Neben den neuen Wettbewerbern, die im Zuge der Entwicklung und verstärkten Nutzung digitaler Technologien auf den Versicherungsmarkt drängen, bringen die neuen Techniken auch neue Risiken – sog. Cyberrisiken – mit sich.
Definition 2.B:
Cyberrisiken sind Risiken, welche aufgrund von Angriffen auf IT-Systeme entstehen und welche zur Gefährdung der Verfügbarkeit, Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität relevanter Daten führen.
Für Versicherungsunternehmen folgen aus den Cyberrisiken zwei wesentliche Konsequenzen: Sie können ihren Kunden neue Versicherungsprodukte zum Schutz gegen Cyberrisiken anbieten und sie müssen sich selbst vor diesen Risiken schützen, da sie – besonders aufgrund der Bedeutung der Informationstechnologie für ihr Gewerbe – selbst zum attraktiven Ziel der Angreifer werden können.
Im Allianz Risk Barometer 2020, der die wichtigsten Unternehmensgefahren für die kommenden Monate, basierend auf den Erkenntnissen von mehr als 2.700 Risikomanagement-Experten aus 102 Ländern und Gebieten aufführt, rangieren Cyber-Vorfälle auf dem ersten Platz der wichtigsten Geschäftsrisiken.40 Sieben Jahre zuvor belegten Cyberrisiken im Allianz Risk Barometer lediglich den 15. Platz.41 Das Bewusstsein für diese Risikokategorie hat in den letzten Jahren – im Gleichschritt mit der wachsenden Bedeutung der IT-Systeme für die Unternehmen sowie einigen prominenten Cyber-Angriffen – deutlich zugenommen. Cyber-Vorfälle und damit verbundene Risiken umfassen insbesondere Datenschutzverletzungen, Erpressungsversuche mittels Schadsoftware, Täuschungs- und Manipulationsversuche sowie potenzielle Rechtsstreitigkeiten nach einem Cyber-Angriff.42 Mit dem Risikobewusstsein steigt auch die Nachfrage nach Cyber-Versicherungspolicen kontinuierlich.43 Versicherungsexperten gehen deshalb davon aus, dass sich das Prämienvolumen in Deutschland rasant weiterentwickeln wird und die Cyber-Versicherung die »Feuerversicherung des 21. Jahrhunderts« wird.44
Die vorherigen Ausführungen konnten nur einen Überblick über die vielseitigen Facetten und Auswirkungen geben, welche die neuen, zumeist digitalen Technologien für die Versicherungswirtschaft mit sich bringen. Die Thematik verdient jedoch eine ausführlichere Behandlung. Daher wird die digitale Transformation in der Versicherungsbranche in Kapitel 5 dieses Buches von Jürgen Huschens und Dieter Münk erneut aufgegriffen und vertieft.
Rechtliche Faktoren
Die Versicherungsbranche ist in Deutschland ein traditionell stark regulierter Wirtschaftszweig. Während die Vorschriften für die Sozialversicherung hauptsächlich im Sozialgesetzbuch geregelt sind, sind für die Privatversicherung neben den zentralen Kodifikationen des Privatrechts insbesondere das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz relevant. Die Argumente, welche für eine Regulierung der Versicherungswirtschaft vorgetragen werden, lauten wie folgt:
1) Die Regulierung ist notwendig zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft.Eine funktionierende Versicherungswirtschaft ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung anderer Wirtschaftszweige. Ohne die Möglichkeit der Absicherung wären viele Unternehmen nicht bereit, Risiken einzugehen, die für den Betrieb ihres Geschäftes notwendig sind (
2) Ohne Regulierung tendiert die Versicherungsbranche zu einem natürlichen Monopol.In Kapitel 1 wurde gezeigt, dass die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Schadenhöhe pro Person bzw. pro Risiko umso geringer wird, je größer das Versicherungskollektiv ist. Im Optimum würde somit anstelle vieler kleiner Kollektive einzelner Versicherungsunternehmen ein sehr großes Kollektiv in einem sehr großen Versicherungsunternehmen gebildet werden. Letzteres würde jedoch bedeuten, dass nur noch ein Anbieter den Markt beherrscht und somit ein Monopol das Versicherungsangebot kontrolliert. Auch die hohen Fixkosten und geringen Grenzkosten45 im Versicherungsgewerbe begünstigen die Entstehung eines natürlichen Monopols. Um die mit einem Monopol verbundenen Wohlfahrtsverluste zu vermeiden, wird daher die Regulierung der Versicherungsunternehmen gefordert.
3) Ohne Regulierung besteht die Gefahr der Instabilität des Finanzsystems.Die Versicherungsunternehmen investieren hohe Beträge am Kapitalmarkt (
4) Die Regulierung ist notwendig zum Schutz der Versicherungsnehmer.Eines der wichtigsten Argumente zur Regulierung der Versicherungswirtschaft ist der Schutz der Versicherungsnehmer.46 Letztere haben aufgrund unzureichender Kenntnisse und Informationen oft nicht die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit ihres Versicherungsunternehmens zu beurteilen. Ziel der Versicherungsaufsicht ist es daher, die Zahlungsfähigkeit und Risikotragfähigkeit der Versicherungsunternehmen sicherzustellen, sodass letztere auch über lange Zeiträume die versprochenen Leistungen für ihre Kunden erbringen können.
Über die Versicherungsunternehmen ist in den letzten Jahren eine regelrechte »Regulierungsflut« hereingebrochen, welche insbesondere von der europäischen Ebene ausging. Beispielhaft seien an diese Stelle die Solvency II-Richtlinie (
Politische Faktoren
In enger Verbindung zu den rechtlichen Faktoren stehen die politischen Faktoren. Der Begriff der Politik kann sehr unterschiedlich definiert werden. Für die Zwecke dieser Abhandlung werden politische Faktoren daher als diejenigen definiert, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen, unter denen die Versicherungsunternehmen ihr Geschäft betreiben können. Es handelt sich dabei folglich um Personen(-gruppen),