»Einschlag Impulsstrahl«, meldete Crysalgiras Stimme. »Waffeneinwirkung.« Sogar in dieser Situation klang sie noch elegant. Nun ja, sie war ja auch eine Positronik ohne Selbsterhaltungstrieb.
»Das war auf fünf Prozent der Leistung gedrosselt«, quäkte der Soldat von links außen.
Ihin war eher wütend als besorgt. Dennoch bremste sie ab. Sie wusste, wie weit sie ein Spiel treiben konnte. »Wenn Sie diese Uniform länger tragen wollen«, sagte sie schnippisch, »dann stellen Sie mich jetzt zum Oberkommando der Flotte durch. Ich will ohnehin die Mascantin sprechen. Und Sie sollten hoffen, dass Ihre Impertinenz dabei nicht zum Thema wird.«
»Ich befolge lediglich meine Befehle. Entweder eine Eskorte zu den zivilen Docks – die aber alle belegt sind – oder eine Fähre. Aber ich sehe gerade, dass Ihr Schiffchen zum Stillstand gekommen ist.«
Ihin verschränkte die Arme. »Ich nehme an, Ihre Befehle gestatten, meine Kommunikationsanfrage an das Oberkommando weiterzugeben?«
»Dem steht nichts entgegen.«
»Na, dann mal Attacke, Soldat!« Sie trennte die Verbindung.
Atlan da Gonozal trat in die Mitte der Zentrale. Obwohl sie gerade einmal vier Meter durchmaß, war sie der größte Raum in der TIA'IR. Der Transitionsantrieb nahm den größten Teil des Volumens ein, und die Unterlichttriebwerke, die gerade so eindrucksvoll ihre Leistungsfähigkeit demonstriert hatten, hätten einer wesentlich größeren Einheit zur Ehre gereicht. Wenn man dann noch die Energieerzeugung, den Maschinenraum und andere technische Einrichtungen berücksichtigte, blieb für Kabinen wenig Platz und für einen Aufenthaltsraum gar keiner. Ihin streichelte die Lehnen des Pilotensitzes. Die TIA'IR war trotz der stilvollen Einrichtung kein verzärteltes Luxusgefährt. Sie war ein Sprinter.
»Ein Jammer, dass Sie sie auseinandernehmen wollen.« Ihin seufzte. Sie bezweifelte, dass er dadurch auf wertvolle Hinweise der Prinzessin stoßen würde, aber ausschließen konnte sie es nach dem, was er über seine bisherigen Abenteuer berichtet hatte, auch nicht.
Da Gonozal reagierte nicht. Durch die Kuppel und den nun wieder transparenten Schirm betrachtete er Arkon III. Ihr kleiner Sprint hatte sie so nah herangebracht, dass der Planet jetzt den Großteil des Sichtfelds einnahm. »Was ist das?«, murmelte er.
Ihin bemühte sich, zu erkennen, was er meinte. Sie sah nichts Besonderes. »Arkon III«, sprach sie das Offensichtliche aus.
»Können Sie mir die Ausgabe der optischen Sensoren auf ein Holofeld geben?«
Sie sah Belinkhar an, die aber auch nicht zu wissen schien, was ihren Gefährten bewegte.
»Sicher.« Ihin tippte die entsprechenden Schaltflächen an, sodass eine leuchtende Anzeige in der Mitte der Zentrale erschien. Die TIA'IR übersetzte ihren Befehl so, dass sich das Holofeld von oben nach unten abrollte wie ein Teppich, sogar mit verzierenden Fransen an den Seiten, die sich wie in einem Luftzug bewegten. Ihin bemerkte, dass sie gerade lächelte.
Da Gonozal dagegen beschäftigte sich mit dem Inhalt des Holos. Er vergrößerte die Orbitalstationen, die zu drei Vierteln im Sonnenlicht liegende Planetenoberfläche, holte Ausschnitte heran, entfernte dann wieder den Betrachtungspunkt, nahm andere Gebiete in den Fokus.
Stirnrunzelnd trat Ihin neben Belinkhar. »Wissen Sie, was er sucht?«
Die grüne Farbe von Belinkhars Augen war unter Mehandor wesentlich häufiger als bei Arkoniden. Jetzt hatte sie die Lider etwas zusammengekniffen, während sie da Gonozal beobachtete, als fürchte sie, ihr könne eine Kleinigkeit entgehen, die sein seltsames Verhalten erklärte. Er wurde immer hektischer, ruderte mit den Armen, als wolle er aus der Bedienung des Holofelds eine sportliche Übung machen.
»Er war sehr lange nicht mehr hier«, sagte Belinkhar. »Auch der Aufbau des Lenim Ranton hat ihn überrascht. Die Elysische Welt war ihm neu.«
Ihin schüttelte den Kopf. In was für eine seltsame Geschichte war sie da hineingeraten?
»Lass mich in Ruhe!«, fauchte Belinkhar plötzlich.
»Was meinen Sie?«
Belinkhar zuckte zu ihr herum. Ihr kurzes, rotes Haar hatte sie zu aggressiven Stacheln frisiert. Unwillkürlich wich Ihin einen Schritt zurück, womit sie an die Wand der Zentrale stieß.
Die Wut wich von Belinkhars Gesicht, als sei sie eine wächserne Maske, die jetzt schmolz. »Entschuldigen Sie!« Sie hastete hinaus.
Da Gonozal stand nun unbewegt. »Sind das alles Militäreinrichtungen?«, fragte er, ohne sich vom Holo abzuwenden.
»Ja. Arkon III ist die Zentralwelt der Flotte. Niemand darf sie ohne Freigabe des Militärs betreten.«
»Aber es gibt keinen unbebauten Quadratmeter auf dem gesamten Planeten! Noch nicht einmal offene Wasserflächen!«
»Das war eine der ökologischen Herausforderungen. Man musste die Wasserkreisläufe neu organisieren, nachdem die Meere mit Landeplatten bedeckt waren. Aber man hat es in den Griff bekommen. Nur die planetare Nahrungsproduktion ist eingebrochen. Arkon III wird zum Großteil über Importe versorgt, weil man die Notrationen nur für den Fall einer Belagerung verwenden will.«
»Und wozu dient dieser Moloch?«
Ihin umrundete das Holofeld. Da es halb durchsichtig war, konnte sie nun das entgeisterte Gesicht ihres Gegenübers betrachten. »Arkon III beherbergt das Flottenkommando«, sagte sie vorsichtig, als könne sich da Gonozals offensichtliches Entsetzen durch ein falsches Wort in einer Panikattacke entladen. »Hier liegen außerdem die größten Rüstungsfabriken des Imperiums. Labore für neue Entwicklungen. Natürlich Kasernen, Geschütze, Transitionsdämpfer, alles, was man zur Verteidigung des Planeten gegen einen massiven Angriff braucht. Und die Offiziersschule Rah'tor selbstverständlich, die übermorgen ihren Abschlussball feiert. Eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen zivile Besucher zugelassen sind, die nicht in irgendeiner Weise das Militär beliefern. Wenn es Sie beruhigt: Es gibt auch einige unbebaute Manövergelände, auf denen die Soldaten ausgebildet werden.«
Da Gonozal desaktivierte das Holofeld. Es rollte sich nach oben hin ein, eine Umkehrung des Effekts, mit dem es erschienen war. Dabei raschelte es sogar wie ein Teppich.
»Nein, das beruhigt mich nicht«, sagte er. Den Sitz des Kapitäns wollte er wohl nicht beanspruchen. Er aktivierte ein Prallfeld, auf das er sich niederließ.
»Was verstört Sie daran so sehr? Sagten Sie nicht, dass Sie auch ein Soldat sind?«
»Ich war sogar Kommandant des 132. Imperium-Einsatzgeschwaders.« Er lächelte freudlos. »Aber das ist lange her. Zu meiner Zeit diente das Militär dem Imperium.«
»Ich würde behaupten, das tut es heute auch noch.«
Er zeigte durch die Kuppel auf den Planeten. »Ein solcher Moloch dient niemandem. Er will gefüttert werden, oder er frisst denjenigen, der ihm nicht schnell genug gibt, was er verlangt. Das Imperium kann eine so gigantische Militärmaschine nicht unterhalten, ohne sie zu gebrauchen.«
Ihin kam es passend vor, wie da Gonozal für den Moment auf den Kapitänsplatz zu verzichten. Also setzte auch sie sich auf ein Prallfeld. »Wenn ich darüber nachdenke, gibt es im Rat und im Umfeld des Regenten tatsächlich viele Offiziere. Und der Adel fordert immer wieder, dass die Flotte weiter vorstößt und neue Gebiete für das Imperium ›erschließt‹, wie sie es nennen.«
»War das schon vor dem Regenten so?«
Ihin dachte an den Hof von Orcast XXII. zurück. Als Kurtisane hatte sie oft Konversation mit seinen Gästen getrieben, bis der Imperator Zeit für diese gehabt hatte. Damals waren Audienzen für hohe Offiziere an der Tagesordnung gewesen. »Die Flotte war immer wichtig. Unter dem Regenten ist sie vielleicht noch wichtiger geworden. Gerade in den letzten Wochen wurden neue Mittel für die Rüstung umgeleitet.«