Es gibt übrigens drei Arten, sich zu entschuldigen. Am meisten hört man im alltäglichen Leben wohl bùhǎoyìsi. Man verwendet es in kleinen peinlichen Situationen, wenn man sich irgendwo durchdrängelt, zu spät kommt, jemanden unterbricht oder mit einer Frage oder Bitte behelligt. Für ein duìbùqǐ muss man sich einen richtigen Patzer erlaubt haben. Es bedeutet so viel wie »Ich stehe in deiner Schuld«, sei es, weil man jemandem auf den Fuß getreten ist, etwas kaputt gemacht oder einen Geburtstag vergessen hat.
Bei noch größeren Vergehen sagt man mit bàoqiàn wortwörtlich, dass man »Reue« bzw. »Bedauern« verspürt.
Was können Sie besser machen?
Machen Sie kein großes Aufheben und reagieren Sie vor allem nicht gekränkt oder verärgert, sollte ein Taiwaner mit einem Lächeln oder Kichern versuchen, sich bei Ihnen zu entschuldigen. Lächeln Sie auch zurückhaltend und bleiben Sie ruhig. Ein Gesichtsverlust ist schwer wieder gutzumachen. Ein méi guānxi! von Ihnen – Macht nichts! – und schon haben Sie sich und Ihr Gegenüber aus einer peinlichen Situation befreit. Der Taiwaner wird es Ihnen danken und bestimmt genauso großzügig über Ihr nächstes Fettnäpfchen hinwegsehen.
說到 … APROPOS … ZAHLEN IN TAIWAN
Was bei uns die Dreizehn ist, ist in Taiwan die Vier, nur dass hier der Aberglaube noch stärker und weiter verbreitet gelebt wird. Sì, »vier«, klingt so ähnlich wie sǐ, »Tod« oder »sterben«. Daher würde in Taiwan niemand gern in eine Etage ziehen, die wie »Sterbeetage« klingt, eine tödliche Anzahl von Gästen einladen – sei es auch nur, dass die Vier eine Ziffer in der Gästezahl ist. Man würde sich, wenn möglich, nicht in die todbringende Reihe vier im Flugzeug setzen, nie einen Geldbetrag schenken, in dem die Ziffer vier vorkommt – man würde ja den Tod verschenken. Kurz und gut, die Vier wird in allen Lebensbereichen tunlichst vermieden.
Ganz anders steht es da um die Zahl sechs, liù, die, im Klang gleich mit »gleiten« und ähnlich mit liú, »fließen«, eben alles »flutschen« lässt.
So hat jede einzelne Zahl im Chinesischen ihre besondere Bewandtnis – Glück verheißend oder Pech bringend und stets präsent im tagtäglichen Leben von Jung und Alt.
說到 … APROPOS … REISEZEIT UND ARBEITSSUCHE
Plant man in Taiwan eine Arbeit zu finden, ist es tatsächlich gut, in der Zeit um das chinesische Neujahr anzureisen, denn kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest werden bei den Jahresend-Banketts der Firmen (den sogenannten wěiyá) die Bonus-Gehälter an die Mitarbeiter ausgezahlt. Ist das einmal geschehen, setzt ein Bäumchen wechsle dich im Arbeitsmarkt ein, und viele, die nur des Bonus wegen bis Ende des Mondjahres ihrem alten Arbeitgeber treu geblieben sind, suchen sich eine neue Stelle. Oft werden dann Positionen frei und Firmen suchen nach neuen Mitarbeitern.
Wie in vielen Ländern ist auch hier ein Vorstellungsgespräch von Angesicht zu Angesicht wichtig. Bewirbt man sich von Deutschland aus für eine Stelle in Taiwan, zeigen sich Arbeitgeber zwar oft interessiert, wollen aber verständlicherweise den 9.000 Kilometer entfernten Bewerber erst in Taiwan sehen, bevor sie näher darüber nachdenken, ihn einzustellen.
Sollte man als Tourist nach Taiwan kommen und keine Einheimischen kennen, bei denen man das familiäre Fest verbringen kann, ist das chinesische Neujahr eher eine schlechte Zeit für eine Reise: circa eine Woche lang sind Geschäfte und Restaurants größtenteils geschlossen, Tempel und Verkehrsmittel restlos überfüllt, Flüge und Hotels komplett ausgebucht, die Straßen der Innenstädte wie leergefegt. Die beste Reisezeit ist der Frühling oder der Herbst.
3
到了! – DÀO LE! – ANGEKOMMEN!
DAS SCHÜHLEIN-WECHSLE-DICH DER TAIWANISCHEN WOHNUNG
»Dào le! – Angekommen!«, ruft Po-han und springt von seinem Platz auf. »Dào le!«, sagt er noch einmal und lacht Sophie zu. Die blinzelt noch ganz verschlafen und ist erstaunt über das Gewusel. Das Flugzeug rollt noch auf der Landebahn. Ziemlich erfolglos versucht die Stewardess, die Passagiere auf den Sitzen zu halten. Die Regentropfen draußen ziehen schräg im Fahrtwind auf Sophies Fenster entlang. Sie ist vor einiger Zeit eingeschlafen und die 13 Stunden sind so für sie wahrlich wie im Flug vergangen.
»Dào le! Dào le! … «, hört sie immer wieder. Um sie herum sind alle damit beschäftigt zusammenzupacken, ihre Sachen aus den Gepäckfächern zu holen und Freunde und Familie lautstark anzurufen und von ihrem dào le zu berichten. Po-han summt vor sich hin, kontrolliert, ob er alles bei sich hat. Zwei Reihen vor ihm steht Mei-yin schon bereit zum Aussteigen da. Das Flugzeug ruckt, die Anschnallzeichen erlöschen. Dào le – nun wirklich. Auch die Regentropfen am Fenster sind fast zum Stillstand gekommen. Dahinter ist alles grau und dunkel.
»Hier, Mei-yins und meine Handynummer. Ruf an, wenn du hast ein bisschen Probleme. Wir sind immer gern helfen. Und chinesisches Neujahr wir feiern zusammen.« Und damit haben sich Po-han und Mei-yin schon in die Schlange eingereiht, um das Flugzeug zu verlassen.
Sophie ist froh, wieder allein zu sein. Sie will jeden neuen Schritt in Ruhe gehen, alles genießen, die neue Welt in sich aufsaugen – so wie es wahrscheinlich Jan getan hat vor einem halben Jahr irgendwo in Südamerika.
Im Vergleich zum Frankfurter Flughafen ist der Internationale Flughafen Taiwan Taoyuan klein, umso größer aber das Gewimmel und der Trubel. Es scheint, als seien neben Sophie noch tausende anderer Leute in hunderten anderer Flugzeuge gleichzeitig angekommen. Die meisten identifiziert Sophie als Taiwaner. War die kleine Insel denn bis vor kurzem leer? Und nun kommen plötzlich alle zurück?, denkt Sophie.
Erstaunlich schnell ist die Passkontrolle erledigt. Während Sophie in der Warteschlange für Ausländer steht, beobachtet sie im Augenwinkel, dass die Taiwaner voll elektronisch mit ihrem Pass durch Glaskabinen mit Kameras und Scannern eingelassen werden. Hightech-Passkontrolle in Taiwan, ein bisschen wie im Supermarkt, wenn die Produkte über das Barcodelesegerät gezogen werden, schmunzelt Sophie in sich hinein.
»Nĭ hăo!«, sagt der Beamte und stempelt ihr Visum ab. »Dào le!«, sagt Sophie und holt ihren Koffer. Sie findet den Schalter für den Bus in die Stadt und kauft auf Englisch problemlos ein Ticket bis zum Hauptbahnhof – so wie es Chen Zi-ting vom Couchsurfing ihr geraten hat. Dann soll sie mit dem Taxi weiterfahren. Kaum eingestiegen, lässt sie der anfahrende Bus rücklings in den Sitz plumpsen. 30 Kilometer sind es bis in die Stadt. Die Autobahnen sind nicht nur unzählig mehrspurig, sondern auch mehrstöckig. Mal fährt der Bus 40 Meter über dem Erdboden über vier oder fünf anderen Autobahnen hinweg, mal fährt er unter Autobahnen hindurch auf Straßen gesäumt von Gebäuden mit Reklameschildern aus blinkenden Neonröhren. In der Ferne leuchten die Hochhäuser der Innenstadt. Schnell hat Sophie auch den Taipei 101 entdeckt, der weit über das Lichtermeer hinausragt und heute im roten Schein erstrahlt. Mit jedem Meter kommt sie ihrem neuen Leben näher. Sie hüpft während der einstündigen Fahrt ungeduldig auf dem Sitz umher, verbiegt sich am Fenster, um auch jedes Detail draußen wahrzunehmen.
»Dào le!«, ruft der Busfahrer nach hinten. Sophie sieht aus dem Fenster: rechts liegt der riesige Hauptbahnhof von Taipeh, links stehen gelbe Taxen in Reihe und warten auf Fahrgäste.
Sophie steigt aus dem Bus in eines der Taxen um und zeigt dem Fahrer die Adresse, die sie sich von der Internetseite ausgedruckt hat. Der nickt und fährt los. Nach zehn Minuten Fahrt sagt auch er »Dào le!« und zeigt auf eins der mehrstöckigen Häuser in einer kleinen Gasse.
Auch wenn alles problemlos gelaufen ist, so haben doch die Einreise, das Gepäckholen und die Fahrt nach Taipeh länger gedauert, als sie dachte. Nun ist es schon elf Uhr abends. Sophie ist es peinlich, so spät noch bei ihrer Gastgeberin zu klingeln. Vielleicht