Dass auch kommerzielle Organisationen aus dem Bereich des Sports auf Innovationen setzen, scheint in diesem Sinne kaum mehr überraschend. Anfang 2019 hat Adidas die Beteiligung am weltweit größten Start-up-Campus »Station F« in Paris bekannt gegeben. Im eigens entwickelten Programm »Platform A« wolle man mit 13 ausgewählten Start-ups an neuen Geschäftsideen für die Sportindustrie arbeiten und die Innovationskraft der Start-up Szene nutzen, um neue, strategisch wichtige Projekte zu identifizieren (vgl. Adidas (2019)).
Innovationen spielen also gerade im Sport eine wichtige Rolle. »Der« Sport stellt allerdings in Wahrheit ein sehr heterogenes Anwendungsfeld dar und das Management von bzw. im Sport unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von allgemeinen betriebswirtschaftlichen Anwendungsfeldern (vgl. Horch/ Schubert/Walzel (2014), S. S. 2 ff.; Hoye/Smith/Westerbeek/Stewart/Nicholson (2006), S. 8 ff.). Die unreflektierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Konzepte in den Sport ist jedoch selten sinnvoll oder kann sich sogar als gefährlich erweisen (Riedl & Langhof 2014; Thiel & Mayer 2009). Organisationen sollten sich sicher sein, dass sie ein Management im betriebswirtschaftlichen Sinne durchführen wollen und vor allem wann und in welchem Kontext sie dieses anwenden möchten (vgl. Baecker (2003), S. 15).
Für ein Innovationsmanagement im Sport lässt sich daraus ableiten, dass dieses möglicherweise für verschiedene Akteure unterschiedlich relevant ist, mit Sicherheit aber je nach Anwendung spezifisch angepasst werden muss. Natürlich ist dies keine Besonderheit des Sports, auch für herkömmliche betriebswirtschaftliche Anwendungsfelder gilt, dass ein Innovationsmanagement in einem spezifischen Unternehmen oder einer Branche im Detail anders aussehen wird als in einem anderen Unternehmen oder einer anderen Branche. Dennoch ist es möglich, diese Anpassung auf den konkreten Anwendungsfall zu erleichtern, indem das (allgemeine) Innovationsmanagement mit Bezug zum Sport spezifiziert wird.
Genau dies soll in dem vorliegenden Buch geschehen. Es erhebt nicht den Anspruch, für alle erdenklichen Ausprägungen des Sports – für jede Art der Sportorganisation, für jeden Produkttyp, der sich im Sport finden lässt oder für jede Sportart usw. – ein spezifisches Innovationsmanagement bereitzustellen. Der Sportbegriff und die Sportbranche sind zu heterogen und auch das Forschungsfeld zu neu, als dass dies in einem solchen Buch möglich wäre. Möglich ist jedoch, durch wechselweise Bezugnahme auf diese verschiedenen Ausprägungen des Sports den Lesern ein umfassendes Verständnis für die Besonderheiten zu vermitteln, die mit einem Innovationsmanagement im Sport einhergehen und sie dadurch in die Lage zu versetzen, die ebenfalls vermittelten Überlegungen, Prozesse, Methoden und Instrumente des Innovationsmanagements zielgerichtet auf das eigene Anwendungsbeispiel aus dem Bereich des Sports anzupassen.
Das erste Kapitel zielt schwerpunktmäßig auf das Verstehen der Hintergründe und Zusammenhänge von Innovationsmanagement und Sport, denn das kommerzielle (und ggf. auch nicht-kommerzielle) »…Überleben erfordert ein differenziertes Verständnis von der Natur innovativer Produkte, der Denkprozesse, durch die solche Produkte zustande kommen, der psychologischen Ressourcen der Menschen, die solche Prozesse durchführen, sowie der externen und internen Umfelder, in denen innovative Menschen agieren« (Cropley/Cropley 2018, S. 1). Zu diesem Zweck werden im ersten Kapitel zunächst die Begriffe Innovation und Sport intensiv beleuchtet und Innovationsarten, Aspekte und Typen von Innovationen im Bereich Sport thematisiert.
In den folgenden Kapiteln gewinnt auch die Anwendung stärker an Gewicht. Kapitel 2 widmet sich den Voraussetzungen für Innovationen im Sport, indem das strategische Management im Sport, Organisationsstrukturen und die Organisationskultur näher betrachtet werden. Abschließend geht das Kapitel auf Entrepreneure und Entrepreneurship im Sport ein.
Kapitel 3 widmet sich schließlich schrittweise dem konkreten Entwicklungsprozess von Innovationen, also insbesondere der Ideengenerierung, der Ideenakzeptierung/-bewertung und der Ideenrealisierung.
1.2 Zum Begriff der Innovation
Der Innovationsbegriff hat in den letzten Jahren in Literatur und öffentlicher Wahrnehmung – mittlerweile auch mit Blick auf das Themenfeld Sport – zunehmende Bedeutung erlangt. Gleichzeitig herrscht umfassende Einigkeit über die umfassende Uneinigkeit, was unter Innovation eigentlich zu verstehen ist (vgl. z. B. Vahs/Brem (2015), S. 1 f.; Tjønndal, 2017, S. 291 f.; Duncker/Schütte 2018, S. 17 f.). Oft unter Bezugnahme auf Schumpeter (1912) haben sich in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich der Innovation mittlerweile ausführlich widmen, mehr als sechzig Definitionen herausgebildet (vgl. Baregheh/Rowley/Sambrook (2009)). Dies kann zwar verwirrend sein, ist aber oft notwendig, beispielsweise wenn es darum geht, die Spezifika einer bestimmten Branche zu reflektieren (vgl. von Au (2011), S. 17).
Aus der Vielzahl an Möglichkeiten, Innovation zu definieren, scheint für den Zweck des vorliegenden Buches vorerst folgende, allgemeine Definition zielführend, da sie in der Lage ist, das Aufgabenfeld in einem ersten Schritt gut zu begrenzen. Innovation wird als…
»…die zielgerichtete Durchsetzung von neuen technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen und sozialen Problemlösungen verstanden, die darauf gerichtet sind, die Unternehmensziele auf eine neuartige Weise zu erreichen« (Vahs/Brem (2015), S. 1).
Aus der Definition ergibt sich zunächst, dass es beim Thema Innovation um etwas Neues oder Neuartiges geht, das sich qualitativ deutlich vom aktuellen Zustand unterscheidet. Allerdings reicht dies noch nicht aus, um von einer Innovation zu sprechen, stattdessen ist gemäß der Definition die Durchsetzung dieser neuen/neuartigen Sache Voraussetzung. Diese muss noch dazu zielgerichtet erfolgen. Innovationen sind demnach keine zufälligen Entwicklungen. In diesem Zusammenhang wird auch der Markterfolg als Voraussetzung von Innovationen diskutiert (vgl. Gassmann (1997)). Diese Sichtweise erscheint zwar (nicht nur aber gerade) für den Bereich des Sports, der in hohem Maße auch auf die Erstellung von anderen als Marktgütern gerichtet ist, zu eng, es wird jedoch an diesem Begriff dennoch deutlich, was mit Durchsetzung gemeint ist und, dass nicht jede Neuigkeit auch eine Innovation darstellt.
Schließlich zeigt die gewählte Definition noch, dass es bei Innovationen nicht ausschließlich um greifbare Produkte oder Dienstleistungen geht (auch deshalb erscheint das Kriterium des Markterfolgs zu eng). Innovationen können beispielsweise auch innerbetriebliche Prozesse sein, die nie an einem Markt im engeren Sinne gehandelt werden.
Am vielzitierten Beispiel des Unternehmens 3M und den durch sie an den Markt gebrachten Post-It-Klebezetteln werden die Merkmale der Innovation noch einmal deutlich. Den Klebstoff dafür entwickelte Dr. Spencer Silver eher versehentlich, als er genau das Gegenteil suchte: ein besonders starkes Klebemittel. Zwar war er vom Wert seiner Erfindung überzeugt, der Enthusiasmus bei den Kollegen war allerdings offenbar sehr begrenzt. Sein Kollege Art Fry kam zwar auf die Idee, den Klebstoff für Notizzettel zu verwenden, scheiterte jedoch beim Versuch, bei Mitarbeitern des Bereichs Unternehmensentwicklung, bei Managern und Vorgesetzten Interesse zu wecken. Erst als Laborchef Geoff Nicholson der Gedanke kam, den