Presse und Fernsehen der Welt hatten unerschöpflichen Stoff, den die Geschehnisse des einen Sommers lieferten. Der Erdball schien aus seinen Fugen gerissen, seine Bewohner Spielzeug für die geheimnisvolle Macht. Die Macht bestand.
Nur wenige Zweifler gab es in der gelehrten Welt. Nach dem ersten wirren Meinungsaustausch waren die angesehensten Fachgelehrten auf den Plan getreten.
Telenergetische Konzentration! Theoretisch bis zu den letzten Auswirkungen längst erkannt. Die Übertragung in die Praxis war noch immer nicht gelungen, gescheitert am Widerstand der letzten Hindernisse.
Allerorts in den Hörsälen, in der Presse und auf dem Bildschirm gaben sie ihre Meinung kund. Das letzte Geheimnis, von weiser Natur den Menschen für immer verschleiert, dem einen offenbart! In streng logischen Deduktionen bewiesen sie, daß hier durch höhere Fügung einem Menschen gegeben worden war, was aller Fleiß, aller Scharfsinn der Gelehrten der Welt nicht zu erzwingen vermochten. Ihre Worte verbreiteten sich mit der Schnelligkeit der Ätherwellen über alle Weltteile hin. Millionen ergriff die bange Angst. Die Taten der Macht: Menschenleben waren dabei zugrunde gegangen.
Der geheimnisvolle Meister, schritt er zu neuer Tat? Wurden wiederum Tausende sein Opfer? Das ganze Erdenrund sein Feld? Wo würde er zur neuen Tat schreiten! Wo würde das Schlachtfeld sein?
Jeder Erdbebenstoß wurde mit Angst und Sorge empfunden. War das sein Werk?
Die Bilder aus Europa, die eitel Jubel und Freude brachten, wurden kaum noch beachtet. Wohl gab es da und dort Stimmen, daß nur Gutes für die Menschheit aus den Taten der Macht entsprungen. Die Furcht blieb, die Furcht vor der Macht.
Es war der letzte Septembertag des Jahres, als die Nachricht über die Welt ging: Erdbebenstöße auf den Azoren. Die Bewohner flüchteten auf hohe See.
Beklommen, atemlos erwartete man weitere Nachrichten. War das wirklich nur ein einfaches Erdbeben, eine natürliche Bewegung der Erde, durch die unterirdischen Kräfte hervorgebracht, oder …
Da kam um die Mittagsstunde desselben Tages eine weitere Nachricht: Neue Erdbebenbewegungen im Gebiet der Azoren. Die Inseln Floreo und Miguel um acht Meter gehoben. Letzte Flucht. Ozeandampfer wurden durch Funk dorthin dirigiert, um die Fliehenden aufzunehmen.
Ein Schauer ging durch die Welt. Die Macht war am Werk … welchem Werk galt es? Da war es die Stimme eines deutschen Gelehrten, der in den Streit um die Lösung des Rätsels das Wort warf: Atlantis!
Das Wort zündete, wurde gierig aufgegriffen. Nichts anderes wußten die Zeitungen zu berichten als: Atlantis! Die Sage, wie sie Plato berichtet, der erste Hinweis auf das alte, dort versunkene Land der Glückseligen. Ältester Mythos aus grauester Vorzeit. Eine Sage schon, als die Weltgeschichte anhub.
Wie hatte es ausgesehen, das versunkene Land? Wer hatte es bewohnt? Tausend Fragen. Die Antworten: eine phantastischer als die andere, sich überschlagend. Wie würde es aussehen, wenn … wenn? …
Ja! Was wollte da die geheimnisvolle Macht? Wollte sie das Versunkene heben, bis es dastand, wie es einst gewesen war? Und wie würde es aussehen, was dort auftauchte aus vieltausendjähriger Versunkenheit? Ein neues Pompeji … oder nur ein neues Vineta, wo nur noch wenige Reste, dem Schlick des Meeresgrundes entrissen, davon zeugten, daß die Stätte, wo man es vermutete, die richtige war?
Die andere Frage: Wie war es versunken? Wie war es geschehen, daß eine große Insel, ein Kontinent, wie andere behaupteten, die Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt, vom Meer verschlungen wurde? Ein neuer Streit der Meinungen.
Das eine war sicher. Als vor etwa zwei Millionen Jahren die große Kontinentalscholle auseinander riß und die mächtige Sialscholle des losgerissenen Amerikas auf der plastisch zähen Simamasse unter dem steten Flutdruck ihre Wanderung nach Westen antrat, da blieben abgerissene Schollenfetzen, Grönland im Norden, Atlantis im Süden, als selbständige Inseln, Kontinente, zurück.
Grönland war noch heute auf der Wanderung nach Westen. Atlantis blieb verschwunden. Vielleicht bezeichneten die Azoren, die einst ragende Berggipfel von Atlantis waren, jetzt noch die Stätte des versunkenen Landes. Vielleicht gab die Delphinbank seine Umrisse wieder.
Was war die Ursache der Katastrophe, die nach alter Überlieferung vor dreizehntausend Jahren jäh über das glückliche Land hereingebrochen sein mußte? Schroff standen sich die Meinungen gegenüber wie schon vor hundert Jahren.
Die kippende Kraft der hier im tropischen Gebiet übermächtigen Flutwelle war die Ursache der Katastrophe nach der Meinung der einen.
Der plastische Simauntergrund, vom wegtreibenden Amerikakontinent gezerrt, die Atlantisscholle einsaugend in gigantischem Erdbeben, verschlingend, so lautete die Meinung der anderen. Eine dritte Meinung gab es noch, an die Apokalypse in der Bibel anknüpfend, daß ein Mondgestirn der Erde niederstürzend Atlantis begrub oder ein neu eingefangener Mond, die Erdachse aus ihrer Lage drängend, die Katastrophe durch stürzende Meeresfluten bedingte.
Keine Lösung, die befriedigen, die sichere Antwort geben konnte auf das, was jetzt zu erwarten stand. Ein Heer von Reportern kreiste in Flugzeugen über den Azoren … über der Stätte des alten Atlantis. Die Aufnahmekameras sendeten unaufhörlich Bilder von dort unten in alle Welt.
Stieg das Land weiter aus dem Meer? Ein Fiebertaumel hatte die ganze Welt ergriffen. Unaufhörlich kamen Meldungen und Bilder der Berichterstatter von den Azoren. Ihre Flugzeuge kreisten in immer größer werdendem Schwarm über dem Atlantik. Sie hielten sich niedrig, die Kamera so nahe wie möglich auf das Objekt gerichtet.
Sie sahen nicht das einsame Flugzeug, das hoch, weit über ihnen, an des Äthers Grenze, still in Riesenkreisen dahin zog.
Den dritten Tag schon flog oben der rätselhafte Unbekannte.
Das Flugzeug zog, automatisch gesteuert, seine Bahn Tag und Nacht.
Der Einsame saß darin an seinen Apparaten. Keinen Schlaf, keine Speise, kein Trank. Das Werk mußte in einer Tat vollendet sein.
Er ging zum Fernseher, bewegte den Mechanismus. Dessen Strahlen trafen den Meeresgrund, drangen in ihn ein. Unter Schlick und Sand lagen die Ruinen und Reste von Atlantis, der Hauptstadt des Landes, die Ruinen der Paläste und Tempel.
Sein Geist flog rückwärts durch die Jahrtausende. Die Hauptstadt Atlantis. Das Gewirr der Häuser, von unzähligen Straßen durchzogen.
Buntes Leben und Treiben dann. Die geöffneten Basare, Magazine, Lagerhäuser. Alle Waren der Welt boten ihre Auslagen den Käufern, die das Land, die Welt sandten.
Die Menschen aller Rassen, aller Farben. Im Hafen lagen Tausende von Schiffen, die aus Osten und Westen aus Norden und Süden hier gelandet um Handel zu treiben. Vom Osten her nahend eine große Flotte. Die Menge am Hafen sie begrüßend, Tücher schwenkend jubelnd. Die Königin Kleito erwartend, die vom siegreichen Krieg zurückkehrte. Die phönizische Macht gebrochen, ihre Besitzungen in westlichem Europa und Afrika in der Hand von Atlantis.
Die Tore der siebenfachen Mauer um die Stadt durchbrochen, erweitert für den Einzug der siegreichen Königin. Bei Marsilia die große Schlacht. Ungeheure Beute brachten die Schiffe mit. Der Triumphzug der Sieger zum Sonnentempel … zum siebentorigen Haus der Welt. In der Mitte des Zuges die Königin, getragen von den Fürsten der Besiegten.
Die Stadt, das ganze Land ein Jubel, ein Siegestaumel. Der letzte, der schlimmste Aufstand bezwungen. Ost und West zu Füßen des siegreichen Atlantis. Von Norden und von Süden ankommend die Sendlinge der Mächtigen, die freiwillig Tribut boten. Atlantis die Siegerin, die Herrscherin der Welt. Kern Feind, der ihr widerstand. Ein einziges mächtiges Reich von Peru bis Ägypten. Der Sonnentempel, nie sah er so viel Blut zu Ehren der Gottheit fließen wie an diesem Tage.
Im Festesglanz der tausend Fackeln der Palast der Königin. Auf dem goldenen Thron die Herrscherin geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Das kühne, stolze Antlitz hoch aufgereckt, die Augen in der Runde, zu den Helden, die vor ihr knieten. Wer war der Würdigste,