»Klingt ein bissel traurig«, seufzte Therese. »Wie wär’s mit einem Seelentröster? Ein Schnapserl vielleicht?«
»Komm hoch, du altes Weiberl«, entgegnete Elvira lachend und verschwand vom Fenster, um Therese die Haustür zu öffnen.
*
»Hallo, Doktor Seefeld, hallo, Frau Bergmann«, begrüßte Kai Sebastian und Anna, als er und Britta wenig später ins Café Höfner kamen und sich an einen Nachbartisch setzten.
»Hallo, Herr Küster, Frau Kaufmann«, begrüßte Sebastian die beiden. »Wie geht es Ihrer Hand?«, fragte er Britta, die inzwischen keinen Verband mehr trug.
»Ich habe so gut wie keine Schmerzen mehr«, versicherte sie ihm, was auch der Wahrheit entsprach.
»Dann steht Ihrer Teilnahme am Wettbewerb nichts mehr im Weg.«
»Stimmt, ich fühle mich topfit«, sagte Britta lächelnd.
»Sie sind dabei geblieben, dieses Mal nicht teilzunehmen?«, wandte sich Sebastian an Kai.
»Ehrlich gesagt, für uns Einheimische ist dieser Wettbewerb auch keine wirkliche Herausforderung.«
»Das ist allerdings wahr. Der Alpenverein sollte sich in Zukunft mehr einfallen lassen, als unsere üblichen Spaziergänge in die Strecke einzubauen«, gab Sebastian ihm recht.
»Ich muss los, Sebastian. Die Schwangerschaftsgymnastik beginnt in einer Viertelstunde«, sagte Anna.
»Geh nur, ich kümmere mich um die Rechnung. Ich muss dann ohnehin auch los. Vater wartet sicher schon sehnsüchtig darauf, dass ich die Sprechstunde wieder übernehme. Er will doch zur Antiquitätenmesse nach Garmisch. Kommst du nachher zum Abendessen zu uns?«
»Möchtest du, dass ich komme?«
»Ich möchte auch, dass du bleibst«, raunte er ihr zu, bevor sie sich mit einem Kuss von ihm verabschiedete. »Auf Wiedersehen, Herr Küster, Frau Kaufmann«, wandte sich Anna den beiden noch einmal freundlich zu und eilte über den Marktplatz zum Haus mit der Apotheke. Im ersten Stock darüber war ihre Praxis und unter dem Dach ihre gemütliche kleine Wohnung.
Kurz nachdem Anna gegangen war, brach auch Sebastian auf und verabschiedete sich von Britta und Kai. Er verkniff sich jede Frage nach seinem Befinden, weil er nicht wusste, ob er Britta etwas von seinen Beschwerden erzählt hatte.
»Die beiden passen gut zusammen, schon rein äußerlich«, stellte Britta fest, die zuerst Anna nachgeschaut hatte und nun Sebastian mit ihrem Blick verfolgte.
»Du meinst, so gut wie wir?«, entgegnete Kai mit seinem jungenhaften Lächeln, das Britta so gut gefiel.
»Ich hoffe, dass es so ist«, antwortete sie.
Sie hatte inzwischen das Gefühl, Kai schon lange zu kennen. In den letzten Tagen hatten sie viel miteinander unternommen. Sie waren zur Burgruine und zum Wasserfall hinaufgewandert, hatten die Höhle oberhalb der Ruine besucht und waren mit dem Ruderboot auf dem Sternwolkensee unterwegs gewesen. Abends hatten sie im Biergarten oder in einem der Restaurants in der Gegend gegessen. Aber jetzt ging die Zeit mit ihm zu Ende. In drei Tagen würde sie wieder nach Hause fahren.
»Ich würde gern heute Abend für dich kochen«, sagte Kai, während sie den Kirschkuchen aßen, den sie sich bestellt hatten. »Morgen werden wir uns vermutlich nicht sehen, weil ich die 12 b zur Klassenfahrt nach Salzburg begleiten werde. Ich denke, dass wir erst am späten Abend zurück sein werden. Und übermorgen ist der Wettbewerb.«
»Du denkst an eine Art Abschiedsessen?«
»Nein, ich denke an ein romantisches Essen mit Kerzen und einem guten Wein«, sagte er und betrachtete sie zärtlich. »Falls du zusagst, werde ich dich gegen sieben abholen.«
»Gib mir deine Adresse, ich nehme mir ein Taxi.«
»Es würde mir nichts ausmachen, dich abzuholen.«
»Ich weiß, aber so gefällt es mir besser. Ich möchte sehen, wie du mir die Tür öffnest und mich hereinbittest.«
»Das heißt, du wirst kommen?«
»Ich bin schon sehr gespannt auf deine Kochkünste.«
»Ich werde mir große Mühe geben, dich nicht zu enttäuschen.«
»Du wirst mich nicht enttäuschen, Kai«, sagte sie und sah in seine Augen.
*
»Und da willst du hingehen? Das kann nicht dein Ernst sein. Er weiß doch, dass du in drei Tagen wieder fort sein wisst. Ein bisschen Spaß und keine weiteren Verpflichtungen. Darauf läuft es doch hinaus.« Ulrike sah Britta kopfschüttelnd an, nachdem sie ihr und Gundula von Kais Einladung erzählt hatte.
Sie saßen auf dem Balkon ihrer Suite, hatten es sich auf den Liegestühlen bequem gemacht und ließen sich die abendliche Sonne ins Gesicht scheinen. Hatte Ulrike sich in den letzten Tagen mit ihren Vorbehalten gegen Kai ein wenig zurückgehalten, machte sie Britta ihre Bedenken nun wieder eindeutig klar.
»Ich gehe.« Gundula huschte ins Zimmer, als das Telefon läutete. »Ja, hallo, ein Gespräch für mich? Wer ist es denn? Ja, nehme ich an«, hörten Britta und Ulrike sie sagen und dann sahen sie sie mit dem Telefon ins Nachbarzimmer gehen.
»Sie hat wohl auch Geheimnisse«, murmelte Ulrike.
»Was heißt auch? Ich verheimliche euch doch nichts.«
»Wer weiß«, entgegnete Ulrike mit skeptischer Miene.
»Was ist denn nur mit dir los, Rieke? Ich bin kein Teenager mehr, der vor dem bösen Verführer gewarnt werden muss. Ich bin erwachsen, ich weiß, was ich tue. Und ob du es hören willst oder nicht, ich habe mich in Kai verliebt, und ich bin ziemlich sicher, dass er das Gleiche für mich empfindet.«
»Bitte, Britta, geh heute Abend nicht zu ihm. Ich will nicht, dass du etwas bereuen musst«, redete Ulrike weiter auf sie ein.
»Egal, was du sagst, ich werde zu ihm gehen«, erklärte Britta fest entschlossen.
»Okay, es reicht. Ich denke, ihr beendet diese Diskussion. Ihr werdet euch sonst noch böse streiten«, mischte sich Gundula ein, die wieder auf den Balkon zurückkam. »Jede von uns hat schon Dinge getan, die die anderen nicht wirklich nachvollziehen konnten. Zum Beispiel habt ihr beide nie verstanden, warum ich meinen Hans geheiratet habe und in sein Reisebüro eingestiegen bin, statt weiterhin als Stewardess durch die Welt zu reisen.«
»Stimmt, das haben wir nicht verstanden«, gab Ulrike zu, »aber inzwischen haben wir deinen Hans richtig liebgewonnen«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Es war eine Herzensentscheidung, die sollten wir Britta auch zutrauen. Ich meine, sie wird wissen, wer der Richtige für sie ist.«
»Verzeih, Gundi, das klingt, als würde sie bereits planen, diesen Kai zu heiraten«, entgegnete Ulrike verblüfft.
»So weit sind wir noch nicht. Diesen Punkt können wir erst einmal hinten anstellen. Ich gehe mich jetzt umziehen«, sagte Britta und erhob sich von ihrem Liegestuhl. »Und bitte, Rieke, streite dich jetzt nicht mit Gundi, nur weil du dich um mein Seelenheil sorgst«, wandte sie sich lächelnd an Ulrike, bevor sie den Balkon verließ.
»Ich kann nicht zulassen, dass ihre Beziehung zu diesem Kai noch enger wird«, flüsterte Ulrike Gundula zu.
»Was willst du dagegen unternehmen?«
»Ich habe die Sache ganz offen mit Richard besprochen. Er wird morgen hier eintreffen.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch, ist es. Sie muss ihn sehen, dann wird alles wieder gut werden. Wenn ich nur wüsste, was ich tun kann, um sie daran zu hindern, heute Abend zu dem Sportlehrer zu gehen.«
»Vergiss es, du kannst sie nicht daran hindern. Und morgen gehst du erst einmal zu Doktor Seefeld. Es klingt, als würdest du eine