Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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zu seinem Heil. Verschiedenartig sind die Gaben der Menschen. Dem einen gelingt's leicht, durch gefälliges Wesen überall Freunde zu gewinnen, aber die Freundschaft ist ein loses Band, das sich lockert, wenn man es anziehen möchte; der andere ist von schwerer Art und will nach seinem echten Wert gewogen sein – wer ihn hat, der darf sich auf ihn verlassen in jeder Not. Suche immer denen zu gefallen, die in deiner Meinung hochstehen, und buhle nicht um die Gunst derer, die aus kleinen Künsten augenblicklichen Vorteil ziehen. Zu Großem bist du bestimmt, zu Großem bereite dich vor. Vielleicht ist es einmal in deine Hand gegeben, zwischen zwei mächtigen Reichen die Waage zu halten und diesem Ordenslande den Frieden zu bewahren, damit es wieder deinen Arm stützen kann. So sei es dir genug, mein Sohn, daß du mich zum Freunde gewinnst.

      Gebt mir ein Zeichen Eures gütigen Wohlwollens, gnädigster Herr, rief der Jüngling und küßte wiederholt seine Hand, damit ich mich Eurer dauernden Freundschaft versichere und Ihr Euch der meinigen! Ich will Euch mein tiefinnerstes Geheimnis anvertrauen; verlacht mich deshalb nicht. Ich liebe Waltrudis, Eure Anverwandte, und erbiete mich, meine Wahl gegen jedermann zu vertreten, auch gegen meinen Vater. Wird Waltrudis mein Weib, so bin ich Euch verbunden mit unzerreißlichen Ketten. Das Land, in dem sie als Fürstin herrscht, wird stets dem Orden treu ergeben sein, dessen Oberhaupt Ihr seid, und auch ich werde ein teures Pfand in Händen haben, daß ich Eures Schutzes gegen die übermächtigen und böswilligen Nachbarn versichert bleibe. Darum gestattet, gnädigster Herr, daß ich um Waltrudis werbe.

      Die Rede war ganz nach des Meisters Sinn. Aber bedächtig entgegnete er: Bedenke deine große Jugend, mein Sohn, und daß du noch nicht mündig bist, dich zu binden. Deine Klugheit freilich muß ich loben, die weit vorausschaut, was beiden Teilen nützlich sein möchte und ihr Bündnis stärken könnte. So will ich gern glauben, daß ich nicht einen verliebten Knaben sprechen höre, sondern einen Jüngling, dem's Ernst ist um seine Neigung und Ernst um sein Versprechen. So mag er sich beweisen, und der Lohn, hoffe ich, soll ihm nicht fehlen, wenn er fest und treu bleibt. Ich will dir nicht entgegen sein; sieh zu, wie du des Mädchens Vertrauen gewinnst und dir ihr Herz geneigt machst – dazu kann ich dir nicht helfen.

      Er richtete ihn sanft auf und strich mit der Hand seine Wange. Die Schachfiguren warf er in den Kasten.

      Nun war Switrigal noch häufiger Gast in des Gießmeisters Hause. Ambrosius wagte ihn nicht zu beschränken, da er wohl sah, daß sein gnädigster Herr selbst ihn trotz seiner Jugend und Unerfahrenheit in großen Ehren hielt und bei jeder Gelegenheit auszeichnete. Waltrudis hatte freilich ihr Köpfchen für sich und ließ sich nicht oft blicken, wenn er allein kam. Traf er aber mit Hans von der Buche zusammen, so fehlte sie im häuslichen Kreise nie. Das entging dem Prinzen nicht, und sein Haß gegen den Menschen, der ihm im Wege war, fand immer neue Nahrung.

      Aber er hütete sich wohl, ihm offene Feindschaft zu zeigen; dadurch hätte er bei Waltrudis nichts gewinnen können. Lieber sann er darauf, sich seiner durch List zu entledigen, und heuchelte, um ihn vertrausam zu stimmen, nun plötzlich große Ergebenheit. Ihr seid jung zu ritterlichen Würden gelangt, sagte er ihm. Wollet mein Lehrmeister sein, damit ich in Eurem steten Umgang lerne, was die Unterweisung der Ordensherren mir doch nur mühsam beibringt. Aus Euren beiläufigen Reden entnehme ich, daß Ihr Euch bereits in der Welt umgeschaut habt; laßt mich gelegentlich erfahren, welche Weisheit Ihr heimbrachtet.

      Hans war ihm in seiner Gutmütigkeit gern zu Diensten. So wenig ihm sein finsteres, lauerndes Wesen behagte, so bezwang er sich doch und begleitete ihn auf seinen Ausritten oder Bootfahrten. Auch Fechtübungen machten sie im Parchan der Burg gemeinsam und stachen nach einem Mohrenkopf, an dem auch die jüngeren Ordensritter ihre Geschicklichkeit zu erproben pflegten.

      Eines Tages forderte Switrigal seinen Kumpan auf, ihn nach dem Schießgarten der Marienburger Bürger zu begleiten. Er habe gute Lust, sich bei dem Schützenfeste, das in nächster Zeit stattfinden sollte, zu beteiligen, müsse aber vorher an Ort und Stelle prüfen, wie weit er sich auf seine Armbrust verlassen könne. Sei auch der Vogel noch nicht aufgesteckt, so stehe doch die Stange schon und bezeichne die Bretterlage den Stand für die Schützen. Treffe er die Stange, so werde er auch des Vogels Kopf nicht fehlen.

      Hans ging arglos mit ihm. Der Schießgarten lag vor dem Tore der Stadt seitwärts von der Landstraße. Man hatte ihn dicht bei einem Gebüsch angelegt, das den Zuschauern Schatten gewähren konnte. Der Platz war zu dieser Zeit ganz menschenleer, und auch auf dem Wege zeigte sich nur spärlicher Verkehr. Sie schossen eine Weile um die Wette mit wechselndem Glück. Meist strichen die Bolzen an der Stange vorbei und fielen über die Hecke auf die Wiese. Als sie sich ausgegeben hatten, entschlossen sie sich, die verschossenen Bolzen wieder aufzusuchen, sie konnten im Grase nicht schwer zu finden sein.

      Außerhalb der Hecke waren sie den Leuten, die etwa auf der Landstraße gingen, nicht sichtbar, zumal die Wiese sich ein wenig absenkte. Als sie nun in kurzer Entfernung voneinander mit gebücktem Rücken hin und her schritten, die Grasbüschel beiseitestreichend, um die Bolzen darunter zu ermitteln, sprang plötzlich Switrigal auf seinen Gefährten zu, warf sich auf ihn, faßte seinen Hals und suchte ihn zur Erde niederzuwerfen. Hans glaubte anfangs nur an einen ungehörigen Scherz und suchte mit leichter Gewalt den Angreifer abzuschütteln. Die Heftigkeit des Druckes mußte ihn wohl überzeugen, daß er irrte. Ihn mit der Schulter abstoßend, gewann er so viel Freiheit, umzublicken. Zu seinem Schrecken sah er in des Fürsten Hand einen nackten Dolch, den er vorher in seinem Wams versteckt getragen haben mußte. Mordbube, rief er, was machst du da? Switrigal zeigte ihm wie ein wildes Tier die Zähne und schien ihn mit seinen wütenden Augen durchbohren zu wollen. Du mußt sterben! keuchte er. Vergebens wehrst du dich – du bist mir im Wege und mußt sterben!

      Daran glaubte Hans von der Buche nicht so bald. Nun er wußte, was sein Gegner im Sinne hatte, griff er hinter sich und faßte die Hand, die den Dolch schwang. Zugleich stützte er sich aufs Knie und gab seinem Oberkörper eine Wendung, die den Angreifer zwang, herumzutreten, wenn auch nicht, seinen Hals loszulassen. Sie rangen nun eine Weile Schulter an Schulter. Switrigal war im Vorteil, da er stand und von oben her mit der ganzen Wucht seines Leibes drückte. Doch konnte er die Hände nicht loswinden und mußte darauf achtgeben, daß der eigene Dolch ihn nicht verletzte. Endlich brachte Hans ihn zum Ausgleiten; er sank neben ihm in die Knie und mußte des Gegners Kehle freilassen. Dafür faßte ihn dieser nun und suchte ihn ins Gras zu strecken. Brust an Brust drehten sie sich im engsten Kreise miteinander, beide keuchend vor Anstrengung. Aber Switrigal war der Stärkere. Es gelang ihm, den Verhaßten zu werfen und niederzuhalten. Wieder faßte er seine Kehle und preßte sie, daß Hans blaurot im Gesicht wurde. Er fühlte seine Kraft schwinden. In wenigen Sekunden mußte er auch die Hand loslassen, die den Dolch hielt – dann war es unfehlbar um ihn geschehen.

      Da kam unverhofft ein Retter in der Not. Eine sehnige Faust legte sich auf Switrigals Schulter und warf ihn mit einem kräftigen Ruck zur Seite. Der Dolch wurde ihm aus der Hand gewunden und fiel ins Gras. Heißt das ehrlich fechten? rief eine rauhe Stimme. Der Teufel hole dich, du hinterlistiger Mordgeselle! Meinst, ihm die Gurgel abzustechen und dann seine Taschen auszuleeren? Warte, ich will dir den Lohn geben! Er riß seine Armbrust von der Schulter und schlug mit dem Kolben auf ihn los.

      Hans hatte aufgeschaut und den Waldmeister erkannt. Schwer atmend richtete er sich in die Höhe und nickte ihm dankbar zu. Schont ihn – bat er, nur mühsam die Worte vorstoßend, er ist – des Herzogs von Masowien Sohn – Prinz Switrigal.

      Der Waldmeister ließ nicht so bald ab. Und wenn er der Herzog von Masowien selber wäre, entgegnete er, könnt' ich ihm die blauen Flecke nicht sparen. Laßt sehen, ob sein Schädel härter ist als mein Armbrustkolben.

      Hans hielt seinen Arm zurück. Es ist genug, Alter, er hat seinen Teil.

      Switrigal entwand sich ihm und sprang fort. In einiger Entfernung hob er drohend die Hand und rief zurück: Ein andermal! Sieh dich vor! Dann setzte er über die Hecke und verschwand in den Büschen hinter dem Schießgarten.

      Seid Ihr's denn wirklich, Junker? sagte Gundrat, als sie allein waren. Wie Ihr da unten lagt, erkannte ich Euch nicht recht. So hat mich also doch der Teufel zu rechter Zeit hergeführt, wie ich mich auch sonst verspätet habe. Man behauptet, daß alles sein Gutes hat. Manchmal ist's verdammt knapp zugemessen. Aber heute will ich dran glauben.

      Hans