»Haben Sie den Absender eruiert?«
»Einer der dort Anwesenden, der es allerdings verstanden hat, seine Identifikation zu verschleiern. Er muss das Holovideo von einem neutralen Komgerät des Raumschiffs aus geschickt haben. Aber ich bleibe dran.«
»Hm. Nein. Das ist nicht wichtig.«
»Nicht?«, wunderte sich da Abal.
»Nein. Ich weiß, wer das geschickt hat.«
»Oh ...«
Der Haushofmeister starrte auf die Aufnahme. Es war kein Ton zu hören, und die Personen bewegten sich fast ruckartig. Die Bildsequenz währte nur wenige Millitontas, dann war sie beendet.
»D... das ist er doch, oder?«, stotterte der Lakai. »Er ist aus Andromeda zurück? Warum? Seit wann?«
Gemlin rieb sich das feiste Doppelkinn. »Er ist im Anflug hierher?«, fragte er, ohne auf da Abal einzugehen. Dessen erste Frage beantwortete sich selbst, die zweite war offensichtlich, die dritte irrelevant.
»Ja. Ich habe sofort Späher von den Patrouillen losgeschickt, die in der Nähe der festgestellten Koordinaten sind. Wie ...«, Borgan da Abal räusperte sich. »Wie es aussieht, ist eine ganze Flotte auf dem Weg hierher ...«
Zweihundert Raumschiffe, um genau zu sein, eine gewaltige Streitmacht. Gemlin da Hozarius wusste, dass bei Aarakh Ranton etwas im Gange gewesen war, hätte aber niemals vermutet, dass die Sache solche Ausmaße annähme. Jemand hatte sich dort breitgemacht und sich eine Machtbasis geschaffen. Jemand hatte den imperialen Hof hierbei nicht nur missachtet, sondern offenbar auch aktiv getäuscht.
Und damit ihn.
Es geschah selten, dass Gemlin fassungslos darüber war, dass er nichts geahnt hatte. Sämtliche Celistas mussten ein Doppelspiel getrieben haben. Und seit einiger Zeit hatte es gar keine Nachrichten mehr gegeben, nicht mal eine offizielle Anfrage an Aarakh Ranton hatte Erfolg gehabt. Man hatte da Hozarius hingehalten, in Sicherheit gewiegt, hatte seine derzeit prekäre Lage ausgenutzt, dass er damit beschäftigt war, das Imperium am Auseinanderbrechen zu hindern – um den Auftritt im Arkonsystem dann umso pompöser zu gestalten.
»Also, soll ich mir passende Kleidung als Hofnarr machen lassen?«, fragte Borgan da Abal herausfordernd.
Gemlin warf ihm einen so finsteren Blick zu, dass der Assistent nun doch in sich zusammenschrumpfte. »Ich neige gerade dazu, Sie zum Aufseher einer Gefängniszelle zu machen. Innerhalb davon.«
Der Haushofmeister stand auf, verschränkte die Arme auf dem Rücken und wanderte zu der großen, bodentiefen Fensterfront. Sein Arbeitsbereich im Kristallpalast befand sich so weit oben, dass es nur wenige Kelchbauten in der Nähe gab, die gleichhoch oder höher waren als seine Büroetage.
Seine Stadt breitete sich dort unten aus, und er war stolz auf sie. Prachtbauten, Prachtanlagen, Prachtstraßen. Der Kristallpalast ragte in leuchtendem Weiß darüber empor, mit perfekt gemusterter Außenfassade voller Erker, Ausbuchtungen, Vorsprünge, Plattformen und herauskragender Gärten.
Trotzdem war der Trichterbau längst nicht fertig, noch immer gab es unvollendete Baustellen am Gebäude, die mit Holos jedoch geschickt kaschiert wurden, und noch immer waren nicht alle Geschossebenen komplett eingerichtet. Zumindest das Wichtigste, der Prunk- und Audienzsaal, die Gemächer der Herrscherfamilie sowie einige weitere bedeutsame Räumlichkeiten konnten sich vor Gästen sehen lassen. Die imperiale Verwaltung und Logistik hingegen musste sich teilweise noch mit Provisorien begnügen. Aber dorthin kamen geladene Besucher und um Audienz Ersuchende, die aus dem gesamten Reich anreisten, ohnehin nicht.
Die Beziehungen Arkons zu den Kolonien und den Baronien standen gegenwärtig leider nicht zum Besten. Viele lokale Herrscher revoltierten. Manche von ihnen lud Gemlin in den Kristallpalast ein, um sie davon zu überzeugen, dass es im Schutz des Tai Ark'Tussan, des arkonidischen Sternenreichs, sehr viel mehr Sicherheit und Wohlstand gab als außerhalb davon. Was wollten die kleinen Systeme denn erreichen, sobald sie auf sich gestellt wären? Zusammenarbeit war erforderlich, um das Große Imperium wieder zu wahrer Größe zu führen. Dafür mussten eben auch ab und zu Opfer gebracht werden – an denen die Systemherrscher nicht unerheblich selbst profitierten, weil sie an der Plünderung der kolonialen Ressourcen beteiligt wurden. Die Mehandor stellten sich in diesen Dingen recht geschickt an, und Gemlin hatte die Beschwerden mancher Flottenbefehlshaber, die einen Lakan oder einen Rhagarn kommandierten, zurückgewiesen. Sie befanden sich nicht im Bruderkrieg, in dem ein hartes militärisches Durchgreifen erforderlich gewesen wäre.
Noch nicht. In den siebzig Jahren, seit Gemlin nun schon unauffällig die Fäden im Kristallpalast zog, hatte er noch keine solche Krise erlebt wie derzeit.
Immerhin: Von außen war die marode Lage des Imperiums nicht zu erkennen. Das war das Wichtigste. Für Arkons Ruhm und Ehre – das allein zählte.
»Haben Sie mit irgendjemandem darüber gesprochen? Wer weiß von dieser Nachricht?«, forschte Gemlin nach.
»Niemand, Herr. Sie war verschlüsselt, also bin ich sofort informiert worden, da kein Niederrangiger solche Botschaften lesen darf. Es war nicht schwierig, den Code zu enträtseln, darauf hatte es derjenige gar nicht angelegt. Er wollte nur, dass die Nachricht unverzüglich an den richtigen Adressaten gelangt.«
»Das sehe ich auch so.« Gemlin starrte weiterhin aus dem Fenster. »Borgan, treffen Sie alle Vorbereitungen für die Dheraam dama Zhdopanthi.«
Der junge Assistent verlor seine gesunde Hautfarbe. Er wurde fahlbleich. »F... für die Inthronisation?«, stammelte er. »Sie glauben, dass er ... dass Mascaren da Gonozal ...«
»Er oder ein anderer.«
»Ein and...«
»Wir werden es sehr bald erfahren«, unterbrach Gemlin da Hozarius. »Und wir werden uns nicht damit blamieren, dass wir unvorbereitet sind. Informieren Sie Kristallmarschall Erthau da Durian und Zeremonienmeister Truk Drautherb. Sie sollen sich bei mir für eine Besprechung einfinden, sobald diese Flotte eintrifft, und sich vorab schon mal Gedanken über den Ablauf der Inthronisationszeremonien machen. Die beiden werden – in aller Diskretion – die Logistik dafür planen: Personal, Festivitäten, was eben so anfällt. Sie, Borgan, waren bei der Inthronisation von Emthon der Fünften nicht dabei – natürlich nicht, vor zweiundfünfzig Jahren waren Sie noch nicht mal geboren. Aber stöbern Sie in meinem Archiv, denn ich war damals beteiligt. Dort finden Sie alles Benötigte. Der Zugang ist mit Ihrer Freigabestufe möglich.«
Etwas schien in den Augen des jungen Manns aufzuleuchten. »Ich werde mich umgehend daranmachen – und ich werde Arda da Reloni Bescheid geben, sich als Assistentin in meinem Büro zu Ihrer Verfügung zu halten.«
Gemlin da Hozarius winkte den Lakaien hinaus, während er zu seinem Tisch zurückkehrte. Dann aktivierte er erneut die Aufnahme und ging auf Standbild.
»Er hat die Aufnahme selbst geschickt«, murmelte er. Der Haushofmeister war sich immer noch sein liebster, weil kompetentester Gesprächspartner. Da er der dienstälteste Hofbeamte war, hatte niemand so viel Erfahrung wie er. »Als Vorwarnung. Der Kristallpalast sollte sie bekommen. Ich sollte sie bekommen.« Mascaren da Gonozal kannte Gemlin noch aus den Tagen, als die Kurtisane Theta sich zur Imperatrice Emthon V. aufgeschwungen hatte.
Es war eine Ankündigung und Drohung zugleich. Dem Kristallpalast sollte deutlich gemacht werden, dass es eine gewaltige Änderung geben würde. Und das ohne Verhandlung oder Diskussion.
Aber wer war der andere?
Trotz der schlechten Qualität der Aufnahme, die zweifelsohne beabsichtigt war, wirkte die Gestalt des zweiten Arkoniden im Holo stattlich. Er trug ungewöhnlicherweise einen üppigen Vollbart, weshalb es nicht leicht war, sein Gesicht für eine eindeutige Identifizierung herauszufiltern.
Etwas regte sich in Gemlin, die Erinnerung