Das will ich nicht gehört haben, antwortete der Meister und wandte sich ab.
Hans stand noch eine Sekunde lang unschlüssig auf seinem Platz. Es war ihm, als könne so dieses Gespräch nicht enden. Aber der Meister zeigte deutlich, daß er es nicht wieder aufnehmen wollte; er hatte wirklich sein letztes Wort gesprochen. Kaum seiner Sinne mächtig, verließ Hans das Gemach.
Als er in den Vorraum trat, sah er dort rechts und links von den Ordensbeamten zwei Männer stehen, die einander den Rücken zukehrten.
Dem älteren mit dem grauen Bart konnte er ins Gesicht sehen. Er kam ihm bekannt vor. Ganz recht – das war der Ratsherr Huxer aus Danzig. Er hätte ihn sonst wohl angesprochen; jetzt eilte er mit flüchtigem Gruß vorüber. Den andern mußte er beim Ausgang streifen. Er trat ein wenig zur Seite und blickte dabei über die Schulter. Kaum aber hatte er Hans ins Auge gefaßt, als er mit einem raschen Satz herumsprang und ihm die Tür versperrte. Bist du's –? rief er. Hans –! Bist du's wirklich?
Diese Stimme? Heinz – Freund –! Du hier? Und Waltrudis wußte nicht –
Ich bin erst vor einer Stunde angelangt. Aber du –! Was führte dich in des Meisters Gemach?
Nichts jetzt davon – der Kopf schwindelt mir, ich kann nichts denken. Heinz, Heinz, gerade in dieser schmerzlichen Stunde – Er warf sich in seine weit geöffneten Arme. Du sollst alles erfahren. Waltrudis ist ja deine Schwester – du darfst nicht leiden, daß man ihr das Herz bricht.
Heinz küßte ihn auf die Wange. Du rufst einen an, der selbst in Not ist. Hast du Bekümmernis, mir geht's nicht besser. Aber es ist gut, daß wir nun zu zweien sind; da können wir beraten, wie wir einander helfen – wenn zu helfen ist.
Komm gleich mit mir zu Waltrudis, Liebster. Sieht sie dich wieder, so wird's ihr den Schmerz erleichtern wegen dessen, was ich ihr zu berichten habe.
Heinz zuckte die Achseln. Es geht nicht an. Ich muß da hinein.
Zum Hochmeister?
Er nickte. Und wie es mir da ergehen wird, weiß ich noch nicht. Den Mund dicht an des Freundes Ohr haltend, flüsterte er ihm etwas zu.
Hans prallte zurück. Unglücklicher! Wie willst du dich verantworten?
Das wäre das wenigste, meinte Heinz. Aber daß ich Maria verloren habe – Ach, Freund! Sie ist ins Kloster der Reuerinnen eingesperrt meinetwegen.
Und soll Nonne werden?
Oder einen andern heiraten, den sie nicht mag. Aber sie tut's nicht – nicht das eine und nicht das andere, ich kenne sie dafür zu gut! Das sprach er laut, so daß es durchs ganze Zimmer zu hören war. Huxer verstand es auch und zuckte unwillig mit der Schulter.
In diesem Augenblick trat der Hauskomtur aus des Meisters Gemach und sagte: Kläger und Beklagter, Seine Gnaden wollen beide zugleich sehen und hören.
Heinz drückte den Freund noch einmal an die Brust und folgte Huxer.
In des Hochmeisters Gemach befanden sich jetzt mehrere Gebietiger und Priesterbrüder, die hinter dem obersten Herrn standen und wohl als Zeugen der Verhandlung zugezogen waren, vielleicht auch, um auf Erfordern Rat und Auskunft zu erteilen, denn einer von den Priesterbrüdern war ein gelehrter Doktor der Rechte und in Bologna promoviert. Der Reeder und Schiffsherr meinte mit einer Verbeugung abzukommen; als er aber des Meisters ernstes Gesicht sah und dessen graues Auge sich auf ihn heftete, zitterten ihm die Knie; er sank nieder, hob die Hände bittend auf und rief: Gnade, großmächtigster Herr Hochmeister, Gnade!
Man sagte mir, du kämest Recht zu fordern, antwortete Plauen.
Ich bitte, Eure Gnade wolle mir zu meinem Recht verhelfen.
Dein Name ist Huxer.
Tidemann Huxer, gnädigster Herr.
Ich habe ihn oft nennen hören, wo ich ihn lieber nicht gehört hätte. Im vorigen Jahre warst du im sitzenden Rat der Rechten Stadt Danzig.
Ja, gnädigster Herr.
Und hast mit Konrad Letzkau und Arnold Hecht dem König von Polen zugeschworen und später unserem Orden und dem Komtur, meinem Bruder, viel Hindernis bereitet.
Es ist damals vieles geschehen, gnädigster Herr, was besser nicht geschehen wäre.
Die Danziger der Rechten Stadt haben allezeit wenig darauf geachtet, wie sie uns bei unserem Recht ließen und sich ihrer Herrschaft gehorsam bewiesen.
Sie sind schwer bestraft, gnädigster Herr, und ich hoffe wohl, daß Ew. Gnaden es dem einzelnen nicht mit Groll nachtragen werden, was etwa die gesamte Gemeinde in schwerer Zeit verbrochen hat, sondern seine Sache untersuchen und ihm mit Rechtem zu seinem Recht helfen ohn' Ansehen der Person.
So ist's, Tidemann Huxer, schloß der Hochmeister dieses Verhör. Und nun steh auf und trage deine Sache vor. Gegen wen kommst du zu klagen?
Der Kaufherr zeigte auf Heinz, der einige Schritte seitwärts und zurück stand. Gegen diesen da, gnädigster Herr, der sich Euren Diener nennt und sich unserem städtischen Gericht nicht stellen will, obgleich er betroffen ist auf frischer Tat.
Plauen schien jetzt erst von des Junkers Anwesenheit Kenntnis zu nehmen. Sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, da er es ihm nun zuwandte, und sein Blick war so streng, daß wohl auch ein Mutiger hätte erschrecken müssen. Ich hatte nicht erwartet, dich so wiederzusehen, Heinrich, sagte er. Es wird schwere Klage über dich geführt, und ich weiß nicht, wie du dich rechtfertigen willst.
Dem Junker schlug das Herz, und seine Lippen waren brennend trocken, da er antworten wollte. Aber er faßte sich und entgegnete aufrichtig: Höret ihn an, gnädigster Herr Hochmeister, und entscheidet dann, ob mein Vergehen gar so groß ist. Gegen das Gesetz mag ich mich freilich vergangen haben, aber vor Gott hoffe ich wohl verantworten zu können, was ich getan habe und wozu dieses Mannes Härte mich zwang. Richtet Ihr an Gottes Statt, so richtet nach der Gerechtigkeit. Wie Ihr aber richten möget, ich bin Eurem Willen untertänig.
Nun trug Huxer seine Sache vor und redete sich recht in Grimm und Wut hinein, daß die Gebietiger ihm mehrmals winken mußten, sich nicht so ungebärdig vor dem hohen Herrn zu äußern, und klagte den Junker des Jungfrauenraubes an. Straft ihn, bat er, nach seiner Schuld, die er nicht leugnen kann, oder hört meine Zeugen, wenn er mit sträflichen Lügen seinen gnädigsten Herrn zu hintergehen trachten sollte.
Hat er dich um deiner Tochter Hand gebeten? fragte der Meister.
Das hat er freilich, eiferte Huxer, aber ich habe sie ihm ernstlich abgeschlagen und ihm mein Haus verboten, wie ich das Ew. Gnaden schon nach der Wahrheit vortrug.
Und warum versagtest du ihm des Mädchens Hand?
Gnädigster Herr, das war mein Recht. Der Vater hat zu verfügen über sein Kind.
Aber deine Gründe laß mich wissen.
Huxer sah verlegen zur Erde. Ich bin darüber niemand Rechenschaft schuldig, stotterte er.
Gewiß nicht. Aber waren deine Gründe gut, was scheust du dich, sie mitzuteilen?
Ich wollte ihn nicht zu meinem Eidam, der Grund ist hoffentlich gut genug.
Und hattest sonst an ihm nichts auszusetzen?
Daß er nichts hat als seinen Harnisch und sein Pferd und fremd ist hier im Lande.
Und wenn ich selbst für ihn werben würde, Tidemann –
Ich bitte Ew. Gnaden, davon abzustehen. Denn des Mädchens Hand ist vergeben, und ich kann mein Wort nicht brechen.
Nie wird Maria Rambolts Weib werden! rief Heinz.
Schweige, gebot der Meister streng, und sieh zu, wie du antwortest, wenn man dich fragt.
Gebt meiner demütigen Bitte Gehör, großmächtigster Herr Hochmeister, erhob Huxer wieder kräftiger seine Stimme, straft nach Gebühr den schändlichen Jungfrauenraub. Es sind Artikel gesetzt