Ich werde nie vergessen, wie ich ihn mit sechs oder sieben Jahren auf dem Baumstamm sitzend gefragt habe: »Sag mal, wie hast du das gemacht: Aus dem Nichts ein Unternehmen zu gründen und so lange erfolgreich zu sein?« Ich fand es faszinierend. Meine Großeltern mussten sich in den ersten Jahren entscheiden zwischen einem vernünftigen Sonntagsbraten und dem Kauf von Material, um die Produktion weiter aufrechtzuerhalten.
Mit funkelnden Augen erwiderte er: »Es ist ganz einfach. Mit allem, was man tut, ist es so wie mit dem Feuer heute Abend: Man muss am Anfang viel Energie aufwenden, Holz sammeln, die Holzstücke richtig aufeinanderstapeln. Dann braucht es Energie, um das Feuer zu entfachen, und wenn es brennt, darf man sich kurz freuen. Man muss allerdings gleich überlegen, was zu tun ist, damit es in einer Stunde auch noch brennt. Man muss also rechtzeitig das richtige Holz zum richtigen Zeitpunkt nachlegen, um das Feuer am Brennen zu halten.
In einer Firma ist es genauso. Wenn du heute Erfolg hast, hast du in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen. Aber du musst heute schon die nächsten Schritte und Entscheidungen überlegen, um auch morgen Erfolg zu haben. Mit anderen Worten: Der Erfolg von heute ist das Ergebnis der richtigen Entscheidungen von gestern. Die entscheidende Frage ist: Welche Entscheidung muss ich heute treffen, um in der Zukunft erfolgreich zu sein?«
Dies war für mich absolut logisch, obwohl ich die Analogie erst viele Jahre später richtig verstanden habe. Diese hat sich so in mein Gehirn eingebrannt, dass sie mich jeden Tag begleitet.
Nun ist dieses Beispiel so einleuchtend wie trivial und sollte fest in jeder Unternehmens-DNA verankert sein.
In der Praxis ist dies jedoch oftmals nicht der Fall. Anders ist es nicht zu erklären, dass langanhaltender Erfolg diesen Grundsatz immer in den Hintergrund zu rücken scheint, vor allem dann, wenn technische oder gesellschaftliche Veränderungen Einzug halten.
Nehmen wir das Beispiel des Stangeneis. In den 1930er-Jahren hat mein Großvater geholfen, für eine Brauerei in Endingen am Kaiserstuhl Stangeneis an die umliegende Gastronomie zu liefern. Die Stangeneisproduktion lief industriell ab, war effizient und das Logistikkonzept dahinter war ausgeklügelt. Es war ein erfolgreiches Geschäftsmodell, mit dem man sehr gutes Geld verdiente – bis zu dem Zeitpunkt, als der Kühlschrank massentauglich und das Stangeneis obsolet wurde.
Doch welcher Stangeneishersteller ist zum Kühlschrankproduzenten geworden?
Welcher Kerzenhersteller ist Glühbirnenproduzent geworden?
In beiden Beispielen hat man es aus einer Position der Stärke nicht geschafft, sich zu transformieren und auf die Veränderungen im Markt- und Kundenverhalten im richtigen Maße zu reagieren. Erfolg macht satt und müde. Man befindet sich in der Erfolgsfalle.
Blickt man in die Gegenwart, so ist diese Fähigkeit, sich immer wieder neu anzupassen, wichtiger denn je. Viele Unternehmen sind nach zehn Jahren Hochkonjunktur verwöhnt vom laufenden Erfolg. Sie sind genauso satt und müde geworden wie die Stangeneis- und Kerzenhersteller. Dazu kommt noch, dass sie die Folgen der Digitalisierung nur unzureichend verstehen. Durch neue Technologien, Geschäftsmodelle und Plattform-Ökonomie werden traditionelle Industrien in einem noch nie gekannten Ausmaß verändert. So besitzt Airbnb mehr Bettenkapazität als die größte Hotelkette der Welt – ohne eine einzige Immobilie zu besitzen. Uber ist das größte Taxiunternehmen geworden, ohne ein einziges Fahrzeug zu besitzen. Eine Entwicklung, die vor zehn Jahren nie jemand vorausgeahnt hätte.
Noch nie war es wichtiger, sich an verändernde Umweltbedingungen schnellstens anzupassen und nicht in die Erfolgsfalle zu tappen oder dort zu verharren.
Auch Coca-Cola schwamm auf einer sehr langen Erfolgswelle. Dies änderte sich im Jahr 2003 radikal. Es folgte ein beispielloser Turnaround des gesamten Unternehmens und der Unternehmenskultur. Ein wahrer Kraftakt, der Coca-Cola aus einer existenzbedrohenden Schieflage zu einem leuchtenden Beispiel der Digitalisierung in der Branche geführt hat.
Die Autoren Thorsten Jekel und Hubertus Kuhnt haben beide zum Erfolg dieser Transformation beigetragen und schildern dies in anschaulicher Art und Weise. Dabei bleibt es nicht bei theoretischen Analysen. Sie erläutern Konzepte und Werkzeuge, welche praxiserprobt sind und somit einen echten Mehrwert für jeden Unternehmer und für jede Führungskraft bieten. Die aufgeführten Konzepte kann jeder für sich im betrieblichen Alltag sofort nutzen und umsetzen. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.
Lassen Sie sich von diesem Buch inspirieren, damit auch Sie zur rechten Zeit Holz nachlegen können, um Ihr Feuer langfristig am Brennen zu halten.
Herzlichst
Ihr Ralph Winterhalter
Vorwort
Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erlebte Coca-Cola Deutschland ab Januar 2003 die größte Herausforderung seiner Geschichte – und münzte sie bis 2015 in einen geradezu sensationellen Erfolg um: Das Unternehmen wandelte sich von Grund auf und ist heute ein Leuchtturm der Digitalisierung. Es ist agil aufgestellt, die Mitarbeiter ziehen an einem Strang und setzen neueste digitale und mobile Technologien effektiv ein. Der Vertrieb wurde um 20 Prozent produktiver.
Was war geschehen? Die Einführung des Einwegpfands Anfang 2003 in Deutschland ließ den Umsatz massiv einbrechen – und erwischte das erfolgsverwöhnte Unternehmen kalt. Zunächst wurde versucht, die Verluste mit herkömmlichen Mitteln zu kompensieren. Doch nach einigen Jahren merkte das Topmanagement, dass nur ein radikaler Umbau aller Führungs-, Vertriebssteuerungs- und IT-Prozesse den Turnaround bringen könnte.
Es folgten ein beispielloser Umbau der Strukturen und ein radikaler Wandel der Unternehmenskultur. Diesen Turnaround haben wir in unterschiedlichen Rollen mitgestaltet. In diesem Buch erzählen wir Ihnen die Geschichten hinter dem Veränderungsprozess und geben Ihnen eine Fülle von Praxistipps. Sie richten sich an Führungskräfte jeder Branche – denn Schnelligkeit und Agilität sind die Basis für den dauerhaften Erfolg in jedem Unternehmen. Es geht um Exzellenz im Management und in der Kommunikation, um Exzellenz im Vertrieb sowie um Exzellenz im Einsatz von digitalen Technologien.
Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir uns entschieden, die genauen Unternehmensbezeichnungen der unterschiedlichen Coca-Cola-Organisationen vereinfacht darzustellen. Wann immer wir von »Coca-Cola« oder »den deutschen Coca-Cola-Unternehmen« schreiben, verbergen sich dahinter eine oder mehrere der folgenden Gesellschaften:
• The Coca-Cola Company (TCCC): Markeninhaber, Rechteinhaber, Franchisegeber
• Coca-Cola GmbH (CC GmbH): 100-prozentige Tochter der TCCC, für Marken, Rechte und Franchise in Deutschland verantwortlich
• Coca-Cola Deutschland Verkauf (CCDV): Key-Account-Organisation zu Zeiten des Konzessionärswesens mit dem Auftrag, nationale Kunden zu betreuen
• CCEAG: Coca-Cola Erfrischungsgetränke Aktiengesellschaft (Konzessionär mit dem Recht, Marken der CC GmbH in Deutschland zu produzieren und zu vertreiben)
• CCEP: Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH (Konzessionär in Deutschland ab 2016, Nachfolger der CCEAG und Teil der Coca-Cola European Partners, London)
Übrigens: In unserem Buch werden wir die Geschehnisse immer wieder aus der Sicht von Coca-Cola erzählen, auch weil wir daran beteiligt waren. Andererseits verbirgt sich hinter dem Pronomen »wir« hin und wieder das Autoren-Duo Jekel / Kuhnt. Wir sind sicher, Sie werden die richtige Zuordnung vornehmen! Und ganz am Schluss wartet diesbezüglich auch noch eine Überraschung auf Sie.
Wir wünschen Ihnen viel Freude und wertvolle Erkenntnisse bei der Lektüre!
Ihr Thorsten Jekel und Ihr Hubertus Kuhnt
PS: Aktualisierungen und Bonusmaterial zum Buch finden Sie auf https://www.fuer-die-umsetzung.de.