Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hanne-Vibeke Holst
Издательство: Bookwire
Серия: Therese-Trilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726569575
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lange hätte tun sollen, aber weil ich mich irgendwie immer noch nicht richtig freuen kann, traute ich mich nicht, so vermessen zu sein, mich meinem Kind so stofflich zu nähern. Kinderwagen und die andere Ausstattung würde ich immer wieder verkaufen können, falls ... Aber so ein winzig kleines Unterhemdchen mit Bindeband ...

      »Wie süß!« murmele ich mit einem wohligen Schaudern.

      »Ja, es ist furchtbar«, sagt Birgitte. »Man vergißt ganz, wie hart es ist!«

      Ich ermuntere sie nicht, ihre Behauptungen zu veranschaulichen. Ich weiß, was sie sagen will, und mag nichts mehr von »Vorher« und »Hinterher« hören und all die anderen zum Himmel gerichteten Prophezeiungen, mit denen unter anderem auch sie glänzt. Aber sie fährt unerschütterlich fort. Malerisch, so daß ich gegen meinen Willen grinsen muß.

      »Goodbye, Nachtschlaf! Auf Wiedersehen, Sexualleben! Adios, Candlelight-Dinner! Au revoir, Karriere!«

      Es nützt nichts, aber ich protestiere dennoch mit dem Hinweis auf die Unterschiede bei den Vätern. Jens befindet sich so oft beim Bau der Brücke über den Großen Belt, daß Birgitte eigentlich als alleinstehende Mutter zu betrachten ist.

      »Liebste Birgitte, mein Kind hat auch einen Vater! Einen äußerst präsenten Vater!«

      »Das kann schon sein. Aber ganz gleich, wie ihr es euch vorstellt, du bist und bleibst die Mutter!«

      Ich schüttle den Kopf.

      »Diese neue Mütterlichkeit kannst du dir gern ...«

      Im gleichen Moment stoße ich ein Stöhnen aus, klappe zusammen und greife nach ihr.

      »Was ist? Geht es los?« fragt sie aufgeregt.

      »Nein, das ist nur eine Vorwehe! Manchmal ist es, als schössen sie bis in die Schenkel!« keuche ich.

      Birgitte nickt verständnisvoll.

      »Glaubst du, Paul hat auch Vorwehen?«

      »Phantomwehen!« entgegne ich und frage, ob wir jetzt nicht genug haben. Ich möchte lieber ins Café.

      Sie schüttelt erfahren den Kopf und greift nach Unterhosen. »Nein, du brauchst mindestens jeweils fünf Stück. Du machst dir einfach keinen Begriff davon, wieviel diese Neugeborenen scheißen! Die reinste Remoulade, das läuft einfach so raus!«

      »Bitte, Birgitte!« verdrehe ich die Augen.

      »Aber das stimmt doch! Aber keine Sorge, das wird erst später eklig.«

      Wir gehen ins Café Europa – dem einzigen Café in Kopenhagen mit einem Samowar auf dem Bartresen –, und auch wenn es nur ein paar hundert Meter vom Kaufhaus zum Højbro Plads sind, bekomme ich Seitenstiche und Atemnot bei meinem Versuch, mich in einem normalen Tempo zu bewegen. Birgitte senkt das Tempo und schiebt eine Hand unter meinen Arm, so daß wir das letzte Stück wie ein paar ehrwürdige ältere Schwestern meistern. Sie hilft mir auch, mich zwischen den Cafétischen durchzumanövrieren, so daß mein Bauch nicht gerade die Tassen zu Boden fegt, sondern nur den Lederjackenrücken eines jungen Typen streift.

      »Toll!« bemerkt der spontan, als er sich umdreht. »Wann ist es soweit?«

      »Schon vor hundert Jahren!« sage ich und sinke erschöpft auf einem Stuhl nieder. Ich muß eigentlich pinkeln, aber allein der Gedanke, das ganze Café zu durchqueren und mich eine steile Kellertreppe hinunterzuwinden, um ein Spiegelkabinett von einem Damen-WC zu erreichen, läßt mich lieber darauf verzichten.

      Birgitte hat mich der kollektiven Besichtigung überlassen, während sie die Bestellung an der Bar übernimmt. Unglaublich, wie so ein Bauch die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zieht. Von allen Seiten wird hemmungslos geglotzt – auch in der Redaktion, an meinem Arbeitsplatz, wo ich trotz Pauls Gemaule ein paarmal hingegangen bin, um Post zu holen und an Mitarbeiterkonferenzen teilzunehmen. Die Leitung hat Pläne, die Nachrichtensendung auf 21 Uhr zu verschieben, was der General ablehnt und die Vertrauensleute befürworten. Die Mitarbeitergruppe ist gespalten, und ich selbst habe mir keine definitive Meinung bilden können. War dazu irgendwie nicht in der Lage. Was mich selbst beunruhigt: Mein Arbeitsplatz kommt mir schon jetzt fern und nicht mehr mich betreffend vor, und prinzipiell zeugt es von schlechtem Stil, zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hereinzurauschen und der Vertretung über die Schulter zu gucken. Ras, der Auslandsredakteur und mein direkter Vorgesetzter, sagte auch einmal direkt, daß er sich einer Tes mit dickem Bauch gegenüber »einfach nicht verhalten könnte«, und der General sah aus, als würde er in Gesellschaft einer so provozierenden Weiblichkeit nahezu unpäßlich. Dazu würde das Gerücht passen, es läge ein inoffizielles Dekret vor, wonach der General keine hochschwangeren Reporterinnen um sich haben will, wie die Produktionsassistentin Kirsten behauptet, die einzige, die sich offen gegenüber meinem Zustand verhalten konnte, indem sie mir auf den Bauch klopfte und »hallo, du da!« sagte.

      Aber dem General blieb gar nichts anderes übrig, solange es notwendig war, die erforderlichen Fellow-up-Treffen hinsichtlich meines Moskau-Abenteuers zu veranstalten. Um mich zu schonen, bin ich rücksichtsvollerweise in Unwissenheit darüber gehalten worden, was weiter passierte. Aber wie der General es beschrieb, kann die Situation so zusammengefaßt werden, daß mein Mafiafreund Sascha geschworen hat, seinen belfernden, sich jetzt ziemlich im Ruhestand befindlichen Köter zu rächen, daß mein Kollege Ferdinand äußerst passend Moskau verließ, um nach Jütland heimzufahren und sich dort mit Frau und Kindern wiederzuvereinigen, daß der tapfere Kameramann Sergej in der Datscha seines Onkels in Sibirien untergetaucht ist, und daß der General witzigerweise reichlich paranoid wurde, sein Auto zweimal auf Bomben hat untersuchen lassen und sich weigert, nicht angekündigte Pakete anzunehmen. Schließlich hat der General dafür gesorgt, daß in Moskau Gerüchte verbreitet wurden, wir hätten nichts anderes in den Kasten gekriegt als die absolute Finsternis und einen bellenden Hund, und ich glaube einfach nicht, daß Sascha nur um des Exempels willen das nicht unbedeutende geschäftsmäßige Risiko auf sich nehmen wird, das darin liegt, westliche Fernsehleute zu liquidieren. Aber trotzdem mag mein Chef ja recht damit haben, wenn ich in nächster Zeit nicht wieder nach Moskau geschickt werden soll. Mein Baby soll trotzdem nicht mutterlos aufwachsen. Deshalb mußte ich zustimmend nicken, als er mir mitteilte, daß »die junge Miriam« ausersehen war, Ferdinands Nachfolgerin zu werden. Auf dem Korrespondentenposten, der eigentlich meiner sein sollte.

      »Bin ich jetzt zum Backbencher degradiert?«, fragte ich während einer Audienz, bei der ich wie üblich auf dem Gästestuhl vor dem Schreibtisch saß, während er allmächtig dahinter thronte, unaufhörlich seine griechischen Glimmstengel paffend. Sie stinken nach Lungenkrebs, aber ich inhalierte den Rauch ganz nostalgisch und wurde an die Zeit erinnert, als ich eine toughe Reporterin voller Power war.

      »Das liegt jetzt bei dir«, sagte er und öffnete die Lippen zu einem tabakgelben Lächeln. »Ich habe immer Bedarf an Angreifern.« Dann griff er hinter sich und holte aus dem überquellenden Regal eine Videokassette. Es war das Band mit den Aufnahmen aus Moskau.

      »Hier. Ich habe es auf VHS überspielen lassen.«

      »Hast du es angeguckt?« fragte ich atemlos. Denn wenn es etwas gibt, was ich in diesen Monaten zu verdrängen versucht habe, dann ist es dieses Band. Wenn Sergejs Mut und mein Wagemut wirklich nichts anderes als neblige Schatten zum Ereignis hätten, das wäre kaum zu ertragen. Andererseits – wen interessiert es eigentlich, wenn wir die Geschichte wirklich im Kasten haben und damit beweisen können, daß es einen Handel mit angereichertem Uran aus Moskaus Industrieviertel zwischen einem georgischen Mafiaboß und einem arabischen Kunden gab – mit Sascha als Mittelsmann? Selbst die surrealistischen Sensationen aus dem alten Mutterland werden über Nacht zu alten Nachrichten.

      »Nein«, sagte er. »Und ebensowenig bin ich der Ansicht, daß du damit öffentliche Screenings veranstalten solltest. Aber du kannst dich ja bis zu deiner Geburt damit vergnügen. Wer weiß, vielleicht steckt da Gold drin!«

      Ich nahm das Band und bedankte mich für seine Umsicht. Dann ging ich in den kleinen Kaninchenstall von Büro, in dem Miriam saß. Und obwohl es nicht ihre Schuld war, ich mich gut mit Miriam verstehe und ihr eine schnelle Karriere wünsche, hatte ich doch einen bitteren Nachgeschmack, als