahnige Whiskeylikör Baileys, und Frauen bestellen im Pub auch gerne mal einen Gin Tonic.
3
TRAUMHAUS MIT HINDERNISSEN
ERSTKLASSIGE LAGE MIT PLUMPSKLO
Jo schreibt:
Jetzt wurde es langsam Zeit. Wir konnten ja nicht ewig im B&B hausen. Also machten wir uns auf die Suche nach einem Traumhäuschen im Grünen mit allem modernen Komfort für möglichst wenig Geld ...
Wir hatten uns auf den hiesigen Immobilienwebsites nach Häusern zum Mieten umgeschaut und das eine oder andere Objekt gesichtet, das unseren Erwartungen entsprach. Besonders ein Cottage hatte es uns angetan: Es war zwar klein, aber absolut reizend, hatte einen großen Garten – und Meerblick. Telefonisch vereinbarten wir einen Termin mit dem Makler, der einen Treffpunkt in Lahinch vorschlug, da das Haus schwer zu finden sei.
Am vereinbarten Standort hätten wir ihn beinahe übersehen: ein schmales Kerlchen in Jeans und kariertem Hemd, mit grauschwarzem Bart, sehr hoher Stirn und roter Nase – nicht gerade der typische Makler mit Schlips und Kragen.
»Ah, ihr seid die Deutschen!«, rief er uns freudestrahlend zu. »Ich bin Jim. Da habt ihr euch wirklich eine herrliche Immobilie ausgesucht. Romantisch, erstklassige Lage, ruhig.« Jetzt klang er schon mehr nach Makler. »Ein Traum für Menschen, die sich ihr eigenes Nest bauen wollen. Folgt meinem Auto!«
Bauen? Micha schaute mich perplex an. Daran hatten wir eigentlich nicht gedacht. Na, vielleicht meinte er das metaphorisch.
Nach einigen Kurven und rumpeligen Feldwegen hielten wir vor einem kleinen Häuschen.
»Ist das schön«, sagte ich zu Micha und ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen. »Guck mal, das Meer! Und gleich ein Strand da hinten. Und da vorne grasen Kühe.«
»Hm«, meinte Micha. »Guck mal die Fenster. Die sind ja halb verrottet.«
Jim winkte uns fröhlich mit dem Schlüsselbund zur Haustür. Von Nahem sah das Haus tatsächlich etwas, na ja, reparaturbedürftig aus. Aber die Lage!
Kaum hatte ich einen Fuß über die Türschwelle gesetzt, fiel mir die Kinnlade herunter. Wände, von denen der Putz blätterte, eine Küche ohne Spüle mit nur einem uralten Herd, Stromleitungen über Putz. Die reinste Bruchbude. Micha zog die Augenbraue hoch.
Doch Jim verlor nichts von seinem Enthusiasmus. »Ein bisschen Farbe, und das Haus sieht aus wie neu«, strahlte er. »Und schaut mal aus dem Panoramafenster, man kann fast die Cliffs of Moher sehen!«
Panoramafenster? Das war ein größeres Badezimmerfenster, wohlwollend bezeichnet.
»Und wo ist das Bad?«, fragte Micha nun schon etwas verkniffen. »Ah, das Bad!« Jim wuselte weiter. »Das ist ganz traditionell, typisch irisch, wie zu alten Zeiten. Herrlich romantisch für ein junges deutsches Paar, wie ihr es seid.«
»Traditionell«, meinte Micha nur trocken angesichts der winzigen Nasszelle aus Plastik mit reichlich Schimmel an den Abdichtungen – und ohne Toilette.
Mir blieb die Spucke weg. »Und das Klo?«, fragte ich. »Auch traditionell auf einem Balken hinten im Hof?«
»Aber die Lage!«, rief Jim und ignorierte meine Frage. »Der Blick! Und der Preis ist unschlagbar.«
»Sorry«, sagte Micha schließlich. »Romantik ist ja gut und schön, aber wir wollen nicht den ganzen Tag am Fenster stehen und die Aussicht genießen. Aber danke für die Mühe, Jim.«
»Wartet! Ich habe noch ein anderes Objekt mit Meerblick. Etwas teurer zwar, aber auch mit deutlich mehr Komfort. Nicht ganz so privat gelegen, aber auch nicht viele Nachbarn. Schön ruhig. Folgt mir!« Schwungvoll sprang er hinters Steuer.
»Deutlich mehr Komfort«, murmelte Micha. »Wenn deutlich mehr Komfort heißt, dass der Donnerbalken gepolstert ist oder dass es überhaupt einen gibt, dann kann ich gut verzichten.«
»Ach,