Die Hölle um Maria Giotti. Robert Heymann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Heymann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711503737
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zerrissen, der seinerzeit die Grundlage für die endgültige Trennung bilden sollte. Alles mußte nun wieder neu aufgebaut werden. Sie dachte an den Tod — aber der Gedanke an ihre Kinder riß sie sofort wieder in die Wirklichkeit zurück.

      Schließlich nahm sie an ihrem Schreibtisch Platz, ihre Verzweiflung in Briefen auszuschütten. Sie schrieb an die Mutter, an den Vater. Sie schrieb an Freunde in Bologna.

      *

      In der folgenden Nacht kam Francesco nicht nach Hause.

      Aber dann wurde zeitig am Morgen die Glocke gezogen. Ehe Adele noch auf war, stand Frieda schon am Tor. Ein Mädchen wartete draußen. Jung, nicht eben schön, aber sehr freundlich, mit zärtlichen braunen Augen, einem lieblichen Mund.

      „Ich muß die Frau Gräfin sprechen.“

      „So früh? Frau Gräfin schläft noch.“

      „Sagen Sie ihr, die Angelegenheit ist dringend.“

      „Um was handelt es sich?“

      „Ich muß es persönlich ausrichten.“

      „Wen melde ich?“

      „Rosina Bonetti.“

      Mißtrauisch ging Frieda nach oben. Sie haßte die Gräfin. Aus Instinkt. Aus Auflehnung. Aus ihrer sinnlichen Seele heraus. Die Gräfin hatte schon vor längerer Zeit ihre Entlassung verfügt.

      Die Zofe kam Frieda entgegen. Sie mußte berichten.

      „Ich melde Sie“, sagte Adele zu Rosina Bonetti. Wechselte einen raschen Blick mit ihr.

      Mich täuscht ihr nicht, ihr Schlangen, dachte Frieda. Ihr seid im Einverständnis.

      Rosina Bonetti wartete. Die Gräfin kam bald.

      Frieda machte sich im Nebenzimmer zu schaffen. Die Fremde erzählte krauses Zeug. Von einem Kleid, das sie hätte besorgen sollen — sie wisse nicht: grün oder gelb oder schwarz — und wann der Herr Graf nach Bologna komme?

      „Er ist in einigen Tagen dort!“ erwiderte die Gräfin.

      Durch die halboffene Tür sah Frieda, wie die Fremde Maria Martini einen Zettel in die Hand drückte. Die Gräfin öffnete das Papier, las, nickte dieser sonderbaren Rosina lebhaft zu.

      „Wohin? Ins Café Florian?“

      „Nein! In den öffentlichen Garten!“

      „Sage ihm, ich komme“, sagte die Gräfin leise.

      Die seltsame Person eilte fort.

      Nach einer Stunde verließ die Gräfin das Haus. Frieda folgte ihr heimlich. Wenn sie ein Geheimnis in die Hände bekäme! Der Graf wäre damit gefügig zu machen! Wer konnte wissen, welche Möglichkeiten sich da eröffnen würden!

      Sie folgte Maria bis in den öffentlichen Garten. Um diese Zeit war kein Mensch hier.

      Nur ein eleganter Herr ging in sichtlicher Erregung auf und ab. Frieda verbarg sich rasch.

      Kaum hatte der Herr die Gräfin gesehen, eilte er ihr entgegen. Sie sank fast in seine Arme. Er küßte sie auf das Haar.

      „Liebste! Du Arme! Du siehst aus wie ein Leichnam!“ rief er.

      „Ich bin sehr, sehr unglücklich“, erwiderte die Gräfin.

      Frieda konnte jedes Wort verstehen. Sie kamen beide ahnungslos näher. Aber sie konnte den Herrn nicht erkennen, sie verwünschte ihre Kurzsichtigkeit.

      „Mache dir keine Sorgen“, hörte sie die Gräfin sagen. „Alles wird in Ordnung kommen. Aber du, weshalb bist du gekommen?“

      Der Herr ging wieder nervös hin und her. Maria neben ihm. Er schwieg eine Weile. So wandelten sie beide auf und ab, als wollten sie ihrer fiebernden Erregung Luft schaffen.

      „Ich habe deinen Expreßbrief bekommen,“ sagte er, „kurz vor der Abfahrt. Du hast auch an Mama geschrieben. Du willst mit den Kindern fliehen? Unglückliche, weißt du nicht, daß dein Mann dich dann ins Verderben stürzen kann mit der Anklage, daß du die eheliche Wohnung verlassen hast? Das Gericht würde die Scheidung aussprechen und dich als Schuldige erkennen. Man würde dir deine Kinder entreißen!“

      Aber Maria schüttelte den Kopf. „Das Unrecht ist nicht auf meiner Seite! Mein Mann hat die beschworenen Bedingungen nicht erfüllt. Bin ich da nicht berechtigt, mich zunächst in das Haus meines Vaters zu flüchten?“

      Der Herr war anderer Meinung. Sicher ein Advokat, dachte Frieda. Warum aber behandelt er die Gräfin so vertraulich? Und sie ihn? Ein Liebhaber? Sollte die keusche, stolze Gräfin Maria Martini einen Liebhaber besitzen?

      Das Gespräch mit dem Fremden wurde unverständlich, Frieda konnte nichts weiter hören. Die Gräfin schien müde, nervös und mutlos zu sein. Sie brach in Tränen aus. Aber dann kamen sie wieder näher.

      „Was soll ich tun?“ rief Maria. „Ich habe nicht mehr die Kraft zu kämpfen! Wenn ich nicht für meine Kinder leben müßte, würde ich dieses jammervolle Dasein beendigen!“

      Sie standen nun dicht vor Frieda. Die duckte sich hinter einem Rhododendronstrauch.

      „Maria,“ stammelte der Fremde, „wie darfst du dich mit solchen Gedanken abgeben! Meine liebe, arme Maria! So weit ist es also gekommen!“ Die Stimme des Fremden klang plötzlich hart, entschlossen und wutentbrannt. „Gut! Machen wir ein Ende! Glaubt er dich schutzlos? Er wird sich irren! Jetzt werde ich eingreifen!“

      Sie entfernten sich wieder, Frieda hörte die Gräfin aufgeregt sprechen, ohne den Sinn der Worte zu verstehen. Dann, in die Nähe kommend, wieder den Mann, laut, vernehmlich:

      „Ich will sofort mit ihm sprechen!“

      Darauf die Gräfin: „Er ist nicht in Venedig. Ich will auch nicht, daß du hier mit ihm zusammenkommst.“

      „Dann richte es ein, daß ich ihn an einem anderen Ort treffe!“

      „Es hat noch einige Tage Zeit! Wie glücklich bin ich, zu wissen, ich stehe nicht allein auf der Welt! Ihr werdet mir helfen, Ich werde nicht den Mut verlieren!“

      „Ja,“ antwortete der Unbekannte, „wir helfen dir! Die Entscheidung muß fallen! Du mußt von ihm befreit werden! Wann ist er in Bologna?“

      „Am 28. abends, vielleicht schon am 27.“

      „Dieser Schuft!“

      Der Wind verwehte das Weitere. Sie hatten sich wieder entfernt, Frieda schlich sich fort und eilte nach Hause. Aber sie kam nicht mehr dazu, dem Herrn zu berichten, was sie beobachtet hatte. Der Graf war für eine Stunde wiedergekommen und dann gleich abgereist. Pichi erzählte, er wollte erst nach Mailand fahren, dann nach Bologna.

      „Ich muß dich allein sprechen“, stammelte Frieda, zog ihn in ihre Kammer. „Hat die Gräfin einen Liebhaber?“

      „Du bist verrückt! Ich antworte gar nicht auf solche Fragen!“

      „Sie hat ein Rendezvous gehabt mit einem Herrn!“

      „Sie hat viele Freunde!“

      „Du Narr! Sie planen etwas gegen den Grafen! Ich sage dir, sie werden ihn ermorden!“

      Pichi tippte dem Mädchen, das als Verleumderin und Zwischenträgerin im ganzen Hause bekannt war, auf die Stirn: „Du hast einen Vogel, Frieda!“

      Ohne weiter auf sie zu hören, ging er.

      Er fand die Gräfin schon zu Hause. In allen Zimmern wurde fieberhaft gepackt. Maria machte kein Hehl mehr aus ihren Absichten.

      Sie floh!

      Wohin? Wann?

      Niemand wußte Näheres. In die Schweiz, hieß es. Alles war bereit. Die Gräfin wartete nur die ersten Nachrichten ihres Gatten ab, um sicher zu sein, daß er in Bologna angekommen war. Dann wollte sie mit ihren Kindern fort.

      Selbst Pichi schüttelte