"Im Strand Book Store... Der dürfte Ihnen ja wohl bekannt sein. In fünfzehn Minuten. Seien Sie pünktlich. Kommen Sie weder zu spät noch zu früh... Fragen Sie nach alten Ausgaben von Weird Tales."
"Und wie erkenne ich Sie?"
Es machte knack.
Der Anrufer hatte aufgelegt.
"Das bedeutet wohl, dass er dich erkennt", meinte Milo.
"Ich frage mich, was ich davon halten soll!", brummte ich nachdenklich und überprüfte dabei den Sitz der Waffe an meinem Gürtel. Dann stand ich auf und zog mir Jacke und Mantel an.
Milo folgte meinem Beispiel.
"Warum ruft der Kerl dich an? Woher kennt er deinen Namen? Und woher weiß er, dass du an dem Fall dran bist?"
"Keine Ahnung, Milo."
"Vielleicht kommt er aus dem Dunstkreis dieser Jelena..."
Ich grinste.
"Lassen wir uns überraschen!"
Wenig später saßen wir in meinem Sportwagen und quälten uns durch den mittäglichen Verkehr des Big Apple. Der Strand Book Store war New Yorks größtes Buchantiquariat. Ein Paradies zum Stöbern. Aber auch ein Ort, der durch seine Unübersichtlichkeit wie geschaffen für ein derartiges Treffen war.
Vielleicht gab es ja wirklich jemanden aus dem Umkreis der schönen Witwe, der auspacken wollte. Aus welchem Grund auch immer.
Ich hatte allerdings ein ungutes Gefühl bei der Sache.
Mein Instinkt sagte mir, dass etwas faul an der Sache war.
Wir fuhren den Broadway entlang. An der Ecke zur zwölften Straße lag der Strand Book Store mit der Hausnummer 828. Ich war ab und zu dort gewesen und kannte mich aus. Mein Blick ging zur Uhr am Handgelenk.
"Wir sind etwas zu früh für unseren Freund", erriet Milo meine Gedanken.
"Hat nicht irgendwer gesagt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben?"
"Aber unser Freund will uns auf die Minute genau an einem bestimmten Punkt haben!"
"Siehst du, und das gefällt mir nicht, Milo!"
"Glaubst du, mir vielleicht?"
Ich parkte den Sportwagen in einer Seitenstraße, hundert Meter von jener Ecke entfernt. Wir stiegen aus und meldeten unsere Position noch kurz in der FBI-Funkzentrale. Für alle Fälle...
Milo folgte mir in einiger Entfernung. Wir wussten nicht, ob der Strand Book Store möglicherweise beobachtet wurde. Mein Freund war gewissermaßen eine Art Lebensversicherung für mich, falls dieses eigenartige Treffen einen Verlauf nehmen sollte, der mich in eine brenzlige Lage brachte.
Nachdem ich die Fußgängerampel an der 12. Straße passiert hatte, standen bereits die ersten Ständer mit verbilligten Taschenbüchern vor mir, in denen die Kundschaft interessiert herumwühlte.
Ich ließ den Blick schweifen und fragte mich, welcher der Kunden sich vielleicht weniger für Bücher interessierte, als er vorgab.
Ein Blondschopf mit Vollbart fiel mir auf. Er war ziemlich groß und fast schlaksig. Er blickte dauernd auf und wirkte sehr nervös. In seinem Gesicht zuckte ein unruhiger Muskel und die Tatsache, dass er sich einen Liebesroman für Frauen aus dem Wühltisch herausgefischt hatte, sprach eher dafür, dass ihm das Buch nur als eine Art Feigenblatt diente.
Seine wässrig-blauen Augen sahen mich einen Augenblick lang an, dann blickte er in eine andere Richtung.
Ich beschloss, den Kerl im Auge zu behalten.
Dann betrat ich den Laden.
Ich wusste Milo hinter mir, machte aber nicht den Fehler, mich nach ihm umzudrehen. Eine der Angestellten lief mir über den Weg. Sie war groß und blond. Das lange Haar trug sie offen. Es reichte ihr fast bis zur Hüfte.
"Ich suche alte Ausgaben von Weird Tales", erklärte ich.
Weird Tales war ein geradezu legendäres Groschenheft mit Gruselgeschichten, das bis Anfang der Fünfziger Jahre erschienen war. Heute zahlten Sammler horrende Summen für gut erhaltene Exemplare.
Die junge Blonde lächelte charmant. Ihr schlanker Arm deutete zu einem Regal auf der anderen Seite des Raumes.
"Dort hinten, Sir!"
"Ich danke Ihnen."
Es dauerte eine Weile, bis ich mich durch den völlig überfüllten Verkaufsraum hindurchgedrängelt hatte. Die Wühltische mit den Büchern standen so eng, dass man schon etwas Geduld haben musste. Ein Paradies für Taschendiebe und konspirative Treffen.
Schließlich hatte ich es geschafft.
Die Weird Tales-Ausgaben waren sorgfältig in Folie verschweißt. Ich nahm mir eines der Hefte im Digest-Format und sah mir die schaurige Titelbildillustration an. Ein halbnacktes Mädchen mit großen Brüsten im Angesicht eines Riesengorillas. Gleichzeitig bemerkte ich aus den Augenwinkeln heraus den Blonden.
Er war mir also gefolgt.
Von der anderen Seite näherte sich ein Mann mit schwarzgelocktem Haar. Er war viel kleiner und stämmiger als der Blonde.
Aber seinem Interesse an den alten Gruselheften fehlte irgendwie der rechte Enthusiasmus, der den echten Fan auszeichnet.
Einen Augenblick später hatte er sich neben mich gedrängelt und heuchelte immer noch Interesse an den eingeschweißten Heften im Digest-Format.
Jetzt wurde es ernst...
"Nicht umdrehen, G-Man!", wisperte der Lockenkopf. "Mein Leben kann davon abhängen, dass dieses Treffen kein Aufsehen erregt..."
Ich erkannte die Stimme vom Telefon wieder.
"Hört sich dramatisch an. Wer sind Sie?", fragte ich in gedämpftem Tonfall zurück.
"Jemand, der aussteigen will."
"Am Telefon sagten Sie etwas von Big Vlad Shokolevs Mördern..."
Er atmete tief durch.
"Hören Sie, Trevellian, ich brauche ein Angebot. Ich bin bereit auszusagen, aber ich brauche Sicherheit, sonst lebe ich keine zwei Stunden mehr!"
Seine Angst schien mir echt zu sein. Aber ich musste mehr wissen. Und ich hatte keine Lust, meine Zeit nur mit vagen Andeutungen zu vertun. Er wollte aussteigen, so sagte er. Das bedeutete, dass er irgendwie zum Dunstkreis um Shokolev gehörte. Einer seiner sogenannten Geschäftspartner.
Vielleicht besorgte er die Grundstücke, auf denen die Giftmüllmafia ihren Schrott sehr unfachmännisch 'entsorgte' oder besaß eine Transportfirma, die in Shokolevs Netz verstrickt war. Allerdings sagte mir mein Instinkt, dass dieser Mann vermutlich eine Etage höher anzusiedeln war. Bei den Mittelsmännern vielleicht oder in der Geldwäsche.
"Ist der blonde Riese zu meiner Linken Ihr Mann?", fragte ich.
"Ja."
"Wie beruhigend!"
Er atmete tief durch. "Wie gesagt, ich bin bereit auszusagen. Über Shokolevs üble Geschäfte mit gefährlichem Giftmüll, über Strohmänner..."
"Shokolev ist tot", stellte ich fest. "Wer will Big Vlad noch vor den Richter stellen?"
"Hören Sie..."
"Im Moment habe ich den Eindruck, mit Ihnen meine Zeit zu verschwenden, Mr. Namenlos..."
"Sie wollen Shokolevs Mörder... Oder besser: Den, der die Killeraufträge geben hat und vielleicht einen Bandenkrieg ungeahnten Ausmaßes auslöst... Da will jemand gewaltig aufräumen! Brazzos, Dominguez... und jetzt Big Vlad!"
"Und dieser Jemand ist zufällig auch Ihnen auf den Fersen?"
Seine Stimme vibrierte leicht.
"Ich