Fettnäpfchenführer Irland. Petra Dubilski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Dubilski
Издательство: Bookwire
Серия: Fettnäpfchenführer
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783958892170
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ja auch nur zeitweise dort wohnen, bis ihr ein Haus gefunden habt. Haltet durch!

       Kommentar von: Tina

      Shane hat recht: Putzplan in Irland? Sozialer Selbstmord! Mit dem Putzen haben es die jungen Iren nun wirklich nicht so, außer wenn sie schließlich ihr eigenes Haus besitzen und alles blitzblank gehalten wird. Meistens jedenfalls. Diskussionen über Sauberkeit sind nutzlos, zumal wenn sie von Deutschen angezettelt werden. Das finden die eher lustig.

      Warum die jüngeren Iren so ein nachlässiges Verhältnis zur Hausarbeit haben? Blame the Irish mammy! Die Kinder werden nach Strich und Faden verwöhnt, auch wenn sie schon erwachsen sind. Die mammy räumt ihnen hinterher, sorgt für einen vollen Kühlschrank, stellt das Essen auf den Tisch und wäscht die Wäsche. Manche schleppen ihre Schmutzwäsche jedes Wochenende zur mammy, wenn sie nach Hause fahren, und »nach Hause« bedeutet immer das Elternhaus, auch wenn die Dreißig schon überschritten ist. Jedenfalls für die Männer.

      Überhaupt irische junge Männer (manchmal auch alte): Mit Charme glauben sie, sich durchs Leben wurschteln zu können. Sie toben sich an der Beziehungsfront aus, bis sie die Richtige finden, meist eine, die ihnen wie mammy gewissermaßen den Hintern mit Seidenpapier abwischt.

      Kochen können übrigens die wenigsten jungen Iren, weswegen die meisten sich auch von Sandwiches und Fast Food ernähren oder bestenfalls essen gehen, falls sie es sich leisten können. Herumliegende Take-away- und Pizzaschachteln sind daher keine Seltenheit. Ein richtiges, selbst gekochtes Essen, bei dem alle beisammen sitzen, ist hingegen eher unüblich. Das macht man mit den Eltern, aber doch nicht in der freiheitlichen WG.

      5

       REISENDE NACHBARN

       Jo schreibt:

      Hinter unserem WG-Haus liegt ein großes Stück Brachland. Hat mir immer gut gefallen, ein Stückchen Natur in der Stadt und zumindest aus dem Küchenfenster ein Blick ins, nun ja, Grüne. Vor drei Tagen parkte dort ein einsamer Wohnwagen und zwar direkt hinter unserem Haus. Auf dem Brachland graste ein Pony, Wäsche war auf den Büschen zum Trocknen ausgebreitet. Ich ging raus, um zu gucken, was sich dort abspielte, und winkte der jungen Frau mit den gelbblonden aufgetürmten Haaren, die im Freien einen Teppich ausklopfte, freundlich zu. Sie zog ihr enges T-Shirt über die Röllchen über den Jeans, blickte kurz und ziemlich gleichgültig in meine Richtung und stapfte zurück in den Wohnwagen. Ein kleiner Junge mit raspelkurzen Haaren kickte enthusiastisch einen Fußball vor sich her. Hoffentlich landet der Ball nicht in einem unserer Fenster, dachte ich. Er strahlte übers ganze Gesicht, als er mich sah, und kickte begeistert weiter.

      Abends erzählte ich den anderen, die erstaunlicherweise einmal voll versammelt waren, von unseren neuen Nachbarn. Ob das wohl Touristen seien, die das Brachland zum Übernachten nutzten?

      Aisling bekam fast einen Schreikrampf. »Wir müssen die Polizei rufen! Mann, wenn das hier losgeht, ist keiner mehr sicher!«

      Der sonst so lässige Conor wurde ebenfalls grimmig. »Packt alles ins Haus, was nicht niet- und nagelfest ist, schließt die Fenster unten und die Hintertür zur Küche immer ab, hängt keine Wäsche draußen auf! Die klauen alles. Und lasst die nie und nimmer ins Haus, wenn sie an die Tür klopfen und euch anbieten, die Auffahrt zu asphaltieren oder die Küche neu zu streichen. Oder was auch immer. Bloody tinkers!«

      Micha und ich blickten uns ratlos an, Gianna zuckte mit den Schultern.

      »Wieso?«, fragte ich schließlich. »Das ist doch nur eine kleine Familie. Was sollen die uns schon tun. Vielleicht sind die ja ganz nett, wenn wir sie einfach mal zum Kaffee einladen.«

      »Einladen? Bist du des Wahnsinns?« Conor sah fassungslos aus.

      »Jetzt pass mal auf«, meinte Aisling ungewohnt eindringlich. »Es geht nicht nur um diese Familie. Kommt eine, kommt der ganze Clan. Und weißt du, wie groß so ein Clan ist? Und wenn die nicht sofort vertrieben werden, kommt nicht nur ein Clan, sondern auch der nächste, dann streiten die sich und es kommt zu Messerstechereien und Faustkämpfen. Und dann sind auch wir nicht mehr sicher. Die kennen da nichts!«

      »Und wartet mal ab, bis die ihren Müll über unseren Gartenzaun werfen. Da könnt ihr eure ganze Putzplan-Ideologie begraben.« Conor konnte sich die kleine Spitze nicht verkneifen.

      »Und wie die mit ihren Tieren umgehen!«, setzte Aisling noch einen drauf. »Hast du schon mal in deren Camps die halb verhungerten Ponys gesehen oder die armen Hunde, die verprügelt werden?«

      Gianna äußerte sich auch: »Sind das, äh, Zigeuner?«

      Aisling und Conor schüttelten gleichzeitig den Kopf, Conor lachte hässlich. »Keine Zigeuner, jedenfalls nicht im Sinne von Sinti und Roma. Ganz ordinäre irische Asoziale. Basta!«

      Micha zuckte merklich zusammen. »Zigeuner ist ja nicht gerade politisch korrekt, in welchem Zusammenhang auch immer. Und wieso Asoziale? Nur weil sie im Wohnwagen leben?«

      »Ach, wieder mal typisch deutsch.« Conors Augen huschten zum Küchenfenster. »Immer schön PC (politically correct). Okay, dann sind das eben Travellers. Reisende, dass ich nicht lache. Troublemakers würde ich sie nennen. Die müssen weg. Ich ruf jetzt die Polizei.«

      »Wollen wir nicht erst mal abwarten?«, fragte ich schon etwas zaghaft.

      »Abwarten?«, kreischten Aisling und Conor unisono. »Wir dürfen keine Minute verlieren!«

      Und ich dachte, die Iren wären so locker und tolerant ...

       Kommentar von: Tina

      Es ist einerseits schon traurig, dass sich die Travellers und die sesshaften Iren nicht verstehen und es wohl auch nie ein gegenseitiges Verständnis geben wird. Beide Gruppen sind einfach zu sturköpfig. Andererseits haben Aisling und Conor recht: Wenn erst einmal ein Wohnwagen auftaucht, folgt oft eine ganze Flotte. Und wenn irgendwo ein ganzer Clan zusammenkommt, ist in der Tat kein Ende abzusehen. Da hat dann auch die Polizei keine Macht mehr, die haben selbst viel zu große Angst vor der lauernden Gewalt. Und gewalttätig können diese Leute wirklich werden. Glaubt mir. Nicht alle, aber doch genug, um berechtigte Bedenken zu haben.

      Travellers leben übrigens nicht immer in Wohnwagen. Der Staat sorgt für sie und lässt sie in besonderen Siedlungen leben, oder sie mieten sich selbst in irgendwelchen Häusern ein, meist in den billigeren Gegenden, wo der Vermieter keine Fragen stellt oder es ihm egal ist, wer in seiner Bruchbude haust.

      Damals in Limerick habe ich mich, weil ich es nicht besser wusste, in einer Gegend eingemietet, die etwas heruntergekommen war. Meine unmittelbaren Nachbarn waren ein einziges Ärgernis. Nicht nur der Müll, den sie sich nicht bequemten fortzuschaffen, sondern auch die Kinderschar hat mich zur Weißglut gebracht. Dauernd tobten sie rum, bis spät in die Nacht, schmissen »zum Spaß« irgendwelches Zeug an meine Tür, die Männer parkten vor meiner Auffahrt und warfen Kippen über den Gartenzaun, und wenn ich mich bei den Frauen, die den ganzen Tag nur herumzuhocken schienen, beschwerte, wurde ich auch noch angemotzt. Kein Wunder, dass ich da bald weggezogen bin.

       Kommentar von: Shane

      Ich stimme Tina zu, bin aber erstaunt, dass eine Deutsche so unverblümt über Minderheiten reden kann, ohne den inneren erhobenen Zeigefinger der politischen Korrektheit zu beachten. Aber wer jemals in bestimmten Vierteln von Limerick oder Dublin oder manch anderen Städten gewohnt hat, wächst vermutlich über jeden Zeigefinger hinaus.

      Jo, es gibt in Irland genauso wie in Deutschland und vermutlich überall die Haltung not in my backyard, also »nicht vor meiner Haustür«. Die Travellers mögen mit ihrer »zigeunerhaften« Lebensweise bei Ahnungslosen das Bild von Romantik hervorrufen: ein fahrendes Volk, das sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, einen