Weithin über die Berglehnen zu beiden Seiten des Tornea rollte der dumpfe Donner der Explosion und übertönte das Rauschen des Flusses.
Die Angreifer, eben noch im Begriff, das Haus mit stürmender Hand zu nehmen, taumelten zurück.
Ein Brand war im Innern ausgebrochen. Rotglühend erleuchtet flammte hier und dort ein Fenster auf.
Und dann … Dr. Glossin hatte zweifelsohne einen günstigeren Platz gewählt als der Oberst Trotter, der sich erst jetzt hinter seinem Wacholdergebüsch hervorwagen konnte … Dr. Glossin sah von seinem zweihundert Meter höher gelegenen Standpunkt, wie das ganze Dach des Hauses sich leicht hob und dann öffnete, wie der Krater eines ausbrechenden Vulkans. Eine ungeheure Flammensäule stieg empor und riß viele Tausende von hölzernen Schindeln mit. Brennend stiegen die leichten Holzstückchen hoch in den fahlen Himmel. Brennend fielen sie wieder langsam zu Boden. Das Haus war nach der Explosion nur noch ein einziges wogendes und brandendes Feuermeer. In seinen Kellern mußten enorme Mengen brennbarer Öle lagern. Mußten durch die Explosion Feuer gefangen haben und sandten nun Flammenberge und schwere Wolken dichten schwarzen Qualmes empor. Schon war der obere Fachwerkbau des Hauses bis auf wenige Sparren verzehrt. Reichlich genährt brodelte das Flammenmeer weiter. Die uralten Zyklopenmauern des unteren Teiles, vor Jahrhunderten gefügt, für die Ewigkeit gebaut, wurden rotglühend.
Dr. Glossin beobachtete das Schauspiel und vergaß vor seiner wilden Schönheit für kurze Zeit Sorgen und Pläne.
Die Glut drang von innen nach außen durch. Auf den weiten dunklen Mauerflächen zeigten sich plötzlich rosa Flecken. Wuchsen, wurden immer heller, flossen zusammen, bis schließlich die ganze wohl meterstarke Wand in voller Rotglut dastand. Und dann begann der Mörtel, der diese erratischen Blöcke zum Mauerwerk verband, in der höllischen Hitze zu schmelzen. Flüssig und weiß glühend lief es an hundert einzelnen Stellen aus den Mauerfugen.
Dann stürzten die letzten Reste des Truworhauses zusammen. Im Augenblicke bildete das Rechteck der Zyklopenmauern nur noch einen wirren Haufen rot- und hellweißglühender Blöcke.
Ein glühendes Hünengrab, das unter schmelzenden Felsbrocken die tausendjährige Geschichte eines heldenhaften Geschlechtes begrub – – – und mit ihr den letzten dieses Geschlechtes.
Die Engländer hatten sich vor der unerträglichen Glut weit zurückgezogen. Längst war der Aufenthalt innerhalb der Gartenumfriedigung unerträglich. Schon brannte der hölzerne Zaun an mehreren Stellen. Erst unten am Fluß machten sie halt. Kühlten die brennenden Gesichter, die verbrannten Hände im frischen Wasser des Elf. Bemerkten, daß ihnen die Kleidung, von der strahlenden Hitze des Brandes versengt, in Fetzen vom Leibe hing.
Verstört und niedergeschlagen musterte Oberst Trotter das Häuflein der Überlebenden. Eine Stimme hinter ihm:
»Herr Oberst, Sie haben sie nicht einmal tot bekommen!«
Es war die Stimme Dr. Glossins.
Der Oberst fuhr sich über den halb versengten Schnurrbart.
»Damm' your eyes, Sir! Sie sind tot! Es ist keine Maus rausgekommen. Sie sind in ihren Schlupfwinkeln gebraten worden. Wenn es Ihnen Spaß macht, suchen Sie die Reste in dem Trümmerhaufen da oben. Aber verbrennen Sie sich nicht die Fingerspitzen. Ich weiß, was ich meiner Regierung zu melden habe.«
Oberst Trotter war von den Flammen angesengt, schmutzig und unansehnlich geworden. Sein Gesicht schmerzte ihn, so daß er sich zum Fluß beugte und frisches Wasser über die gerötete Stirn schüttete.
Nach dem kalten Wasser fühlte er neue Kraft. Er wollte dem verdammten Amerikaner deutlich werden. Doch als er sich dazu anschickte, war Dr. Glossin verschwunden. Ebenso plötzlich, wie er aus dem Walde herausgetreten war, hatten ihn die Sträucher und Stämme des alten Forstes wieder aufgenommen.
Mr. E. F. Goody, der Führer der Opposition im australischen Parlament, faßte die Hauptpunkte seiner zweistündigen Rede noch einmal im Schlußwort zusammen.
»Die Welt ist heute zu eng geworden. Es scheint, als ob die beiden großen Staaten nicht mehr nebeneinander Platz haben. Wir müssen unsere Stellung zwischen den beiden Parteien wählen. Beides sind Englisch sprechende Völker. Jedem von uns durch Bande des Blutes verbunden. Staatsrechtlich steht uns England näher. Aber unsere wirtschaftlichen Beziehungen weisen nach Amerika. Der Energie der Vereinigten Staaten verdanken wir es, daß unser Land von dem schweren Druck der japanischen Gefahr befreit wurde. Die Klugheit gebietet uns, heute Anschluß an Amerika zu nehmen …«
Laute Beifallsrufe unterbrachen den Sprecher. Es ging sonst ebenso ernsthaft und gesetzt im australischen Parlament zu wie im Hause der Gemeinen zu London. Aber hier waren die Leidenschaften auf das höchste erregt. Die weißbärtigen Farmer aus Queensland und Neusüdwales, die Kaufleute aus Viktoria, die Viehzüchter aus Westaustralien und Alexandraland sprangen von ihren Sitzen auf und machten ihrer Begeisterung in lauten Cheerrufen Luft. Es dauerte Minuten, bis der Redner fortfahren konnte.
»… Ich stelle fest, daß Regierungspartei und Opposition in diesem Punkt einig sind. Australien muß sich geschlossen an die Seite Amerikas stellen, wie es Kanada vor fünf Jahren getan hat. Die anglosächsische Rasse hat vor vierzig Jahren die neue Doktrin vom Selbstbestimmungsrecht der Völker verkündet. Diese Lehre ist nie wieder aus der Welt verschwunden. Wir nehmen dieses Recht der Selbstbestimmung für uns in Anspruch und beschließen den Zollbund mit der amerikanischen Union.«
Der Schluß der Rede ging in brausenden Cheerrufen unter. Das alte Parlament, welches hier in Sydney tagte, war nicht wiederzuerkennen. Tücher wurden geschwenkt. Händeklatschen mischte sich in die Beifallsrufe. Einzelne Parlamentsmitglieder sprangen auf die Sitze und gestikulierten mit den Armen.
Die bevorstehende Abstimmung konnte nur noch eine reine Formsache sein. Die einstimmige Annahme des Beschlusses war sicher.
Einzelne Mitglieder verließen den Sitzungssaal, traten in die Vorhalle, sprachen mit Journalisten und Geschäftsfreunden. Von Mund zu Mund sprang die Nachricht weiter, gelangte ins Freie und wälzte sich durch die breiten Straßen Sydneys. Seit dreißig Jahren hatte Australien seine besondere Flagge, den Union Jack, mit dem aufgelegten australischen Wappen. Das Kreuz mit den Symbolen des Landes lag auf dem roten Tuch der britischen Flagge. Jetzt tauchten in wenigen Minuten an unzähligen Fenstern Arrangements der australischen Flagge und des Sternenbanners auf. Es war unbegreiflich, woher diese Unmenge amerikanischer Fahnen im Augenblick kam, die hier im Winde flatterten und den Straßen ein festliches Aussehen gaben.
Während die Begeisterung durch die Straßen lief und das Parlament zur Abstimmung schritt, saß der australische Premierminister G. A. Applebee dem Königlich Großbritannischen Sondergesandten Mr. Swift MacNeill gegenüber.
»Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß die englische Regierung die Lage als außerordentlich ernst ansieht. Der Beschluß des australischen Parlamentes ist ungesetzlich, weil er alte, wohlerworbene Rechte des Mutterlandes verletzt.«
Mr. MacNeill sprach die Worte langsam und unbewegt. So mochten vor zweitausend Jahren Tribunen und Legaten die Weltmacht Roms in die Wagschale geworfen haben: Roma locuta, causa finita!
Mr. Applebee überlegte seine Erwiderung sorgfältig, bevor er den Mund aufmachte.
»Es ist der einstimmige Beschluß des Parlamentes, Sir! Ein Land mit einer Bevölkerung von vierzig Millionen steht geschlossen hinter dem Parlament. Dadurch, daß Australien in ein engeres Verhältnis zur amerikanischen Union tritt, hört es nicht auf, ein Freund Englands zu sein …«
»Australien ist ein Teil des britischen Reiches.« MacNeill sagte es kurz und schroff.
»Gewesen, Sir! Bis zum heutigen Tage gewesen! Mit dem heutigen Parlamentsbeschluß nimmt das Land das Recht voller politischer Mündigkeit und Souveränität für sich in Anspruch.«
»Diesen Ausspruch erkennt die britische Regierung nicht an. Ich kann meine Warnung nur wiederholen. Die Lage ist ungemein ernst.«
Die Züge des australischen Ministers röteten sich allmählich.