Ein Bild wurde kurz eingeblendet – die ruhende Theta in ihrer Kapsel.
»Hier seht ihr Emthon die Fünfte, eure ehemalige Imperatrice! Offiziell hat sie nicht abgedankt, und sie wurde auch nicht ordnungsgemäß des Amts enthoben. Doch was ich hiermit offenbare, wird Emthon die Fünfte infrage stellen und ihr Amtsenthebungsverfahren, das ich hiermit beantrage, beschleunigen.
Und weshalb?
Etwas Unerhörtes ist geschehen! Emthon die Fünfte höchstpersönlich hat schweren Amtsmissbrauch begangen und mit eigenen Händen ein feiges Attentat verübt, bei dem ich zu Tode kommen sollte. Sie wollte sich gar nicht erst der Konfrontation mit mir stellen, sondern sich feige entziehen – durch Massenmord! Wie durch ein Wunder entkam ich, und ich sage daher, meine Aufgabe muss erst noch erfüllt werden! Alle vierundzwanzig She'Huhan waren mit mir, um mich am Leben zu erhalten. Durch sie wurde ich erneut in dieses Leben gerufen, und dadurch wurde mir klar, dass mein Schicksal noch nicht vollendet ist und ich gebraucht werde, andernfalls hätte ich diesem Anschlag niemals entkommen können!
Es gab jedoch Opfer zu beklagen, die wir, sobald Ruhe und Ordnung eingekehrt ist, in einer angemessenen Zeremonie betrauern werden. Ich spreche von Ihin da Achran und Pertia ter Galen!«
Er machte erneut eine effektvolle Pause, damit diese Nachricht verarbeitet werden konnte. Neben der Imperatrice waren die Khestan, die Rudergängerin, und die Mascantin der Arkonidischen Flotte die berühmtesten und angesehensten Frauen des Imperiums. Ihr Einfluss bei Hofe war sehr groß gewesen.
Deshalb war diese Nachricht ein Schock – und machte nicht nur die beiden Frauen zu Märtyrern, sondern zugleich Mascudar zum Begünstigten der Sternengötter. Wenn das kein Wunder war! Die Frauen waren für ihn gestorben – ihr Opfer durfte nicht umsonst gewesen sein.
»Der grausame Tod der beiden Frauen reißt eine tiefe Lücke, die nicht so schnell wieder gefüllt werden kann. Aus diesem Grund fordere ich, die Attentäterin offiziell abzusetzen, denn sie hat durch ihre abscheuliche und verdammenswerte Tat den Thron entweiht und das ehrwürdige Amt mit Blut besudelt!«
Ja, er versteht die Situation zu nutzen, dachte Mirona. Das hätte ich auch getan. Vor allem, weil er recht hat. Was Theta getan hat, ist absolut unverzeihlich. Sie hat den Tod der gesamten Besatzung der CREST II in Kauf genommen, nur um Mascudar zu kriegen. Sie hat einen guten Mann umgebracht, der sie daran hindern wollte, Massenmord zu begehen. Sie hätte jede Menge andere Wege gehabt. Von mir würde sie die Infinite Todesstrafe erhalten, keine Frage.
Mascudar gab noch einige weitere wirkungsvolle Sätze von sich, die Mirona aber nicht mehr interessierten, denn sie stellten im Grunde nur eine Wiederholung des bereits Gesagten dar. Schließlich beendete er seine Rede.
Es dauerte nicht lange, bis eine Antwort von Arkon eintraf.
Im Hauptkommunikationshologramm erschien das Abbild eines erstaunlich übergewichtigen Arkoniden ... doch Mirona begriff sofort, dass er damit eine Botschaft verkündete. Er hatte es nicht nötig, sich verschönern zu lassen. Er erhielt dadurch nur umso mehr »Gewicht«. Hinzu kam, dass er ein recht reifes Alter hatte, seine Haare waren schütter, sein Blick eisig.
»Ich bin Zhadum Thalan Gemlin da Hozarius«, stellte er sich vor. »Im Namen des gesamten imperialen Hofs begrüße ich Sie, Mascudar da Gonozal. Ihre Ankunft überrascht und erfreut uns über alle Maßen. Ihre Gemächer im Kristallpalast werden soeben vorbereitet, der Rat ist informiert, und es wird alles für einen angemessenen Empfang unternommen. Bitte verzeihen Sie, dass wir improvisieren müssen. Ich hoffe, dass dennoch alles zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen wird. Wir geben unser Bestes.
Willkommen zurück und willkommen in Ihrem Zuhause. Dies gilt ebenso für Mascaren da Gonozal und die ehrwürdige Mirona Thetin von Andromeda.« Er verneigte sich gemäß Protokoll, und damit war die Verbindung beendet.
Gut gekontert, dachte Mirona Thetin mit widerwilligem Respekt.
Und sie erweiterte ihre Liste mit Befürchtungen. Gemlin hatte in der kurzen Zeit offenbar genau recherchiert und wusste von ihr. Sie musste darauf achten, sich diesen Mann nicht zum zusätzlichen Feind zu machen. Schließlich betrat sie bald Feindesland.
3.
Wie man sich als Imperator bewirbt
»Bist du bereit, Sohn?« Mascudar da Gonozal kam herein.
»Ja. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?« Atlan da Gonozal traf letzte Vorbereitungen für den Auftritt. Genau wie sein Vater trug er eine blütenweiße arkonidische Uniform mit holografischen Insignien.
Mirona Thetin prüfte, ob sich noch irgendwo ein Stäubchen festklammerte, und zupfte die eine oder andere Falte gerade. Sie hatte schwarz-grüne Kleidung angezogen, die hervorragend zu ihren Haaren und den Augen passte, mit einem transparenten Schleier, den sie locker um den Hals gelegt hatte. Als Schmuck trug sie lediglich ein breites, opalisierendes Armband, das zugleich eine Vielfalt technischer Multifunktionen barg, sowie einen breiten Siegelring, eins der letzten Erbstücke ihres Familienschmucks.
Sie verkniff sich ein Schmunzeln, als sie sah, wie Mascudars Augen sich bei ihrem festlich ausstaffierten Anblick verengten. »Sie ... kommen mit, meine Liebe?«
»Selbstverständlich«, antwortete sie betont freundlich.
»Aber Sie wissen, dass es sich hierbei um eine rein arkonidische Angelegenheit handelt?«
»Das geht schon in Ordnung«, sagte Atlan ruhig und schloss den Kragen, bevor er sich seinem Vater zuwandte. »Der Zwölferrat hat nichts dagegen, das habe ich geklärt. Du bist derjenige, der sich um das Amt bewirbt, nicht ich – ich bin lediglich dein Begleiter und, zur Klärung bei Fragen zu deiner Vergangenheit, die ich beantworten kann, auch Leumund. Mirona kann mich bis zum Vorzimmer begleiten. Es ist nur eine einfache Befragung, bevor das Ritual beginnt.«
Mascudar presste kurz die Lippen zusammen, dann lächelte er zuvorkommend. »Wenn das so ist – natürlich gern«, äußerte er. »Ich würde Ihnen meinen Arm anbieten, Teuerste, aber ich befürchte, der Hof könnte das als Affront betrachten.«
»Das sehe ich ein.« Diesmal verbarg sie ihren ironischen Tonfall nicht. Es amüsierte sie durchaus – sie gehörte schließlich dem älteren Volk der Liduuri an, den Vorfahren der Arkoniden. Vielleicht waren sogar ein paar ihrer Gene in ihm? Mascudar schien sich in seiner ignoranten Haltung Frauen gegenüber gar nicht bewusst zu sein, welch ein bedeutender Unterschied zwischen ihnen beiden bestand. »Haben Sie keine Sorge, ich werde mich in gebührendem Abstand hinter Ihnen halten.«
Schon allein deswegen, weil sie die Hofschranzen mustern wollte, ohne dass alle Augen auf sie gerichtet waren.
Mascudars blendende Erscheinung würde ohne Frage alle Blicke auf sich ziehen. Natürlich wollte sich jedermann ein Bild davon machen, wer so unerwartet aus dem Nichts heraus den Thron für sich beanspruchte. Die Erwartungen konnte er gut erfüllen. Er war groß und stattlich, sah mit seinem wallenden, weißen Rauschbart ehrwürdig aus, väterlich und vertrauenswürdig.
Mirona musste anerkennen, dass er bereits wie ein Herrscher wirkte – vor allem wie einer, der sich um die Belange seines Reichs sorgte und kümmerte. Er wollte den Thron, doch er wollte auch seiner Aufgabe nachkommen. Sicherlich würde er dabei manchmal kompromisslos und gewiss auch skrupellos vorgehen. Er war, wie Atlan da Gonozal angemerkt hatte, »ein harter Knochen«. Mirona Thetin zweifelte nicht daran, dass er buchstäblich über Leichen gehen würde, um ein gestecktes Ziel zu erreichen – doch nicht aus persönlichen Motiven, sondern immer im Sinne des Imperiums und des Volkes. »Der Zweck heiligt die Mittel«, lautete ein Sprichwort der Menschen. Und ein weiteres besagte, dass der Einzelne Opfer bringen mussten für die Gesamtheit.
Ob nun freiwillig oder nicht.
Immerhin schien Mascudar da Gonozal die Fehler der Vergangenheit, beispielsweise seinen Sohn als Versager abzustempeln, nicht mehr wiederholen zu wollen. Seine Zuneigung war nicht gespielt, der Neuanfang sollte komplett sein, ohne Altlasten.
Theta