Während der Oberst seine Ansicht mit der Bestimmtheit des alten Soldaten aussprach, hatte Dr. Glossin sich wieder auf den niedrigen Feldstuhl gesetzt. Ernst und bestimmt kamen die Worte aus seinem Munde.
»Mag das Schicksal Erbarmen mit Ihnen und Ihren Leuten haben. Sie sind in der Lage eines Mannes, der einem Tiger nur mit einem Spazierstöckchen bewaffnet entgegentritt.«
Ein Mann trat in das Zelt. Auch im Zivilanzug war der Soldat unverkennbar. Sergeant MacPherson, der von der Aufklärung zurückkam. Ein Schotte mit buschigen Brauen, großen graublauen Augen und ergrautem Vollbart. Er gab seinen Bericht in kurzer, knapper Form. Erst hatte er das Haus von außen vorsichtig umgangen und beobachtet, daß zwei Männer zusammen an einer Maschine im Hause arbeiteten.
Über den dritten konnte er nichts in Erfahrung bringen. Da war er kurz entschlossen in das Haus eingetreten. Die Gartentür stand offen. Ungehindert kam er durch den Garten in das Haus. Eine Treppe führte zur Veranda.
Die Veranda war leer … Schien wenigstens im ersten Moment leer zu sein. Als er weiter in das Haus hineingehen wollte, hörte er plötzlich eine Stimme. Auf einem niedrigen Diwan in der Ecke der Veranda saß ein Mensch mit brauner Haut. Noch ehe er seine Fragen in Schwedisch vorbringen konnte, sprach der Inder ihn englisch an. Nur wenige Worte. Einen Sinn habe er darin nicht entdecken können, so sehr er auch auf dem Rückwege darüber nachgedacht habe.
Wie die Worte hießen, wollte der Oberst wissen.
»Jawohl, Herr Oberst! Der Mensch sagte zu mir: Was du suchst, ist nicht hier; was hier ist, suchst du nicht.«
»Nonsens! … Humbug! … Indische Gaukelei!« … Der Oberst stieß es wütend zwischen den Zähnen hervor. Dann wurde er wieder dienstlich und fragte weiter:
»Wenn ich Sie recht verstanden habe, MacPherson, sind die drei gesuchten Personen in dem Hause und stehen auch nicht im Begriff, es zu verlassen.«
»Jawohl, Herr Oberst, das ist meine Meldung.«
Auf einen Wink des Obersten verließ der Schotte das Zelt.
Oberst Trotter blickte wieder auf seine Uhr.
»Ich denke, Doktor, in einer Stunde haben wir die Burschen.«
Dr. Glossin beachtete den Obersten gar nicht. Er hatte die Hände über dem rechten Knie gefaltet und wiederholte mechanisch die Worte Atmas: »Was du suchst, ist nicht hier; was hier ist, das suchst du nicht.«
Der Oberst wurde ungeduldig.
»Die Geschichte fängt jetzt an, Herr Doktor. Werde ich den Vorzug haben, Sie dabei an meiner Seite zu sehen?«
»Ich ziehe es vor, mir das Abenteuer sehr von weitem anzusehen.«
»Sie werden hier in fünf Minuten allein sein.«
»Ich werde es zu ertragen wissen. Die Einsamkeit birgt keine Gefahr.«
»Wie Sie wollen, Herr Doktor.«
Der Oberst trat auf den Platz, und wie durch Zauberei verschwanden die Zelte. Die Kochgeschirre wurden zusammengepackt. Alles wurde in Taschen und Rucksäcken untergebracht. Es dauerte wirklich nur fünf Minuten, dann stand Dr. Glossin einsam in der Waldlichtung. Eine Kolonne von einundzwanzig Mann bewegte sich vorsichtig und lautlos durch den dichten Wald hin auf das Truworhaus zu.
Dr. Glossin blieb noch fünf Minuten ruhig wartend stehen. Dann zog er eine kleine Pfeife und ließ in kurzen Pausen schrille Pfiffe ertönen.
Das Gebüsch teilte sich. Ein Mann erschien und ging auf den Doktor zu.
»Sergeant Parsons zur Stelle.«
»Es ist gut, Parsons. Sie sahen die einundzwanzig Narren hier abziehen?«
Sergeant Parsons grinste. Die Engländer waren seine Freunde nicht.
»Ich sah sie talabwärts ziehen, Herr Doktor.«
»Sie haben vierzig Mann bei sich?«
»Jawohl, Herr Doktor. Vierzig ausgesuchte Burschen.«
»Gut bewaffnet.«
»Nebel, Tränen und Mordtau.«
»Die andern haben Mantelgeschosse. Insgesamt viertausend Schuß.«
»Allright, Sir. Werden uns vorsehen.«
»Gut, Parsons. Folgen Sie mit Ihren Leuten ungesehen den Engländern. Sie kennen Ihre Aufgabe?«
Den gleichen Pfad, den vor einer Viertelstunde einundzwanzig Engländer hinabgegangen waren, folgten ihnen jetzt einundvierzig Amerikaner. Dr. Glossin blieb auf der Lichtung zurück.
Oberst Trotter erreichte mit seinen Leuten in einer halben Stunde das Truworhaus. In der fahlen Nachtdämmerung lag es deutlich vor ihnen. Er ließ seine Leute in weitem Bogen ausschwärmen, bis die beiden äußersten Flügel vor der Vorderseite des Hauses zusammenstießen. An dieser Stelle des Kreises hielt sich der Oberst selbst auf. Langsam zog sich die Kette bis an den mannshohen, durch Birkenteer braunrot gefärbten Holzzaun zusammen. Oberst Trotter schwang sich auf den Zaun, um als erster in den Garten zu springen.
Da krachte ein Schuß. Er kam aus einer der kleinen Schießscharten zu beiden Seiten der Haustür. Haarscharf pfiff das Projektil am Kopf des Obersten vorüber und riß ein Stückchen Stoff an der rechten Schulter ab.
Der Oberst gelangte unversehrt in den Garten, und an allen anderen Stellen der Umzäunung folgten ihm seine Leute. Aber dies Eindringen war das Signal für ein Massenfeuer, das aus allen Fenstern und Luken des Hauses begann. Das Truworhaus war mit Munition gut versorgt. Es hatte den viertausend Schüssen der Angreifer reichlich die dreifache Zahl entgegenzustellen. In geschlossenen Feuergarben sprühten die Geschosse aus Fenstern und Luken und fegten durch den Garten. Hier und dort verriet ein Aufschrei, daß der eine oder der andere von den Engländern getroffen worden war.
Es gab Verwundete und Tote. Nur dadurch, daß die Angreifer, soweit sie überhaupt noch lebten und bewegungsfähig waren, sich zu Boden warfen, jeden Busch, jede Bodenfalte als Deckung nutzten und alle Künste des Kolonialkrieges anwandten, gelang es ihnen, Meter um Meter näher an das Haus heranzukommen.
In der Deckung eines starken Wacholdergestrüppes lag Oberst Trotter. Die Kugeln umpfiffen ihn. Jetzt bedauerte er es, dem Rate des Amerikaners nicht gefolgt zu sein.
Seine Leute schossen nur noch vereinzelt und zielten dabei sorgfältig auf die Punkte, von denen die Feuerströme der Verteidiger herkamen. Hier und dort hatten sie auch Erfolg. Oberst Trotter konstatierte trotz seiner recht ungemütlichen Lage, wie hier und dort eine Schießscharte nach einem glücklichen Treffer der Angreifer verstummte.
Trotz alledem … das Rezept des Amerikaners … den dicksten Lufttorpedo von obenher und unversehens auf den gottverdammten Kasten geworfen … Oberst Trotter wurde die Empfindung nicht los, daß der Plan recht viel für sich hatte.
Zweihundert Meter bergaufwärts stand Dr. Glossin und beobachtete durch ein gutes Glas den Kampf. Er gab für das Leben der Engländer keinen roten Cent mehr. Wenn die Angegriffenen ihr Feuer gut leiteten, mußten sie die wenigen Angreifer bei diesem Munitionsaufwand zu Hackfleisch zerschießen. Ungeachtet aller Deckungen und Schleichkünste. Um so mehr wunderte sich der Arzt, daß etwa die Hälfte der Engländer immer noch am Leben war, daß sie sogar langsam, aber unaufhaltsam das Feuer der Verteidiger zum Schweigen brachten. Jetzt feuerte die eine Schmalwand des Hauses nicht mehr. Der letzte Treffer von englischer Seite hatte dort eine kräftige Explosion verursacht. Bedeutendere Munitionsmengen mußten in die Luft gegangen sein.
Wenige Minuten warteten die Angreifer noch. Dann stürmten sie gegen diese schmale Seite vor. Eine schmale Tür, aus starken Bohlen gefügt, war ihr Ziel. Axthiebe trafen das Holz. Krachend gaben Schloß und Angeln nach. Die Angreifer wollten über die gefallene Tür in das Innere dringen, aber sie kamen nicht dazu.
Es war ganz klar. Dr. Glossin, der