Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659875
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auf Ungewohntes, das Sichtbare auf das Unsichtbare anwenden, das Geschöpf mit dem Schöpfer vergleichen. Es fragen uns nämlich die Ungläubigen und sagen: Den ihr Vater nennet, nennet ihr Gott? Wir antworten: Ja. Den ihr Sohn nennet, nennet ihr Gott? Wir antworten: Ja. Den ihr Heiligen Geist nennet, nennet ihr Gott? Wir antworten: Ja. Also, sagen sie, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind drei Götter? Wir antworten: Nein. Sie werden verwirrt, weil sie nicht erleuchtet sind; sie haben ein verschlossenes Herz, weil sie den Schlüssel des Glaubens nicht haben. Wir nun, Brüder, wollen unter dem Vorantritt des Glaubens, welcher das Auge unseres Herzens heilt, das, was wir verstehen, ohne Dunkelheit erfassen, was wir aber nicht verstehen, ohne zu zweifeln, glauben. Von dem Fundamente des Glaubens wollen wir nicht abweichen, damit wir zum Gipfel der Vollkommenheit gelangen. Gott ist der Vater, Gott ist der Sohn, Gott ist der Heilige Geist; und doch ist der Vater nicht der, welcher der Sohn ist, noch der Sohn der, welcher der Vater ist, noch der Heilige Geist, welcher der Geist des Vaters und des Sohnes ist, entweder der Vater oder der Sohn. Die Dreifaltigkeit ist also* ein* Gott, die Dreifaltigkeit ist* eine* Ewigkeit,* eine* Macht,* eine* Majestät; drei ― aber nicht Götter. Es entgegne mir nicht der Sachverdreher: Wieso drei? Denn wenn drei, sagt er, so muß du erklären, was drei ist. Ich antworte: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Siehe, sagt er, du hast drei genannt, aber drücke aus, was drei ist. ― Vielmehr zähle du; ich meine ja drei, wenn ich sage: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Denn in Bezug auf sich selbst ist der Vater Gott, in Bezug auf den Sohn ist er Vater; in Bezug auf sich selbst ist der Sohn Gott, in Bezug auf den Vater ist er Sohn.

       4.

      Was ich hier sage, könnt ihr aus täglichen Gleichnissen erkennen. Ein Mensch und ein anderer Mensch, wenn jener der Vater, dieser der Sohn ist. In Bezug auf sich selbst ist er Mensch, in Bezug auf den Sohn ist er Vater, und der Sohn hinwieder ist Mensch in Bezug auf sich selbst, Sohn aber in Bezug auf den Vater. Denn der Name Vater drückt eine Beziehung zu etwas aus, und ebenso drückt der Name Sohn eine Beziehung zu etwas aus; indes das sind zwei Menschen. Nun aber ist Gott der Vater in Bezug auf etwas Vater, nämlich in Bezug auf den Sohn, und der Sohn ist in Bezug auf etwas Sohn, nämlich in Bezug auf den Vater; allein nicht wie jene zwei Menschen, sind diese zwei Götter. Warum ist das hier nicht so? Weil jenes etwas anderes ist, dieses aber wieder etwas anderes ist; weil dies die Gottheit ist1106. Da ist etwas Unaussprechliches, was sich mit Worten nicht ausdrücken läßt, so daß es sowohl eine Zahl ist als auch keine Zahl ist. Denn sehet, ob sich nicht gleichsam als Zahl zeigt: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist ― eine Dreiheit. Wenn drei,* was* sind die drei? Es fehlt die Zahl1107. So ist Gott weder ohne Zahl noch wird er von der Zahl umfaßt. Weil es drei sind, ist es gleichsam eine Zahl; wenn du fragst,* was* die drei sind, ist es keine Zahl. Darum heißt es: „Groß ist unser Herr, und groß ist seine Kraft, und seiner Weisheit ist keine Zahl1108. Wo du zu denken anfängst, fängst du zu zählen an; wo du zähltest, kannst du nicht sagen,* was* du zähltest. Der Vater ist der Vater, der Sohn ist der Sohn, der Heilige Geist ist der Heilige Geist;* was* sind diese drei, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist? Nicht drei Götter? Nein. Nicht drei Allmächtige? Nein. Nicht drei Schöpfer der Welt? Nein. Also ist der Vater allmächtig? Gewiß allmächtig. Also ist nicht auch der Sohn allmächtig? Gewiß auch der Sohn ist allmächtig. Also ist auch der Heilige Geist nicht allmächtig? Auch er ist allmächtig. Also drei Allmächtige? Nein, sondern ein Allmächtiger. Durch das allein weisen sie auf eine Zahl, was sie in Bezug aufeinander sind, nicht was sie in Bezug auf sich selbst sind. Denn weil Gott der Vater in Bezug auf sich selbst Gott ist zugleich mit dem Sohne und dem Heiligen Geiste, sind nicht drei Götter; weil er in Bezug auf sich selbst allmächtig ist zugleich mit dem Sohne und dem Heiligen Geiste, sind nicht drei Allmächtige; weil er aber nicht in Bezug auf sich selbst Vater ist, sondern in Bezug auf den Sohn, noch Sohn in Bezug auf sich selbst, sondern in Bezug auf den Vater, noch Heiliger Geist in Bezug auf sich selbst, sofern er der Geist des Vaters und des Sohnes genannt wird, kann man nicht drei zählen, außer Vater, Sohn und Heiliger Geist, diesen* einen* Gott,* einen* Allmächtigen; also* ein* Anfang.

       5.

      Vernehmet etwas aus den heiligen Schriften, damit ihr das Gesagte irgendwie fassen möget. Nachdem unser Herr Jesus Christus auferstanden und in dem von ihm bestimmten Zeitpunkte in den Himmel aufgefahren war, sandte er nach Verlauf von zehn Tagen von dorther den Heiligen Geist. Von ihm erfüllt, fingen die in* einem* Saale Versammelten in den Sprachen aller Völker zu reden an. Durch das Wunder wurden die Mörder des Herrn erschreckt, im Innern betroffen empfanden sie Reueschmerz, Schmerz empfindend änderten sie sich, geändert wurden sie gläubig; es schlossen sich dem Leibe des Herrn d. i. der Zahl der Gläubigen dreitausend Menschen an. Desgleichen traten infolge eines andern Wunders noch fünftausend bei, und es entstand* eine* Volksschar und zwar nicht eine kleine. In dieser Volksschar wurden alle nach Empfang des Heiligen Geistes, der die geistige Liebe entzündete, durch eben diese Liebe und Glut des Geistes in Einheit verbunden, und sie fingen in diesem Einheitsbunde an, alles zu verkaufen, was sie hatten, und den Erlös zu den Füßen der Apostel niederzulegen, damit einem jeden nach seinem Bedürfnisse davon zugeteilt würde. Und von diesen sagt die Schrift: „Sie waren* eine* Seele und* ein* Herz in Gott“1109. Gebt also acht, Brüder, und erkennet hieraus das Geheimnis der Trinität, wie wir nämlich sagen: der Vater ist, der Sohn ist, der Heilige Geist ist, und wie doch nur ein Gott ist. Siehe, jene waren so viele Tausende, und es war* ein* Herz; siehe, es waren so viele Tausende, und es war* eine* Seele. Aber wo? In Gott. Um wieviel mehr Gott selbst! Irre ich etwa im Worte, wenn ich zwei Menschen zwei Seelen nenne, oder drei Menschen drei Seelen, oder viele Menschen viele Seelen? Gewiß, ich sage mit Recht so. Sie sollen nur zu Gott hinzutreten, und alle haben nur* eine* Seele. Wenn viele Seelen, indem sie zu Gott hinzutreten, durch die Liebe* eine* Seele sind und viele Herzen* ein* Herz, was tut dann die Quelle der Liebe selbst im Vater und Sohne? Ist dort nicht umsomehr die Trinität* ein* Gott? Denn von dorther kommt uns die Liebe, vom Heiligen Geiste selbst: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsern Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“1110. Wenn also die Ausgießung der Liebe in unsern Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist, aus vielen Seelen* eine* Seele macht und aus vielen Herzen* ein* Herz macht, um wieviel mehr sind der Vater, der Sohn und der Heilige Geist* ein* Gott1111,* ein* Licht und* ein* Anfang?

       6.

      Hören wir also den Anfang, der zu uns redet. „Vieles“, sagt er, „habe ich über euch zu reden und zu richten.“ Ihr erinnert euch, daß er sprach: „Ich richte niemand“1112; siehe, jetzt sagt er: „Vieles habe ich über euch zu reden und zu richten“. Allein es ist etwas anderes: „Ich richte nicht“, und etwas anderes: „Ich habe zu richten“. Ich richte nicht, sprach er von der Gegenwart; denn er war gekommen, die Welt zu retten, nicht die Welt zu richten1113; wenn er aber sagt: „Vieles habe ich über euch zu reden und zu richten“, so meint er das zukünftige Gericht. Denn darum stieg er empor um zu kommen zum Gerichte über die Lebendigen und die Toten. Niemand wird gerechter richten als derjenige, der ungerecht gerichtet worden ist. „Vieles“, sagt er, habe ich über euch zu reden und zu richten; aber der mich gesandt hat, ist wahrhaft“. Sehet, wie dem Vater die Ehre gibt der ihm gleiche Sohn. Ein Beispiel nämlich gibt er uns und spricht gleichsam in unsern Herzen: O gläubiger Mensch, wenn du mein Evangelium hörst, sagt dir der Herr dein Gott: Nachdem ich, im Anfang das Wort, Gott bei Gott, dem Vater gleich und gleichewig mit dem Erzeuger, dem die Ehre gebe, dessen Sohn ich bin; wie kannst du so stolz sein gegen den, dessen Knecht du bist?

       7.

      „Vieles“, sagt er, „habe ich über euch zu reden und zu richten, aber der mich gesandt hat, ist wahrhaft“; als würde er sagen: Darum richte ich wahr, weil ich als der Sohn des Wahrhaftigen die Wahrheit bin. Der Vater wahrhaftig, der Sohn die Wahrheit, was glauben wir, ist noch mehr? Suchen wir denkend zu erforschen, wenn wir können, was mehr ist, der Wahrhaftige oder die Wahrheit? Erwägen wir es an einzelnen Beispielen. Ist der fromme Mensch mehr oder die Frömmigkeit? Doch mehr ist die Frömmigkeit selbst. Denn der Fromme ist von der Frömmigkeit, nicht die Frömmigkeit von dem Frommen. Es kann ja die Frömmigkeit sein, obwohl der, welcher fromm war, unfromm geworden ist. Er hat die Frömmigkeit verloren, der Frömmigkeit selbst hat er nichts entzogen.