Mein Freund Farah sagte mir, dass der Imam nach dem Gespräch für mich einstand, wenn jemand kritisch von mir sprach, und den Leuten jeweils erwiderte: „Ich habe in Davids Haus mit ihm und seiner Frau Tee getrunken. Wir haben über die tiefen Dinge gesprochen, die Gott betreffen. Und ich bin zuversichtlich, dass dieser Mann in den Himmel kommen wird.“
Unser Gespräch fand in einem Umfeld statt, in dem die Verbreitung des Christentums illegal war. Doch die Verpflichtung zur Integrität, wodurch diese Themen ohne jeglichen Hauch von Doppelzüngigkeit besprochen wurden, öffnete unerwartete Türen zu authentischen Freundschaften.
Die Angestellten der SMM wurden von den Somali oft als Menschen voller Integrität beschrieben. Die Korinther sagten offenbar das Gleiche über Paulus. Er schrieb, dass die Kinder Gottes keinen Raum lassen für Doppelzüngigkeit. Vielmehr ist Christus immer ein „Ja“ in allen Versprechen Gottes! Im gleichen Geist war Paulus daran gelegen, seine Versprechen gegenüber den Korinthern zu halten.18
Erinnern wir uns an die Freunde in der Teestube, die mich ausfragten, während wir Schwarztee mit Kardamom tranken. Leere Antworten hätten hier nichts genützt. Der Koran warnt vor doppeltem Spiel und davor, dass die Freundschaft von Christen mit Muslimen nur Fassade sein könnte, bei der heimliche Motive unter der Oberfläche versteckt sein könnten.19 Die Fragen im Café wurden damals nicht aus Feindschaft heraus gestellt. Es waren ehrliche Fragen. Die Leute um mich herum wollten klarstellen, dass es nicht darum gehen dürfe, Somali zum christlichen Glauben zu bekehren. Daher antwortete ich: „Ich bin hier, weil Gott mich dazu beauftragt, mich gerufen hat.“ Diese Antwort fasziniert Muslime. Eine starke theologische Strömung im Islam glaubt daran, dass Gott alles lenkt, was geschieht. Es war für Somali daher verständlich, wenn auch überraschend, dass wir in Gottes Auftrag in Somalia waren.
Authentisches Zeugnis
Trotz allem waren meine Teestuben-Begleiter besorgt. Könnte ich Gottes Auftrag an mich dahingehend verstehen, dass ich für die Bekehrung der Somali zum christlichen Glauben arbeitete? Wenn das der Fall war, wie könnte sich dann unsere Bekanntschaft zu einer Freundschaft entwickeln? Die ganze Struktur des Dar al-Islam (Gebiet unter muslimischer Herrschaft) dreht sich in ihrem Wesen darum, die Integrität der Gemeinschaft zu schützen.20 Das beinhaltet auch, die Muslime davor zu bewahren, dass sie die muslimische Gemeinschaft verlassen.
Muslime glauben, dass sie die Pflicht haben, der ganzen Welt den Islam bekannt zu machen. Tatsächlich enthält der tägliche Gebetsruf von den Minaretten das Zeugnis und die Einladung der Muslime an die ganze Welt. Im Folgenden gebe ich verkürzt die Bedeutung des Gebetsrufes wieder: „Gott ist der Allmächtige, es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet, daher kommt und erfahrt das Gute, kommt und betet an.“ Ein muslimischer Freund sagte mir, der Gebetsruf sei ein dringender Aufruf und ein Zeugnis, das sich an alle Menschen richtet.
In meinen freundschaftlichen Beziehungen zu Muslimen habe ich festgestellt, dass es ihnen recht schwer fällt, anzuerkennen, dass auch wir Christen zum Zeugnis berufen sind. Ich hatte viele Gespräche mit Muslimen, oft auch in ihren Moscheen. Dass wir als Christen dazu berufen sind, Zeugnis abzulegen und die Menschen die Freiheit haben, die Einladung der Christen anzunehmen, sind die größten thematischen Herausforderungen, die mir in Gesprächen mit Muslimen immer wieder begegnen.
Die islamische Gemeinschaft glaubt, der Islam sei Gottes ewig gültige Anleitung darüber, was wir zu glauben und zu tun haben. Diese ewige Anleitung ist unveränderbar. Daraus folgt, dass der Islam die erste, mittlere und letzte Religion der Menschheit ist. Wie kann dann also jemand ernsthaft erwägen, diese entscheidende Religion zu verlassen? Es ist daher sehr schwierig für einen Muslim, innerhalb seines religiösen Weltbildes genügend Raum zu finden, um einen anderen Weg zu wählen.
Die Bekehrung weg vom Islam hatte auch der stellvertretende Polizeipräsident der Stadt, in die wir nach unserer Ankunft in Somalia zogen, sorgenvoll vor Augen. Mein Auftrag war es, ein blühendes Internat im sekundären Bildungsbereich aufzubauen. Die Verbreitung des Christentums galt jedoch als illegale Handlung. Wir konnten die Studierenden daher nicht zum Bibelstudium einladen. Wenn jemand die Bibel studieren wollte, so mussten wir ihn oder sie bitten, eine Erklärung zu unterschreiben, dass das Studium auf eigenen Wunsch durchgeführt wurde. Wir hatten vor, diese unterschriebenen Erklärungen der Polizei vorzulegen, sollten wir jemals über das Bibelstudium befragt werden.
Den Behörden gegenüber Rechenschaft ablegen
Ich war Mitte zwanzig. Mich begeisterten die Herausforderungen und Möglichkeiten, die vor uns lagen. Dann wurde ich auf den Boden der Tatsachen gebracht, als ein Befehl des stellvertretenden Polizeipräsidenten eintraf, ich hätte in seinem Büro zu erscheinen. Das große Büro war voller Menschen. In ihrem Beisein konfrontierte mich ein Beamter: „Es wurde mir berichtet, dass einige Studierende, für die Sie Verantwortung tragen, Christen geworden sind. Das ist gegen das Gesetz. Ich ordne daher eine vollumfängliche Ermittlung an. Ich versichere Ihnen: Das wird aufhören!“
Ich hatte Angst, dass ein möglicher Ausruf „Allahu akbar“ (Gott allein ist groß!) aller Anwesenden auf diese Worte folgen könnte. Ich betete still: „Heiliger Geist, Jesus versprach, du würdest uns sagen, was wir in so einer Situation antworten könnten. Bitte beeile dich! Es gibt keine Zeit zu verlieren!“
Ich bat darum, dass alle, bis auf einen Zeugen, das Büro verlassen mögen. Der Beamte stimmte dem zu, weil er das Anliegen verstand. Nur der Polizeichef blieb. Dann antwortete ich: „Ich will nicht darauf eingehen, ob Studierende zum Glauben an den Messias kamen. Nur Gott kennt die Herzen. Führen Sie Ihre Untersuchung durch und entscheiden Sie selbst darüber, was geschehen ist. Als Lehrer der Mennonitischen Mission dienen wir an der Schule als Gäste Ihres Landes. Wir sind dankbar für das Privileg, den Somali dienen und mit ihnen arbeiten zu können. Als Gäste wollen wir uns an das Gesetz Ihres Landes halten. Ich habe jedoch ein Problem und bitte Sie um Ihren Rat“, fuhr ich fort. „Als ich vor vielen Jahren zum Glauben an Jesus, den Messias, kam, erfüllte mich der Heilige Geist mit Freude und Liebe. Ich kann diese Gaben Gottes nicht ignorieren. Manchmal kommt ein Student zu mir und sagt: ‚Ich sehe in dir die Gabe von Freude und Liebe. Ich glaube, diese Gaben sind durch den christlichen Glauben in dir entstanden. Bitte erkläre mir diesen Glauben und führe mich zu diesem Glauben.‘ Was soll ich tun? Was ist die richtige Antwort, wenn Studierende zu mir kommen und die Bibel studieren wollen? Wenn jemand glauben will, wie könnte ich oder auch die Regierung das verhindern? Sind nicht auch Sie ein freier Mann? Wie sollte ich diesen Studierenden antworten?“
Der stellvertretende Polizeipräsident unterbrach mich: „Sie haben Recht. Ich bin ein freier Mann. Niemand kann bestimmen, was ich glaube. Was die Studierenden angeht: Machen Sie so weiter wie bisher. Sie machen es richtig. Es wird keine weiteren Ermittlungen geben.“
Das ganze Geschehen hatte Vertrauen bei den Behörden geweckt. Vertrauen entwickelt sich auf der Basis von Wahrhaftigkeit. Bei einer anderen Gelegenheit sprach ich mit einem hohen Regierungsbeamten – ich glaube, er war der Erziehungsminister. Zu dieser Zeit war ich Direktor der Mission. Ich sagte ihm, dass ich in allen Bereichen ganz der Offenheit und Integrität verpflichtet sei. Ich teilte ihm mit: „Wir als SMM wollen auf eine Art und Weise hier dienen, die die Gesetze