Und genau das tat ihr Boss. Sie konnten sich nicht beklagen. Noch nie war ihr Risiko so gering gewesen.
Atkins, der am Steuer saß, warf einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel. Für Sekundenbruchteile blickte er in die kalten Augen, und er bemühte sich, seine Furcht zu unterdrücken.
Rasch wandte er den Blick ab und blickte wieder zum Eingang des modernen Appartementhauses hinüber, den sie seit einer halben Stunde beobachteten. Dort herrschte reges Kommen und Gehen, aber das Wild, das sie erwarteten, war noch nicht aufgetaucht. Sie wussten nur, dass sie auf eine Frau warteten, die sie verfolgen sollten.
Ellison reinigte sich mit einer schmalen Messerklinge die Fingernägel. Seine Einstellung zu den Dingen des Lebens war sehr unkompliziert. Er machte sich nicht viel Gedanken. Sein Boss hatte ihm gesagt, was zu tun war, und so tat er es, ohne darüber nachzudenken.
Atkins blickte leicht irritiert auf die Klinge, die gewöhnlich in Ellisons Ärmel steckte. Er konnte sehr gut mit der Waffe umgehen. Als sie sich eine Zeit lang als Zuhälter versucht hatten, hatte das Messer als Instrument der Überredung gute Dienste geleistet. Atkins erinnerte sich an manch blutiges Gesicht, das Ellison mit Schnittwunden verunziert hatte.
„Da ist sie!“
Die Stimme klang scharf wie ein Peitschenhieb, und die beiden auf den Vordersitzen zuckten zusammen. Blitzschnell verschwand das Messer in Ellisons Ärmel. Atkins schluckte und fuhr sich mit der Zunge über die Mundwinkel.
Er folgte mit seinem Blick dem ausgestreckten Arm und nickte. Sie sah genauso aus, wie sie der Boss beschrieben hatte. Vielleicht noch hübscher!
Barbara MacLaren kam aus der Wohnung ihres Bruders und wollte nach Hause fahren. Sie besaß eine eigene kleine Wohnung auf der anderen Seite des East River. Mit schnellen Schritten ging sie zu einem Taxistand, der etwa hundert Meter entfernt war.
„Sie will zum Taxistand“, stellte Harvey Atkins fest und drehte sich halb herum.
Der Mann auf dem Rücksitz antwortete nicht. Er schien nachzudenken und strich mit den Händen sanft über seinen Koffer.
Bill Ellison holte ein Päckchen Kaugummi aus seiner Tasche und schob sich gleich zwei der dünnen Streifen in den Mund. Befriedigt mahlte er darauf herum.
„Tatsächlich, sie geht zu den Taxis“, meinte er.
Atkins knurrte unwillig. „Das habe ich ja eben gesagt. Sollen wir ihr nachfahren?“, fragte er über die Schulter.
„Natürlich!“ Die Stimme klang jetzt sanft, und sie vibrierte vor innerer Spannung. „Ich will, dass die Frau in jeder Minute beschattet wird. Ich muss wissen, was sie tut und wann sie es tut. Ich treffe euch morgen zur selben Zeit am üblichen Treffpunkt.“
Der Mann drückte die Tür auf und verschwand geräuschlos aus dem Wagen. Atkins dachte an eine Katze – oder eine Schlange. Sie sahen ihm nicht nach, denn das hatte er ihnen ausdrücklich verboten. Als er ihnen den ersten Auftrag gegeben hatte, waren sie ihm nachgegangen. Aber er hatte auf sie gewartet und sie mit wenigen präzisen Schlägen, die höllisch schmerzten, zu Boden geschickt.
„Wenn ihr das noch mal versucht, bekommt ihr eine Kugel verpasst“, hatte er dann ohne jede Emotion gesagt und war gegangen.
Atkins ließ den Motor an und legte den ersten Gang ein. Im Rückspiegel beobachtete er die Straße. Als sie frei war, wendete er und hielt auf der anderen Seite wieder an. Barbara MacLaren stieg gerade in ein Yellow Cab.
„Dann wollen wir uns mal dranhängen“, meinte Atkins. Der Dodge rollte langsam vorwärts.
Ellison spuckte den Kaugummi aus dem Seitenfenster und schob sich gleich einen Neuen in den Mund.
„Sabato!“, murmelte er. „Hat er eigentlich auch einen Vornamen?“ Atkins wandte flüchtig den Kopf, während er das Taxi im Auge behielt.
„Unser Boss? Ich kenne nur diesen Namen. Und kein Mensch weiß, ob das ein Vorname oder ein Familienname ist. Und vor allen Dingen: Ich will es gar nicht wissen.“
„Aber ein merkwürdiger Name ist es doch“, sagte Ellison. „Es klingt nach Mexiko. Dabei sieht er nicht aus wie ein Mexikaner.“
„Jetzt halt mal die Luft an. Dieser Name klingt auch nach Tod. Und darüber will ich nicht reden.“
„Ist ja schon gut. Pass lieber auf, dass du das Taxi nicht verlierst!“
„Den gibt’s nicht, der mich abhängt“, murmelte Atkins und gab Gas.
Der Mann, der sich Sabato nannte, hatte dem Dodge aus schmalen Augenschlitzen noch ein paar Sekunden nachgeblickt. Nun ging er in entgegengesetzter Richtung weiter. Er trat in eine Telefonzelle und wählte eine Nummer in Manhattan. Als sich der Teilnehmer meldete, sagte er nur: „Sie wissen, dass der erste Teil erledigt ist. Die nächste Zahlung ist fällig. Ich erwarte den Betrag heute Abend an der vereinbarten Stelle.“
Er wartete nicht auf die Antwort seines Gesprächspartners, sondern legte abrupt auf und verließ die Telefonzelle. Er hielt sich nicht gerne lange an einem Ort auf.
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5.
JOAN MACLAREN RAUCHTE hastig eine Zigarette und drückte die Kippe mit einer fahrigen Bewegung im Aschenbecher aus. Der Mann, der ihr gegenübersaß, lächelte amüsiert.
„Bist du nervös? Wartet dein Mann auf dich? Es ist schon spät. Vielleicht solltest du jetzt besser gehen.“
„Behandle mich nicht immer wie ein Kind, John. Du weißt genau, weshalb ich nervös bin. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“
Sie blickte John Carruthers fragend an. Er sah gut aus und war im gleichen Alter wie ihr Mann, wirkte aber jünger. Er tat auch mehr für seine Gesundheit und war weitaus ehrgeiziger.
Joan hatte sich schon oft gefragt, warum sie damals eigentlich MacLaren geheiratet hatte. Aber sie kannte die Antwort. Damals sah es so aus, als würde Kevin schneller Karriere machen. Aber er war ein Schwächling, nicht hart genug für das Geschäft eines Politikers.
John Carruthers war ein ganz anderes Kaliber. Er hatte keine Hemmungen und beherrschte perfekt den intrigenreichen Tanz um die Macht. Wer weiß, vielleicht würde er eines Tages noch ins Weiße Haus einziehen. Deshalb hatte sie die Beziehungen zu ihm auch nie abgebrochen. Sie wusste, dass Carruthers sie nach wie vor begehrte. Es würde sein größter Triumph sein, wenn er seinem Rivalen auch noch die Frau ausspannen konnte.
Sie zündete sich eine neue Zigarette an und sagte: „Einer von euch beiden wird Clarks Nachfolger werden. Ich möchte wissen, wer es sein wird. Dann erst kann ich mich entscheiden.“
Carruthers lächelte. „Dein Mann hat keine Chance, glaube mir. Ich habe die besseren Karten. Mach Schluss mit ihm und komm zu mir. Hier liegt die Zukunft.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist nicht so einfach. Gib mir noch ein paar Tage Zeit. Ich muss darüber nachdenken.“
„Aber nicht zu lange. Ich weiß nicht, was du noch bei ihm willst. Er wird den Zweikampf mit mir verlieren, das steht fest. Damit ist seine politische Karriere beendet. Über viel Kapital verfügt er auch nicht. Das Vermögen gehört seiner Schwester, und die ist geizig. Sie wird ihn finanziell nicht unterstützen. Und bis er an dieses Vermögen herankommt, bist du alt und grau.“
Joan zitterte. „Warum sagst du mir das alles? Ich weiß es ja selbst. Aber ich kann mich trotzdem nicht so schnell entscheiden.“
„Was macht Delmonte?“, wechselte er plötzlich das Thema.
„Sein