„Jake. Ich … hör mal, ich wollte dich anrufen.“
Unmerklich schüttele ich den Kopf. Warum hat sie das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen?
„Schon gut. Musst du mir nicht erklären.“
Er wirft mir einen Blick zu. In seinen Augen steht Abneigung, aber er reißt sich zusammen.
„Moreno. Auch mal wieder am Start?“
Ich nicke und grinse ihn breit an.
„War nie weg.“
Summer wippt nervös auf den Zehen und sieht so unsicher aus, dass ich allein dafür Bloomfield auch gerne eine reinhauen würde. So was will Summers bester Freund sein? Komm schon, Junge, das solltest du besser können. Was soll der Scheiß, sie so aus der Fassung zu bringen? Ihr ein schlechtes Gewissen zu machen? Ich habe selbst meine Erfahrungen mit solchen Leuten. Meine Mutter ist eine Meisterin darin, einem dermaßen subtil ein schlechtes Gewissen einzureden, dass man am Ende glaubt, schuld an allem Elend dieser Welt zu sein.
Summer sieht unsicher zwischen mir und Bloomfield hin und her. Man sieht deutlich, dass sie niemanden verletzen will. Und ich will nicht, dass sie verletzt wird. Ich seufze. Na dann.
„Okay, ich muss los. Summer, ich ruf dich an.“
Ich drücke Bloomfield die Papiertasche mit den Einkäufen in die Hand.
„Hier, mach dich nützlich.“
Ich lächele Summer zu und sie lächelt zurück. Ich weiß, obwohl ich Bloomfield das Feld überlasse, mache ich gerade eine Menge Boden gut bei ihr. Und das ist es mir wert.
Kurz überlege ich, einen meiner Kumpels anzurufen, um zu fragen, was abgeht, lasse es dann jedoch. Irgendwie habe ich keine Lust auf Party. Ich schlendere über den Campus, rauche eine Kippe und erreiche bald mein Wohnheim. Ich sprinte die Treppe nach oben, überall auf den Stockwerken herrscht der übliche Lärm. Manchmal hat man das Gefühl, im Irrenhaus zu leben, anstatt in einem Studentenwohnheim. Vielleicht besteht auch einfach kein großer Unterschied.
Ich knalle die Tür mit dem Fuß zu und schäle mich aus meiner Lederjacke. Achtlos schmeiße ich sie über den Schreibtischstuhl, ziehe Schuhe und Jeans aus und lasse mich auf mein Bett fallen. Meine Gedanken schweifen zu Summer. Ich hoffe, sie lässt sich von der kleinen Ratte Bloomfield nicht fertigmachen. Ich weiß nicht, woher dieser Besitzanspruch bei ihm kommt. Ob er immer so ist oder nur mir gegenüber. Summer scheint sich jedenfalls nicht besonders daran zu stören, denn es ist offensichtlich, dass sie ihn sehr gernhat. Und das allein sollte mir genügen, ihn zu akzeptieren. Wir werden sehen.
Die Sonne geht allmählich unter und es wird duster im Zimmer. Von draußen über den Flur erklingt Musik, jemand lacht. Türen knallen. Selbst nachts herrscht hier nie wirklich Ruhe. Irgendjemand labert immer, kreischt oder kommt besoffen über den Flur gestolpert. Am Anfang, als ich hier eingezogen bin, war das ziemlich ungewohnt für mich. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und nehme den Geräuschpegel kaum noch wahr. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich wenigstens ein Einzelzimmer habe, denn das ist nicht selbstverständlich. Mindestens die Hälfte aller Zimmer in den Wohnheimen sind Zweierzimmer. Summer hat mir erzählt, sie hatte auch Glück und konnte ein Einzelzimmer ergattern. Das kommt mir natürlich nicht ganz ungelegen. Ich muss lächeln. Heißt die Kleine tatsächlich Summer Rose? Aber irgendwie passt der Name zu ihr. Sie ist hübsch und süß wie eine blühende Rose. Gott, geh dich erschießen, Moreno. Ist ja peinlich. Ich schnaufe leicht genervt. Wie lange wird es noch dauern und ich schreibe ihr Liebesgedichte? Nein, vorher erschieße ich mich wirklich.
Ich muss an vorhin denken, im Supermarkt. Ob sie ihr Eis schon verputzt hat? Leicht feuchte, sinnliche Lippen erscheinen vor meinem inneren Auge. Eine Zunge, die sich über ebendiese Lippen leckt. Summers schöne Augen, verschleiert von Lust. Fuck. Ich spüre, wie ich hart werde, und stöhne entnervt auf. Kurz überlege ich, ob ich nicht doch losziehen und schauen soll, ob sich nicht eine Gelegenheit bietet. Doch noch bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, weiß ich, dass ich das nicht will. Mir ist nicht mehr zu helfen. Summers Bild verschwindet einfach nicht und verdammt, mein Ständer auch nicht. Ich sehe ihre Haare vor mir, so lang, glatt und seidig. Fühle, wie sie über meine nackte Haut streichen, wenn sie sich über mich beugt. Meine Hand gleitet automatisch in meine Boxershorts. Ich komme mir vor wie fünfzehn, als ich mir mit dem Gedanken an Megan Fox einen runtergeholt habe. Aber es ist mir scheißegal. Ich schließe die Augen und lasse meine Hand erst langsam, dann immer schneller auf und ab gleiten, während ich in Gedanken Summer in den Armen halte. Ihre Haut an meiner. Warm, weich. Sie küsst mich, als ich komme, und Fuck, das ist besser, als jede andere es mir heute Nacht hätte besorgen können.
10
Summer
Jake geht stumm neben mir her, als wir die letzten Meter zu meinem Wohnheim zurücklegen. Ich weiß ebenfalls nicht genau, was ich sagen soll, denn es sieht schon wieder so aus, als ob ich ihn hätte anlügen wollen. Und ich habe das Gefühl, je mehr ich mich rechtfertige, desto weniger wird er mir glauben.
„Jake?“
Ich streiche mit dem Daumen leicht über seine Hand und er sieht mich an.
„Was? Willst du mir erklären, warum du dich schon wieder mit Moreno triffst? Weißt du, Summer, das ist deine Sache. Es tut mir leid, dass ich mich da eingemischt habe, es geht mich nichts an. Ich will nur nicht, dass er dir wehtut, das ist alles.“
Seine blauen Augen sehen mich zerknirscht an.
„Wieder gut? Sorry, dass ich so ein Esel bin.“
Ich muss lachen und lege ihm den Arm um die Taille, während wir weitergehen. Ich bin erleichtert, dass er es so locker nimmt.
„Na klar, wieder gut. Ich bin froh, dass du es so siehst. Und hey, vertrau mir ruhig ein wenig, ja? Ich weiß, was ich tue.“
Er sieht skeptisch aus.
„Ich glaube, das wissen die wenigsten Mädchen, wenn es um diesen Typen geht. Aber okay, du bist schon groß.“
Er lächelt, und mir fällt wieder einmal auf, wie süß er aussieht, wenn er das tut.
„Ich kann es ja sowieso nicht verhindern, dass du ihn triffst. Also werde ich damit leben. Aber erwarte nicht, dass er und ich beste Freunde werden. Er ist deine Sache, nicht meine.“
„Ich erwarte gar nichts von dir, Jake.“
Ich drücke ihn näher an mich und registriere verwundert, dass er von mir abrückt. Das hat er noch nie getan.
„Wirklich alles okay? Du weißt, dass ich dich sehr lieb habe, oder?“
„Klar weiß ich das.“
Da klingt etwas in seiner Stimme, das ich nicht einordnen kann, und mir wird wieder bewusst, dass unser Verhältnis sich verändert hat. Früher hätte Jake nie so krass auf jemanden wie Danny reagiert. Klar, er hätte mich gewarnt, wäre aber nicht sauer gewesen, wenn ich mich trotzdem mit ihm getroffen hätte. Ich bin verwirrt und diese diffuse Ahnung, dass Jake mehr für mich empfinden könnte als Freundschaft, schleicht sich erneut in mein Herz. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
Wir laufen schweigend weiter, und ich überlege, ob ich ihn einfach darauf ansprechen soll. Wir hatten nie Geheimnisse voreinander, er war immer wie mein großer Bruder, dem ich alles anvertrauen konnte. Aber jetzt? Wie würde er reagieren, wenn ich recht hätte? Oder, noch schlimmer, wenn nicht? Ich schüttele leicht den Kopf. Danny setzt mir im Moment genug zu, ich kriege nicht noch mehr Gefühlschaos gebacken. Also beschließe ich, zu schweigen. Vielleicht bilde ich mir ja auch alles nur ein.
Am nächsten Morgen schickt Danny mir schon früh eine Nachricht und wir verabreden uns auf einen Kaffee. Er wartet bereits auf mich, als ich das Café betrete. Ich nähere mich ihm langsam und nehme sein Bild tief in mir auf. Die Morgensonne malt goldene Reflexe in seine dunklen Haare, was total schön aussieht. Ich muss lächeln und meine