Die oben dargestellte Definition von Innovationen entstammt der allgemeinen Managementliteratur. Ähnliche Definitionen finden sich aber auch mit Bezug zum Feld des Sports:
»…sport innovation is here defined as proactive and intentional processes that involve the generation and practical adoption of new and creative ideas, which aim to produce a qualitative change in a sport context« (Tjønndal (2017), S. 293).
Jedoch wird in dieser Definition lediglich eine qualitative Veränderung vermerkt, die zwar als intendiert beschrieben aber nicht auf übergeordnete Zielstellungen – wie in der obigen Definition die Unternehmensziele – bezogen wird. Der Grund hierfür mag sein, dass dem Sport vom Ursprung her oft zugeschrieben wird, sich selbst genug zu sein, gewissermaßen also einem Selbstzweck zu dienen: Der Sport, begriffen als Spiel, stellt im Grundsatz eine »freie Handlung« dar, »an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird« (vgl. Huizinga (2009), S. 22). Natürlich umfasst diese, auf grundlegende Wesensmerkmale des Sports Bezug nehmende Sichtweise aber allenfalls einen kleinen Teil dessen, was heute unter dem Begriff des Sports subsummiert wird. Spätestens, wenn Innovationen mit einem mehr oder minder systematischen Innovationsmanagement – welches hier schrittweise erarbeitet werden soll – in Verbindung gebracht werden, ist jedoch von der Existenz übergeordneter Ziele auszugehen. Diese können im Sport allerdings nicht nur als Ziele von Unternehmen, sondern auch von anderen Organisationen oder Individuen, vielleicht sogar als gesellschaftliche Ziele vorliegen. Wenn Sportorganisationen also Gewinn erzielen oder Mitgliederzahlen erhöhen wollen, wenn Individuen in Wettkämpfen gewinnen möchten oder eine Gesellschaft mehr Bewegung zur Verbesserung der Gesundheit als erstrebenswert betrachtet, geht es auch im Sport nicht nur um eine beliebige, sondern um eine ganz gezielte Veränderung.
Das schließt jedoch nicht aus, dass auch durch einzelne Personen rein mit Blick auf das eigene sportliche Tun Innovationen entwickelt werden können. Gerade die später angesprochenen nutzerbasierten Innovationen (»User Innovations«), die im Sport aber mittlerweile auch außerhalb des Sports eine wichtige Rolle einnehmen, sind durch diese Definition explizit einbezogen.
Für drei zentrale Trendsportarten der letzten Jahrzehnte – Windsurfen, Snowboarden und Skateboarden – berichtet Shah beispielsweise, dass die notwendige Sportausrüstung nicht von großen Sportartikelherstellern in einem systematischen Prozess entwickelt wurde, sondern von einigen wenigen, jungen Pionieren, die wenig technische Expertise hatten und ihre Entwicklung in einem praxisnahen Learning-by-doing-Prozess vorantrieben, indem sie einen relativ simplen Prototypen konstruierten, diesen sofort unter realen Bedingungen ausprobierten, vorhandene Probleme direkt behoben und den veränderten Prototypen innerhalb von Stunden erneut testeten. Einige von ihnen gründeten kleine Unternehmen, um die Innovationen zu verkaufen. Diese Unternehmen hatten aber eher den Charakter von Lifestyle-Firmen, welche darauf ausgerichtet waren, ihre eigentlich bevorzugte Aktivität – das Ausüben der neuen Sportart – zu unterstützen und ihnen auch ermöglichten, von anderen Nutzern Impulse für die Weiterentwicklung der Innovation zu erhalten. Entsprechend wurden einige dieser Unternehmen auch wieder geschlossen, wenn sich die Interessen ihrer Gründer veränderten. Zwar entwickelten sich andere im Laufe der Zeit zu großen Sportartikelherstellern, es lässt sich aber trotzdem festhalten, dass die Ursprungsidee der Innovation nicht darauf gerichtet war, unternehmerische Ziele zu erreichen, sondern die persönlichen Interessen der Entwickler zu unterstützen (vgl. Shah (2000), S. 3).
Weitet man den Blick zusätzlich auf eine soziologische Perspektive, so lässt sich zudem ergänzen, dass eine Innovation erst dann zu einer Innovation wird, wenn es nicht nur jemanden gibt, der sie produziert, sondern auch jemanden, der sie als Innovation erkennt (vgl. Braun-Thürmann (2015), S. 6 f.). In der Betriebswirtschaft klingt diese Überlegung – allerdings nicht vollständig – an, wenn diskutiert wird, ob Neuheiten nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv neu sein müssen, um als Innovationen zu gelten (vgl. Vahs/Brem (2015), S. 22). Allgemeiner formuliert: Es muss eine gewisse Einigkeit darüber bestehen, dass etwas eine Innovation darstellt. Was zunächst wie eine Selbstverständlichkeit klingt, hat Folgen, beispielsweise wenn die innovativen Merkmale das Hauptverkaufsargument eines Produktes sind – und die Kunden sie nicht als solche wahrnehmen.
Zwei Beispiele aus dem Sport sollen dies verdeutlichen. In den 1970er Jahren schraubten einige Gruppen in den USA Fahrräder aus alten Teilen zusammen, die zunächst als Schrottkarren (»Clunkers«) bezeichnet wurden. Erst später wurde das Potenzial dieser Schrottkarren erkannt und es entwickelte sich aus einem dieser Modelle das Mountainbike. Und in den 1890er Jahren kannten Golfspieler die aerodynamischen Vorteile beschädigter Golfbälle bereits, bevor Unternehmen dies aufgriffen, um Golfbälle mit strukturierter Oberfläche herzustellen. In beiden Fällen fand das Produkt erst größere Verbreitung mit dem Nachbau und Vertrieb durch Unternehmen und wurde erst damit zu einer Innovation (vgl. Goldsher-Diamond (2014), S. 3).
Im Sport, in dem viele Bereiche umfassender Regulierung unterliegen, kann darüber hinaus die Frage, ob etwas von mehreren Personen als neu wahrgenommen wird, auch über dessen Regelkonformität entscheiden. Dies wird an mehreren Stellen dieses Buches noch intensiver anklingen.
Aus diesen Überlegungen lassen sich folgende Merkmale von Innovationen herausarbeiten, die auch für den Bereich Sport als gültig erachtet werden können:
• Innovationen stellen etwas Neues dar, wobei neben der erfindenden Person mindestens eine zweite das Neue erkennen muss.
• Innovationen beziehen sich auf technische, wirtschaftliche, organisatorische oder soziale Problemlösungen.
• Innovationen sind Erfindungen, die sich durchgesetzt haben.
• Innovationen erfolgen zielgerichtet, und zwar mit Blick auf übergeordnete individuelle, organisationale oder gesellschaftliche Ziele.
1.3 Zum Begriff des Sports und des Managements von/im Sport
In den bisherigen Ausführungen wurde bereits verschiedentlich auf »den« Sport Bezug genommen – ein Begriff, der bei näherem Blick nur schwer zu fassen ist. Oft wird – auch deshalb – im Zuge der Definition von Sport ein engerer von einem weiteren Sportbegriff unterschieden. Beispielsweise wird nach einer engeren Sichtweise von Sport als einer »konkurrenzorientierten, reglementierten Tätigkeit, bei der Menschen um einer mess- und bewertbaren Leistung willen im Training auf zukünftige Erfolge hin investieren« (Prohl (1999), S. 13) gesprochen. In einer weiten Sichtweise findet sich der Sport als »Sammelbezeichnung für kulturelle Objektivationen und historisch tradierte Realisierungsform möglicher Bewegungen« (Prohl, 1999, S. 183). Sport in diesem Sinne ist also ein sehr weites Feld.
Neben Definitionen finden sich auch etliche unterschiedliche Typologien und Kategoriensysteme, die je nach Zweck zur näheren Beschreibung von Sport herangezogen werden. Unter anderem lässt sich der Sport anhand von Sportarten untergliedern,