Im Schellenhemd. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711487327
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ihn der Weg zum Glück. O dass jene dunklen Schleier der Zukunft sich heben wollten, dem Auge der Geängstigten das Schicksal zu zeigen, welches beide Knaben einst zusammen, und in finstren Wirrsalen wieder auseinander führen wird!

      Ihr Blick brennt auf dem Antlitz Jorgs, und sie sieht, wie der Sohn des Ritters in jäh aufwallender Zärtlichkeit empor springt, zu dem Irregang hineilt und die Arme um das schmächtige Körperchen des Zigeunerbuben schlingt, ihn stürmisch zu liebkosen und zu herzen! —

      „Du sollst bei mir bleiben, Du lustiger, kleiner Gesell!“ ruft er mit glühenden Wangen: „Du sollst mich all diese Kunststücke lehren, und ich teile dafür alles mit dir, was ich habe! Mein Rösslein, aus Holz geschnitten und bunt bemalt, mein Kugelspiel und Blaserohr, auch die Ritterfiguren, die man am Faden zieht! — Sprich, fremder Bub, hast du es auch gelernt zu fechten und zu parieren, wenn ich dir hier mit meinem Schirmschwert zu Leibe geh’?“

      Der Irregang schüttelte ernsthaft das Haupt: „Solches ist ritterliche Hantierung und keines Spassmachers Art! Aber wenn wir auf der Heide rasten, so darf ich den Bogen spannen und mit dem Speer werfen. Doch schafft mir solche Übung keine Kurzweil, da mein Arm noch zu schwach ist.“ —

      „So musst du Steine werfen und ringen, auf dass er stark werde! Schau da meine Muskeln! wenn ich zuschlage, streckt’s schon einen Rüden zu Boden. Weisst du, mit den Kampfspielen halt ich’s lieber, als mit den Magistern! Und zur Jagd reit’ ich öfter, denn zum Bruder Godewin ins Kloster, wo ich mit dem Griffel meine Wachstäfelein beschreiben muss.“ —

      „Ich möchte wohl bei dir bleiben“ — nickte Irregang traurig, „aber die Hinde scharrt den Boden und führt uns weiter!“ —

      „So mein Herr Vater hier wäre, würd’ ich ihn bitten, dich in der Burg zu halten zu meinem Spielkamerad!“ —

      „Das geziemet sich nicht für eines Gauklers Sohn!“ flüsterte der Kleine mit altklugem Gesichtchen: „Dein Ritter würd’ mich zu den Hunden sperren!“ —

      „So kröch’ ich zu dir in den Zwinger!“ trotzte Jorg mit einem Griff nach seinem Schirmschwert, und dann umhalste er den Knaben abermals und küsste ihn: „Wenn du von dannen ziehst, will ich an dich denken, und wenn ich gross bin und ein freier Ritter, so lass ich mir vom Trossknecht ein Schlachtross satteln und zieh’ hinaus in die Welt, um dich zu suchen!“ —

      „Wirst du mich alsdann noch kennen?“ —

      „Solch ein närrisch Kleid wie du, trägt wohl kein andrer Bub’ im Land, und wenn ich dennoch mehrere Hanswursteln schauen sollt’, so sag ich: Weis’ deine Hand! trägst du ein römisch W darin, so bist du der Irregang!“ —

      „Und dann nimmst du mich mit dir!“

      „Dann gehen wir zusammen in fremdes Land und suchen Aventiure und das Glück, — wie Boge und Wolfdietrich in der Historie.“ —

      „Und wer das Glück gewinnt?“ —

      „Ei, der behält’s!“ —

      „Ich teil’s mit dir!“ sprach Irregang.

      „Der Magister sagt, das Glück sei ein Weib, teilt man’s, so tötet man’s.“ —

      „Ein Weib? — ein einz’ges nur? Warum gibt’s nicht für jedermann ein Glück?“ —

      Da schüttelte Jorg die blonden Locken aus der Stirn und legte die Hände rückwärts zusammen.

      „Das weiss ich nicht! In der Kemnate haben sie sich jüngst eine Legende erzählt, die auch vom Glücksweib handelte, und da waren ihrer zwei Gesellen, die danach jagten. Hatten beide sich verschworen, selbes Weib zu gewinnen. Und waren doch zuvor Freunde gewesen, die Gold und Ehr’ brüderlich geteilt hatten; da aber das Weib ins Spiel kam, konnten sie nimmer teilen, sondern mussten kämpfen.“ —

      „Blieb einer tot?“ —

      „Da das Ende kam, nahm mich Frau Margaret bei der Hand und führte mich ins Schlafgemach, denn es war sehr spät geworden.“ —

      „Hör’“ — sprach Irregang — „wenn wir einer solchen Teufelin begegnen, soll sie keiner begehren, auf dass sie uns nicht den schlimmen Weg bereite!“ —

      „Und schlagen ein Kreuz vor ihr, wie vor dem bösen Feind!“ — Jorg bot plötzlich mit ernsthaft würdevollem Angesicht die Hand entgegen und fuhr fort: „Ich werde niemals mein Schwert wider dich kehren, ich schwör’s!“ —

      „Du wirst ein Ritter sein, ich ein Hansnarr, der keine Rüstung tragen darf“ — murmelte Irregang mit düster gesenktem Blick: „aber ich halte auch dir die Treue, wenn du sie mir hältst!“ —

      „Du darfst nicht Harnisch, Schwert und Helm tragen? Ei, womit wirst du dich wehren, wenn dich einer kampflich angeht?“

      Da bekam des Kindes Zigeunergesicht einen gar seltsamen Ausdruck und zeigte zum erstenmal eine Ähnlichkeit mit seinem Vater: „Fahrend Volk muss sich schlagen lassen und sich ducken. Aber es kann sich rächen, wenn es klug ist. Wenn wir auf unsrer Fahrt Feinde hatten, verbargen wir uns während des hellen Tags im Forst, weil wir uns im offnen Kampf nicht rühren dürfen, — wenn aber die Nacht kam, dann schlich der Vater herzu an seine Peiniger nnd sprach: „Für jeden Schlag einen Stich, — für jeden Hieb einen Biss!“ — und dann hat er ihnen Schaden getan, dass sie seiner gedenken mussten.“

      „Nein, da ists mir lieber, im ehrlichen Zweikampf dreinzuschlagen, zu ringen, oder den Speer zu werfen im hellen Sonnenlicht! Überfall und Hinterlist sind feig. Wenn du aber bei mir bliebst, Jung Irregang, so würdest du auch ein Rittersmann werden und das Schwert führen!“

      „Hoho!“ lachte des Lambert tiefe Stimme hinter ihnen: „Was redet der Junker für artige Märlein! Ist noch niemals aus einem Spatz ein Aar geworden, wenn man solch Gelbschnäblein auch zehnmal in den Adlerhorst einsetzen wollte! Ist gelenk wie eine Blindschleich’, der braune Bub’, aber Kraft sitzt nicht drinn! Wird zeitlebens ein Kasparlein bleiben und nicht von seiner Art lassen, denn Nachtvolk muss kriechen und schleichen, und wenn’s auch ans Tageslicht herauf wollt’, es kann’s nicht, die Sonn’ sticht ihm die Augen aus.“ —

      Irregang liess den Kopf tief auf die nackte Brust herabsinken; sein Blick schweifte unter den dunklen Wimpern zu Jorg empor: „So werden alle Leute zu dir sagen, und dein Wort wird dir leid sein, und wirst nimmer daran denken auszureiten, um des Irregang Spur zu finden.“

      Da zog der junge Jossa eine finstere Stirn und sprach: „Wenn du nicht zu den Türken oder den Kreuzigern gehst, werd’ ich dir folgen! Schau, ich habe eine Armbrust droben, die mir lieb ist, ich schenke sie dir, weil du mir gefällst!“

      „So geb’ ich dir mein vierfarben Hütlein dafür! Die Mutter hat noch Flicken und näht mir ein neues!“ — erwiderte der kleine Zigeuner nach kurzem Sinnen: „Und so will ich’s halten immerdar, denn ich denk — hast du mich lieb, so lieb’ ich dich auch, und hassest du mich, so hasse ich dich wieder!“ —

      Jorg schritt eilends durch die Halle, die Armbrust aus dem Herrnhaus zu holen, und als er wiederkehrte, schaute ihm Irregang leuchtenden Auges entgegen, zog seine Schellenkappe vom Hanpt und bot sie zur Gegengabe dar. — Er wusste, dass sein Vater ihn darum schlagen würde, aber solche Prügel litt er gern, weil er sah, dass sein neuer Freund schier närrisch tat vor Freude über solch ungewohnten Tand, und dass er so gut und freundlich zu ihm war, wie noch nie ein anderes Kind gegen den Sohn eines fahrenden Mannes. —

      In dem weiten Raum war währenddessen eine tiefe, feierliche Stille nach dem wüsten Beifallslärm eingetreten. Goykos hatte viel des Erstaunlichen gezeigt, und nun trat sein Weib herfür und sprach: „Habet Ihr hochlöblichen Ritter bisher unserer Kurzweil Huld gespendet, so möget Ihr nun als zum letzten ein Kunststück sehen, welches auf der ganzen Welt kein Gaukler uns nachtut, und so Ihr es geschaut, Ihr reichen und mächtigen Herrn, so wollet fein darauf sinnen, dass Ihr uns armem Volke ein Scherflein reicht, und wir wollen zu Tal fahren und es Euch segnen und gedenken in unsres Herzens Freud’ und Dankbarkeit!“

      „Heda,