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Ronald Anselm fand sich tatsächlich in den Kriminaldateien der Kollegen aus Wallonien, der französischsprachigen Provinz Belgiens. Es gab mehrere Haftbefehle gegen ihn, einer davon wegen Totschlag. Dazu kamen noch ein paar kleinere Vergehen, darunter Körperverletzung und Nötigung. Unter anderem hatte er eine junge Frau ziemlich übel zugerichtet. Leider war aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob diese Frau rote Haare hatte.
Ronald Anselm war als Jean Marquanteur in Wallonien geboren worden. Daher seine Kenntnis der französischen Sprache. Nach dem frühen Alkohol-Tod seiner Mutter war er in einem Heim gelandet und bald wegen psychischer Auffälligkeiten und einem Hang zur Gewalttätigkeit in Erscheinung getreten. Unter anderem brachte er eine Frau beinahe um. Aber nur beinahe. Und obwohl sie rothaarig gewesen war, fiel sie durch die Tatsache, dass sie überlebt hatte, durch unser ursprüngliches Raster.
Um der Strafverfolgung zu entgehen war der Mann, den wir bisher als Ronald Anselm kannten, untergetaucht. Man hatte in Belgien nie wieder etwas von Jean Marquanteur gehört. Aber der telemetrische Fotovergleich war eindeutig. Auch nach langer Zeit.
Das musste wohl die Geburtsstunde einer anderen Identität gewesen sein. Jean Marquanteur und Ronald Anselm waren dieselbe Person.
Er wurde in die Fahndung eingegeben.
„Der Mann hat es gelernt, sofort zu verschwinden, wenn der Verfolgungsdruck zu groß wird“, analysierte Dr. Frank Martin. „Ich nehme an, dass er sich nicht zum ersten Mal eine neue Identität zulegt.“
„Aber diesmal werden wir dafür sorgen, dass es schwieriger für ihn wird“, kündigte Kommissar Jensen an. „Wir werden Fotos an die Medien geben.“
„Die Fotos der Kollegen aus Belgien sind allerdings deutlich veraltet“, stellte Jan fest. „Darauf wird ihn niemand wieder erkennen. Außer er macht sich die Mühe, eine Bilderkennungssoftware einzusetzen, was wir vom normalen Zeugen wohl nicht erwarten dürfen.“
„Es gibt ein Passfoto von ihm“, stellte ich fest. “Und das von seinem Personalausweis. Auf beide haben wir Zugriff.”
Ein Pizza-Service brachte für uns alle etwas zu essen. Es war klar, dass unser Einsatz noch etwas länger dauern konnte und wir eine lange Nacht vor uns hatten. Wenn wir es nicht schafften, Anselm alias Marquanteur einigermaßen schnell zu fassen, bestand die Gefahr, dass wir ihn völlig verloren.
Er hatte schließlich ausreichend Erfahrung darin, sich unsichtbar zu machen.
Der Kaffee im Präsidium war stark genug, schmeckte aber etwas bitter. Immerhin sorgte er dafür, die Müdigkeit zu vertreiben. Ich kaute auf einem Stück Pizza herum und machte mir Gedanken darüber, welches Netz man auslegen konnte, um diesen Täter in die Falle laufen zu lassen.
Jan schien meine Gedanken zu erraten.
„Er ist uns einfach einen Schritt voraus gewesen“, meinte er.
Dann meldete sich plötzlich eine Kollegin aus dem Innendienst zu Wort.
„Anselm hat sein Handy für etwa eine halbe Minute aktiviert“, meldete sie. „Jetzt ist das Signal wieder weg.“
„Reicht das, um seinen Aufenthaltsort zu bestimmen?“, fragte ich.
„Es reicht“, nickte die Kollegin. „Anselm – oder vielleicht auch nur sein Handy – hält sich inmitten einer Industriebrache in Bremerhaven auf!“
Ich wandte mich an Jensen. „Mobilisieren Sie alles, was im Moment noch im Dienst ist, Herr Jensen!“
„Das werde ich!“, versprach er.
Ich ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. „Dies ist vielleicht unsere letzte Chance, den Kerl noch zu fassen“, murmelte ich.
“Bevor er wieder untertaucht”, murmelte Jan Sliter finster.
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Im Gefolge von einem Dutzend Einsatzwagen des Bremer Polizei erreichten wir die Industrieruine in Bremerhaven. Der Kollege Jensen hatte die Einsatzleitung. Es näherten sich zwei Helikopter, die mit großen Scheinwerferkegeln das Gelände absuchten.
Wir stellten unseren Wagen ab und stiegen aus. Dann legten wir unsere Kevlar-Westen an, die bei einem Einsatz wie diesem unerlässlich waren. Schon peitschten Schüsse in der Dunkelheit. Überall kreisten Scheinwerfer.
Zusammen mit den Einsatzkräften der Polizei arbeiteten wir uns voran. Etwa hundert Meter von uns entfernt befanden sich mehrere Fahrzeuge, die offenbar von einem halben Dutzend Personen bewacht wurden.
MPis knatterten los und Mündungsfeuer blitzten auf.
Aufgeregte Stimmen gellten durch die Nacht.
Eine Megafonstimme ertönte und forderte die Bewaffneten auf, sich zu ergeben.
Im nächsten Moment heulte der Motor eines Van auf, dessen Insassen offenbar einen Durchbruch versuchten.
Der Wagen fuhr mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit auf die Einsatzkräfte zu.
Schüsse in die Vorderreifen ließen den Van zur Seite ausbrechen. Nachdem das Gummi innerhalb von Augenblicken verbrannte, kratzten die bloßen Felgen funkensprühend über den Asphalt.
Jensen und seine Leute kreisten den Van ein. Die Insassen ergaben sich. Handschellen klickten.
Den Verhafteten wurden abgeführt.
Inzwischen gaben auch die Männer in der Nähe der anderen Fahrzeuge auf. Die Übermacht der Polizei war einfach zu überwältigend.
„Wo ist Ronald Anselm?“, fragte ich. „Wir haben sein Handy geortet und wissen, dass er hier war!“
Jan deutete auf einen Ford, der gegenüber den Limousinen und dem Van doch erheblich abfiel. „Das dürfte sein Wagen sein!“
Ein Kennzeichenvergleich ergab tatsächlich, dass es sich um ein Fahrzeug handelte, das auf den Namen Ronald Anselm zugelassen war.
Wenig später fand Jan das Handy auf dem Boden. Es war zertrümmert worden.
Ich wandte mich an einige der Gefangenen. „Wo ist der Mann, dem dieser Wagen gehört? Wenn Sie selbst juristisch mit einem blauen Auge davonkommen wollen, dann sollten Sie jetzt kooperieren.“
Schweigen schlug uns zunächst entgegen.
Dann gab sich einer der Festgenommenen einen Ruck. „Sehen Sie in der Halle da vorne nach!“, murmelte er.
Wir verloren keine Zeit, sondern arbeiteten uns weiter