„Nerve ich dich wirklich so sehr?“
Er beugt sich etwas vor und schon wieder steigt mir dieser Duft in die Nase. Mann, warum kann er nicht stinken wie ein Mistkübel? Dann würde ich hier sicher nicht wie festgenagelt stehen und ihn anstarren wie ein dämliches Huhn.
„Du …“
Ich möchte ihm sagen, dass er mich immer nervt, aber irgendwie wollen die Worte nicht so recht aus meinem Mund kommen. Er weiß genau, wie er mir den Wind aus den Segeln nehmen kann.
„Es geht“, brumme ich und er grinst.
„Das ist ein Anfang.“
Er betrachtet mich mit schief gelegtem Kopf.
„Kann ich dir bei etwas behilflich sein?“
Ich verziehe das Gesicht.
„Das würdest du gerne, was? Nein, danke.“
Ich sehe an der Regalreihe entlang.
„Ich suche ein bestimmtes Buch, finde es aber nicht. Da kannst du mir auch nicht helfen, ich werde fragen müssen.“
Er nickt und grinst. Ich sehe ihn misstrauisch an. Was gibt’s da zu lachen?
„Meinst du vielleicht das hier?“
Er zieht die Hand hinter dem Rücken hervor und hält mir das gesuchte Buch unter die Nase. Dabei umspielt ein solch charmantes Lächeln seine Lippen, dass es mir schwerfällt, ihn weiter böse anzuschauen.
„Das, ja, das habe ich gesucht. Wo hast du das her?“
Ich nehme das Buch in die Hand und muss nun doch lächeln.
„Ach, wenn man so herumstalkt, dann findet man den einen oder anderen Schatz, weißt du?“
Er sieht mich wieder so eigenartig an mit diesem warmen Funkeln in den Augen. Wie meint er das nun wieder? Ich gebe es auf, aus ihm schlau werden zu wollen.
„Das ist wirklich toll. Danke.“
„Gerne.“
„Aber ehrlich jetzt: Woher wusstest du, dass ich das Buch suche?“
Er lächelt.
„Du führst sehr süße Selbstgespräche.“
Ich starre ihn an und werde rot.
„Echt? Hm.“
Er beugt sich zu mir und tippt auf das Buch.
„Brauchst du noch lange? Du weißt schon, Versöhnungskaffee?“
Sein Blick sucht meinen und ich muss wider Willen schmunzeln. Er ist so gerissen. Er weiß genau, dass ich ihm jetzt, wo er mir so galant aus der Patsche geholfen hat, nicht gerne einen Korb geben werde.
„Ich brauche noch ungefähr eine Stunde. Von mir aus können wir uns danach sehen. Wenn du mich jetzt in Ruhe lernen lässt.“
Ich höre mir selbst etwas ungläubig zu und seufze innerlich.
Ein strahlendes Lächeln gleitet über sein Gesicht, was mich mehr berührt, als es sollte.
„Klar, ich hau ab, dann hast du deine Ruhe. Dann bis nachher. Ich warte draußen auf dich.“
Er ist schon halb an mir vorbei, als er sich noch einmal umdreht.
„Ich freu mich.“
Ich spare mir eine Antwort, doch insgeheim freue ich mich auch. Und das sollte mir schwer zu denken geben.
Die nächste Stunde lang versuche ich, mich so gut wie möglich auf meine Arbeit zu konzentrieren, doch je näher meine Verabredung mit Danny rückt, desto unruhiger werde ich. Was, wenn Jake uns sieht? Er wird das direkt wieder in den falschen Hals bekommen. Ob ich ihm eine Nachricht schicken sollte? Andererseits, er sagt mir ja auch nicht, mit wem er sich trifft. Wir sind Freunde, kein Paar. Ich sehe aus dem Fenster, die Sonne verschwindet allmählich am Horizont. Danny. Es ist schon irgendwie süß, wie er sich reinhängt. Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, warum er das tut. Worum geht es ihm? Will er mich nur ins Bett kriegen? Ehrlich, das könnte er bei etlichen Mädchen einfacher haben. Ist es, weil ich ihn nicht so ranlasse, wie er gerne würde? Reizt ihn das so sehr, dass er sich selbst was beweisen muss? Oder, und diese Möglichkeit macht mir am meisten Angst, mag er mich wirklich? Aus welchen Gründen auch immer.
Seufzend packe ich meine Sachen zusammen und verlasse die Bibliothek. Ich beschließe, Jake später alles zu erzählen. Verheimlichen möchte ich es ihm dieses Mal nicht.
Danny wartet bereits auf mich, er sitzt auf den Stufen vor der Bibliothek und tippt etwas in sein Handy. Ich betrachte ihn, als ich mich langsam nähere. Er ist so unglaublich hübsch. Er trägt ausgewaschene Jeans, die ihm knapp auf den Hüften sitzen. Dazu ein schlichtes weißes T-Shirt und seine übliche Lederjacke. Seine dunklen Locken sind leicht zerzaust und in mir regt sich mal wieder der Wunsch, darin herumzuwühlen. Jetzt hebt er den Kopf und sieht mich an. Er lächelt und mein Herz macht einen dummen Satz. Ich bleibe neben ihm stehen, setze mich dann zu ihm.
„Hey. Da bin ich.“
„Ja, da bist du.“
Seine dunklen Augen sehen mich lächelnd an, und all die anderen Menschen um uns herum, die Wortfetzen, die zu uns durchdringen, verschwinden im Nichts. Für Sekunden sehe ich nur Danny. Verlegen räuspere ich mich und senke den Blick. Gott, bitte nicht. Ich kann das nicht. Ich kann mich nicht auf solch ein Gefühlchaos einlassen. Dazu bin ich nicht stark genug.
„Bist du vorangekommen?“
Ich nicke.
„Ja, dank deinem Buch.“
Ich fühle seinen Blick auf mir ruhen.
„Ich hätte auch gerne Musik studiert, weißt du? Das wär so mein Ding gewesen.“
Ich betrachte ihn interessiert.
„Wirklich? Warum hast du es nicht getan?“
Er zuckt mit den Schultern.
„Tja, weil man nicht immer nur das tun kann, was man will im Leben, nicht wahr?“
Er wirkt nicht ganz so locker und lässig wie sonst bei diesen Worten, und ich habe eine merkwürdige Ahnung, dass sich hinter seiner oberflächlichen Fassade etwas verbirgt, was er niemandem zeigen will.
„Das stimmt. Spielst du ein Instrument?“
Er grinst.
„Glaubst du, dass ich eins spiele?“
Ich verziehe das Gesicht.
„Woher soll ich das wissen? Sag schon.“
Er lacht leise.
„Klavier und Gitarre.“
„Ehrlich? Wow.“
Gitarre hätte ich ihm zugetraut, Klavier eher nicht. Ehe ich mich versehe, sind wir in eine Unterhaltung über Musik vertieft, und ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht. Danny überrascht mich mal wieder total. Dieser Kerl hat so viele Facetten, es ist unglaublich. Ich merke, wie sehr er die Musik liebt, und es berührt mich. Musik war schon immer ein großer Teil meines Lebens, und es fühlt sich irgendwie gut an, diese Leidenschaft mit ihm zu teilen. Auch wenn es verrückt ist, so zu empfinden.
„Hey, ich glaube, es ist schon fast zu spät, um Kaffee zu trinken. Pizza?“
Er sieht mich fragend an und etwas in mir möchte sofort Ja sagen. Diesen Abend noch nicht beenden.
„Ich weiß nicht, ich muss noch lernen. Und ein paar Sachen einkaufen“, murmele ich ausweichend.
Zu meinem Erstaunen versucht er nicht, mich zu überreden.
„Okay. Morgen dann vielleicht auf einen Kaffee? Bitte?“
So schnell gibt er natürlich doch nicht auf.
„Von mir aus.“
Ich