»Du hältst mich für geeignet, eure Hunde auf Dauer zu trainieren?«
»Aber ja, auf jeden Fall. Ich müsste zwar erst mit dem Vorstand der Bergwacht sprechen, aber ich bin sicher, dass alle dafür sein werden. Zumal Benedikt Seefeld auch im Vorstand ist und nur lobende Worte für dich findet.«
»Danke, es freut mich, dass ihr mit meiner Arbeit zufrieden seid.«
»Sobald dein Onkel eine Entscheidung getroffen hat, setzen wir uns zusammen und reden über alles.«
»Ja, gern.«
»Gut, das wäre geklärt. Ich muss dann auch los. Ich wünsche dir einen schönen Tag«, verabschiedete sich Kilian.
»Den wünsche ich dir auch«, antwortete Paula und sah ihm nach, wie er eilig davonging. Er ist mit meiner Arbeit zufrieden, aber an mir persönlich hat er kein Interesse, dachte sie, sonst hätte er doch längst den Versuch unternommen, sie näher kennenzulernen. Vermutlich war es besser, ihn aus ihren Träumen zu verbannen. Sie würden sich wohl niemals erfüllen.
Gerade als Kilian in seinen Wagen steigen wollte, bog das rote Cabriolet mit Benedikt am Steuer auf den Parkplatz ein. Kilian wartete noch, bis Benedikt sein Auto abgestellt hatte und ausstieg. Die beiden Männer sprachen ein paar Worte miteinander, bevor Kilian sich schließlich in sein Auto setzte und den Parkplatz verließ. Danach ließ Benedikt Nolan aus dem Auto aussteigen, der gleich losstürmte, um Paula zu begrüßen.
Nolan war eindeutig ihr Lieblingsschüler. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er seinen wuscheligen Kopf zur Seite geneigt und sie mit seinen dunklen Augen angesehen, ein Blick, mit dem er sie im Sturm erobert hatte. »Hallo, Nolan«, begrüßte sie den Hund, der sich vor sie hinhockte und brav darauf wartete, bis sie ihn streichelte.
»Guten Morgen, Paula, Nolan konnte es kaum abwarten, dich wiederzusehen«, sagte Benedikt, der dem Hund in einigem Abstand folgte.
»Die Freude beruht auf Gegenseitigkeit, Doktor Seefeld«, erklärte Paula, während sie den Hund streichelte.
Benedikt Seefeld gehörte zum Vorstand der Bergwacht, und er war der langjährige Hausarzt der meisten Bergmoosbacher. Ihn einfach zu duzen, brachten nur wenige fertig, Paula eingeschlossen. Sie hatte allerdings darauf bestanden, dass er sie weiterhin duzte. So wie früher, wenn sie in den Ferien bei ihrem Onkel und ihrer Tante, die damals noch lebte, zu Besuch war und sie mit aufgeschlagenen Knien oder aufgeschrammten Armen die Praxis Seefeld besuchte.
»Nolan besitzt nicht nur ein liebenswertes Wesen, er ist auch äußerst gelehrig«, lobte sie den Berner Sennenhund, der ein tiefes »Wuff« hören ließ und sie anschaute.
»Manchmal könnte man wirklich glauben, er versteht jedes Wort«, stellte Benedikt fest und blinzelte gegen die Sonne, die hinauf zu den Gipfeln der Berge wanderte und das Tal mit ihrem Licht flutete.
»Ich denke, sie verstehen sehr viel mehr, als wir annehmen. Manchmal verstehen sie uns sogar besser als unsere Mitmenschen. Sie spüren, wenn wir traurig sind«, erklärte Paula, und dabei schweifte ihr Blick an den Horizont.
»Bist du denn traurig?«, fragte Benedikt und betrachtete die hübsche junge Frau, die sonst immer lächelte und gute Laune verbreitete. Sie war neben Nolan in die Hocke gegangen, warf ihr langes blondes Haar zurück, das ihr in die Stirn fiel, und lehnte ihren Kopf sanft gegen Nolans Rücken.
»Jetzt bin ich nicht mehr traurig, aber vor ein paar Monaten, da war ich es. Damals, als ich erfuhr, dass mein Freund sich in meine beste Freundin verliebt hatte.«
»Tut mir leid«, sagte Benedikt und streichelte Paula mitfühlend über die Schulter.
»Kein Problem, inzwischen tut es nicht mehr weh.« Sie legte ihre Arme um Nolan und drückte ihn liebevoll an sich.
»Bevor die anderen kommen, möchte ich noch etwas loswerden«, sagte Benedikt, nachdem Paula sich wieder erhoben hatte. »Wir wollen am Freitagabend bei uns im Garten mit den Leuten von der Bergwacht grillen. Ich hoffe, du hast Zeit und kommst auch.«
»Aber noch gehöre ich nicht dazu. Ich bin nur die Vertretung für Onkel Werner.«
»Könntest du dir denn vorstellen, in Zukunft das Hundetraining für die Bergwacht zu übernehmen?«
»Das hat Kilian mich auch gerade gefragt. Er meinte, der Vorstand würde es befürworten.«
»Ich für meinen Teil könnte mir keine bessere Nachfolgerin für Werner vorstellen.«
»Kilians Schatten ist da aber wohl anderer Meinung.«
»Sein Schatten?«, fragte Benedikt verwundert.
»Ramona. Wo Kilian ist, da ist auch Ramona nicht weit. Sie ist mit meinen Trainingsmethoden überhaupt nicht einverstanden.«
»Wann hat sie denn das Training beobachtet? Ich kann mich nicht erinnern, sie hier gesehen zu haben.«
»Zweimal in der Woche trainiere ich doch auch die Hunde, die bereits ihre ersten Einsätze hatten. Kilian kam einige Male in Begleitung von Ramona dazu. Das letzte Mal hat sie mich nach dem Unterricht zur Seite genommen und mir erklärt, dass ich zu sanft mit den Tieren umgehe. Das sei mit der harten Wirklichkeit, in der sie sich während einer echten Rettungsaktion wiederfinden, nicht zu vereinbaren.«
»Du bist die ausgebildete Hundetrainerin, nicht Ramona.«
»Deshalb sage ich auch nichts weiter dazu und lasse sie einfach reden. Aber ich denke, dass sie Kilian ziemlich nahesteht und ihm schon klar machen wird, dass ich für diesen Posten nicht infrage komme.«
»So nahe, wie du glaubst, stehen sie sich nicht.«
»Es hat für mich aber den Anschein, dass sie nur darauf wartet, dass er ihr endlich einen Heiratsantrag macht.«
»Das hältst du für möglich?«, wunderte sich Benedikt. Er war bisher nie auf die Idee gekommen, dass das Verhältnis der beiden über eine Freundschaft hinausging.
»Wenn ich sie zusammen sehe, dann wirken sie auf mich wie ein vertrautes Paar, leider«, fügte sie leise hinzu.
»Leider?«
»Ja, ich dachte, ach nein, egal, nicht so wichtig. Ich nehme an, Ramona kommt auch zu Ihrem Grillfest.« Paula wollte ihre Gefühle für Kilian lieber für sich behalten.
»Ich weiß noch nicht, wer kommen wird. Bisher habe ich nur Kilian und dich gefragt.«
»Hat er zugesagt?«
»Ja, das hat er, und ich hoffe, du sagst auch zu. Oder fürchtest du dich vor Ramona?«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete sie lächelnd.
»Also, dann sehen wir uns am Freitag so gegen sieben.« Benedikt war nun ganz sicher, dass ihn seine Ahnung nicht trog. Paula empfand etwas für Kilian.
»Ich komme gern, Doktor Seefeld. Guten Morgen!«, rief sie, als sie die drei jungen Männer sah, die mit ihren Hunden an der Leine am Trainingsgelände eingetroffen waren und näherkamen.
Hundeführer der Bergwacht, die in Bergmoosbach oder den Nachbargemeinden ihren Arbeitsplatz hatten, wurden für das Training mit den Hunden stets freigestellt. Alle unterstützten die Bergwacht und ihre freiwilligen Helfer, weil alle wussten, dass sie die einzigen waren, die bei einem Unfall in den Bergen helfen konnten.
Die beiden Collies und der Schäferhund, die sich mit ihren Besitzern zu ihnen gesellten, waren ebenso friedlich und gehorsam wie Nolan. Nervöse Hunde eigneten sich nicht für Rettungseinsätze.
Ein paar Minuten später trafen auch die anderen vier Teilnehmer des Kurses ein. Drei junge Frauen aus der Nachbargemeinde mit ihren Labradorrüden und Timo Läutner von der Autowerkstatt Läutner mit Annika, einer Bernhardinerdame, die zum ersten Mal zum Training kam.
»Ruhig, Nolan.« Benedikt streichelte über den Rücken des Berner Sennenhundes, der plötzlich nur noch Augen für Annika hatte und auf sie zustürmen wollte.
»Du