Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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nichts“? Von mir selbst* bin* ich nicht. Der Sohn ist nämlich vom Vater Gott, der Vater aber ist nicht vom Sohne Gott; der Sohn ist Gott von Gott, der Vater aber ist Gott, jedoch nicht von Gott; der Sohn ist Licht vom Lichte, der Vater aber ist Licht, jedoch nicht vom Lichte; der Sohn* ist, aber es ist einer, von dem er ist, der Vater dagegen ist*, aber es ist keiner, von dem er ist.

       4.

      Wenn er nun beifügte: „Wie mich der Vater gelehrt hat, dies rede ich“, so beschleiche keinen von euch, meine Brüder, ein fleischlicher Gedanke. Es kann ja die menschliche Schwäche nichts denken, als was sie zu tun oder zu hören gewohnt ist. Stellet euch also nicht gleichsam zwei Menschen vor Augen, den einen als Vater, den andern als Sohn, und den Vater als zum Sohne redend, wie du es machst, wenn du einige Worte an deinen Sohn richtest, indem du ihn ermahnst und belehrst, wie er reden soll, damit er, was er von dir gehört hat, dem Gedächtnis einpräge, und dann, wenn er es dem Gedächtnis eingeprägt hat, auch mit der Zunge hervorbringe, in Laute kleide und fremden Ohren mitteile, was er in die seinigen aufgenommen hat. Fasset die Sache nicht so auf, damit ihr nicht in euren Herzen Götzenbilder errichtet. An eine menschliche Form, an Umrisse menschlicher Glieder, an die Gestalt des menschlichen Fleisches, an diese sichtbaren Sinne, an Stellungen und Bewegungen des Leibes, an einen Dienst der Zunge und artikulierte Laute dürft ihr bei jener Trinität nicht denken, außer was die Knechtsgestalt betrifft, welche der eingeborene Sohn Gottes angenommen hat, da er Fleisch geworden ist, um unter uns zu wohnen1124. Da verbiete ich dir nicht, o menschliche Schwäche, an das zu denken, was du kennst, ja ich halte dich sogar dazu an. Wenn der Glaube in dir wahr ist, dann denke dir Christus so, aber aus der Jungfrau Maria denke ihn dir so, nicht aus Gott dem Vater. Er war ein Kind, wuchs wie ein Mensch, wandelte wie ein Mensch, dürstete und hungerte wie ein Mensch, schlief wie ein Mensch, litt endlich wie ein Mensch, wurde ans Kreuz gehängt, getötet und begraben wie ein Mensch; er stand in derselben Gestalt wieder auf, fuhr in derselben Gestalt vor den Augen der Jünger zum Himmel empor und wird in derselben Gestalt zum Gerichte erscheinen. Denn die Stimme der Engel läßt sich im Evangelium so vernehmen: „So wird er kommen, wie ihr ihn habt zum Himmel emporfahren sehen“1125. Denkst du also an die Knechtsgestalt in Christus, so denke an ein menschliches Bild, wenn der Glaube in dir ist; denkst du aber an den Ausspruch: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“1126, dann hinweg aus deinem Herzen alle menschliche Gestalt, hinweg aus deinen Gedanken alles, was eine körperliche Schranke hat, was von einem örtlichen Raume umschlossen wird oder in was immer für eine Masse sich ausdehnt; ein solches Gebilde bleibe deinem Herzen ferne. Denke dir, wenn du kannst, die Schönheit der Weisheit, stelle dir die Schönheit der Gerechtigkeit vor. Ist es eine Gestalt? Ist es eine Figur? Ist es eine Farbe? Nichts von diesem, und doch* ist* sie; denn wenn sie nicht wäre, würde sie nicht geliebt noch als geliebt und gelobt im Herzen und in den Sitten festgehalten werden. Nun aber werden die Menschen weise; wie würden sie es werden, wenn die Weisheit nicht wäre? Ferner aber, o Mensch, wenn du* deine* Weisheit nicht mit den Augen des Fleisches sehen kannst noch in solcher Vorstellung denken, wie man körperliche Dinge sich vorstellt, wie darfst du es wagen, in die Weisheit* Gottes* die Gestalt eines menschlichen Körpers einzuführen?

       5.

      Was sagen wir also, Brüder? Wie hat der Vater zum Sohne geredet, weil der Sohn sagt: „Wie der Vater mich gelehrt hat, dies rede ich“? Als der Vater den Sohn lehrte, hat er da Worte gebraucht, wie du, wenn du deinen Sohn lehrst, Worte gebrauchst? Wie gebraucht er Worte gegenüber dem Worte? Wie viele Worte sollten an das einzige Wort ergehen? Hatte denn das Wort des Vaters Ohren für den Mund des Vaters? Das sind fleischliche Vorstellungen; hinweg damit aus euren Herzen. Das nämlich sage ich; siehe, wenn ihr verstanden habt, was ich gesagt habe, so habe ich sicherlich geredet, meine Worte erschallten und trafen durch ihren Schall die Ohren und führten durch euer Gehörorgan den Sinn derselben zum Geiste, wenn ihr es verstanden habt. Nehmet an, es habe ein Mensch, der lateinisch kann, zugehört, doch eben nur zugehört, das Gesagte aber nicht verstanden. Was nun den aus meinem Munde ausgegangenen Schall betrifft, so hat ihn der, welcher es nicht verstand, ebenso vernommen wie ihr; er hat denselben Schall gehört, dieselben Silben haben seine Ohren getroffen, aber in seinem Geiste haben sie nichts hervorgebracht. Warum? Weil er es nicht verstanden hat. Ihr aber, wenn ihr es verstanden habt, wodurch habt ihr es verstanden? Der Schall, der von mir ausging, traf euer Ohr; habe ich etwa auch im Geiste ein Licht angezündet? Ohne Zweifel, wenn das wahr ist, was ich gesagt habe, und ihr diese Wahrheit nicht bloß gehört, sondern auch verstanden habt; zwei Dinge sind dort geschehen, unterscheidet sie, das Hören und das Verständnis. Das Hören ist durch mich bewirkt worden, durch wen das Verständnis? Ich habe zum Ohr gesprochen, daß ihr höret; wer hat zu eurem Herzen gesprochen, daß ihr es verstehet? Ohne Zweifel hat jemand auch zu eurem Geiste etwas gesprochen, damit nicht bloß jenes Wortgeräusch euer Ohr treffe, sondern auch in euren Geist etwas von der Wahrheit gelange; es hat einer auch zu eurem Geiste gesprochen, aber ihr seht ihn nicht; wenn ihr es verstanden habt, Brüder, so ist auch zu eurem Geiste etwas gesprochen worden. Eine Gabe Gottes ist das Verständnis. Wer hat dies in eurem Geiste gesprochen, wenn ihr es verstanden habt? Der, zu welchen der Psalmist sagt: „Gib mir Verständnis, damit ich deine Gebote lerne“1127. Z. B. der Bischof hat gesprochen. Was hat er gesprochen? sagt einer. Du teilst ihm mit, was er gesprochen hat, und fügst bei: Er hat wahr geredet. Dann sagt der andere, der es nicht verstanden hat: Was hat er gesagt, oder was ist das, was du lobst? Beide haben mich gehört, zu beiden habe ich gesprochen, aber zu einem von ihnen hat Gott gesprochen1128. Wenn man Kleines mit Großem vergleichen darf ― denn was sind wir im Vergleich zu ihm? ―, aber es wirkt Gott auf unkörperliche und geistige Weise in uns ein gewisses Etwas, was weder ein Schall ist, der das Ohr trifft, noch eine Farbe, die mit den Augen unterschieden wird, noch ein Geruch, der mit der Nase verspürt wird, noch ein Geschmack, der mit dem Gaumen geprüft wird, noch etwas Hartes und Weiches, was durch Berühren gefühlt wird; dennoch ist es etwas, was man leicht empfinden, aber nicht erklären kann. Wenn nun Gott, wie ich zu sagen angefangen habe, in unserm Geiste ohne Schall redet, wie spricht er zu seinem Sohne? So also, Brüder, so denket euch die Sache, wofern ihr könnt ― wenn man, wie gesagt, Kleines mit Großem einigermaßen vergleichen darf ―, so denket euch die Sache: unkörperlich hat Gott zum Sohne gesprochen, weil der Vater den Sohn unkörperlich gezeugt hat. Und er hat ihn nicht so gelehrt, als hätte er einen Ungelehrten erzeugt, sondern ihn lehren heißt soviel als einen Wissenden erzeugen; und so heißt: „Der Vater hat mich gelehrt“ dasselbe wie: als einen Wissenden hat er mich erzeugt. Denn wenn, was wenige verstehen, die Natur der Wahrheit einfach ist, so ist für den Sohn das* Sein* dasselbe, was das* Wissen* ist.Von dem also hat er das Wissen, von dem er das Sein hat, nicht so, als ob er von ihm zuerst wäre und nachher von ihm das Wissen empfinge, sondern wie er jenem durch die Erzeugung das Sein gab, so hat er ihm durch die Erzeugung das Wissen gegeben, weil für die einfache Natur der Wahrheit, wie gesagt, Sein und Wissen nicht etwas Verschiedenes, sondern dasselbe ist.

       6.

      Dies sprach er also zu den Juden und fügte bei: „Und der mich gesandt hat, ist mit mir“. Das hatte er auch schon vorher gesagt, aber er erwähnt die Sache wegen ihrer Wichtigkeit wiederholt: „Er hat mich gesandt“ und „er ist mit mir“. Wenn er also mit Dir ist, o Herr, dann ist nicht einer vom andern gesandt worden, sondern ihr seid beide gekommen. Und doch, obwohl beide beieinander sind, ist einer gesandt worden, der andere hat gesandt, weil die Sendung die Menschwerdung ist und die Menschwerdung nur dem Sohne eignet, nicht auch dem Vater. Demnach hat der Vater den Sohn gesandt, aber vom Sohne sich nicht entfernt. Denn nicht war der Vater dort, wohin er den Sohn sandte, nicht gegenwärtig. Denn wo ist der nicht, der alles gemacht hat? Wo ist der nicht, der gesagt hat: „Himmel und Erde erfülle ich“1129? Aber vielleicht ist der Vater überall, und der Sohn nicht überall? Höre den Evangelisten: „Er war in dieser Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht worden“1130. Also, sagt er, „der mich gesandt hat“, durch dessen sozusagen väterliche Urheberschaft ich Fleisch angenommen habe, „ist mit mir, er hat mich nicht verlassen“. Warum hat er mich nicht verlassen? „Er hat mich nicht allein gelassen“, sagt er, „weil ich allezeit tue, was ihm wohlgefällt“. Darin besteht die Gleichheit: „immer“, nicht von einem Anfang an und so weiter, sondern ohne Anfang,