Es war schon gegen Mittag, als an die Tür geklopft wurde. Wer da? rief er, unwillig sich aufrichtend.
Ich bin's, antwortete eine Männerstimme. Öffne nur, wie du da bist.
Der Komtur sprang auf und schob den Riegel zurück. Ah, mein Bruder Friedrich! Er schüttelte dem Eintretenden die Hand, schloß wieder die Tür und warf einen Mantel um. Seit wann bist du zurück?
Seit einer halben Stunde. Wir hätten von Thorn zusammen reiten können, wenn du's nicht zu eilig gehabt hättest. Was plagt dich denn, die Nacht auf der Landstraße zu liegen? Ich fürchtete schon, daß dir etwas Verdrießliches zu Ohren gekommen wäre, das dich eilig forttrieb, gestattete mir daher nur kurze Ruhe und brach vor Morgen auf. Nun merke ich, daß du Zeit hast, den halben Tag zu verschlafen.
Der Komtur vermied es, darüber eine Aufklärung zu geben. Nun, fragte er, hast du alle deine Geschäfte gut ausgerichtet?
Ich hoffe, aufs beste. Den König Wenzel traf ich in Prag und hatte mit ihm ein geheimes Gespräch unter vier Augen. Er zürnt Plauen, daß er ohne ihn Frieden gemacht hat, und fürchtet doch, daß ein Krieg, in dem der Orden ohne Unterstützung bleibe, den Polen zu großem Vorteil bringen werde. Deshalb sieht er's gern, wenn ein anderer an die Spitze kommt, mit dem Jagello leichter zu einem billigen Ausgleich gelangen kann und der ihm selbst ein zuverlässiger Freund ist. Er wird für Plauen keine Hand rühren, wenn man ihn absetzt, deine Sache aber im Reiche vertreten.
Hat er dir nichts Schriftliches gegeben?
Nein, er ist sehr vorsichtig. Offen verhandeln will er mit dir erst, wenn du ihm deine Hochmeisterwahl angezeigt haben wirst.
Und hast du ihm angedeutet, daß ich werde Opfer an Land und Leuten bringen müssen, um Jagello zu beschwichtigen? Die Schlösser in der Neumark, um die der Streit entbrannte, müssen aufgegeben werden, und auf das Kulmer Land verzichtet der König im guten nicht.
Wenzel ist darauf gefaßt, daß Polen einen Teil seiner Forderungen durchsetzt. Die größere Gefahr erscheint ihm, daß es ganz Preußenland in seine Grenzen zieht und nach dem Meere hinaus Luft bekommt. Er bittet dich nur, vorsichtig zu markten, daß der Preis so gering als möglich ausfalle, und meint, der König möchte sich wohl auch mit der Lehensoberhoheit über das Kulmer Land begnügen.
Das genügt aber vielen von den Eidechsen nicht: sie wollen des Königs Leute werden, um seines Adels Rechte zu erlangen. Doch … wenn ich erst die Macht habe –! es wird mit diesen Kleinen fertig zu werden sein!
Er lachte dazu, und die listigen Augen blitzten.
Du mögest auch bedenken, fuhr Friedrich von Wirsberg fort, wie du ihn selbst entschädigen magst. Denn für nichts sei nichts in der Welt. Er sei des Geldes sehr benötigt.
Und wir haben dessen keinen Überfluß. Halten wir ihn mit halben Versprechungen hin; er wird nicht allzu dringend sein. Die Knechte sind geworben?
An die viertausend Mann, lauter kriegstüchtiges Volk aus Böhmen, Mähren und Schlesien. Sie haben Handgeld genommen für den Orden, aber die Hauptleute sind verpflichtet, von dem Befehle anzunehmen, der sie bezahlt. So hast du sie in der Hand, ohne daß ein Name genannt ist. Die Fähnlein sind auf verschiedenen Wegen im Anmarsch und werden sich an der Grenze sammeln. In zwei oder drei Tagen können sie dann hier zur Stelle sein, wenn du sie rufst.
Der Sold liegt bereit.
Und du glaubst mit viertausend Spießen auszureichen?
Der Hochmeister ist ganz unvorbereitet: alles Gold und Silber, dessen das Land zur Zeit mächtig ist, liegt unter meinem Verschluß. Nur die Marienburg macht mir Sorge: er hat gezeigt, daß er sie zu verteidigen versteht, und zu einer langen Belagerung haben wir keine Zeit.
Haben wir nicht Freunde in den dortigen Konventen?
Keine ganz zuverlässigen. Man muß versuchen, den Meister aus der Burg zu locken. Es wird sich ein Vorwand ergeben. Kann ich ihn vermögen, in Rheden Quartier zu nehmen, so ist er unser Gefangener. Ich will an ihn schreiben und ihm vorstellen, daß seine Gegenwart hier notwendig sei wegen der Verhandlungen mit dem König. Sorge du indessen, daß ich bald von dem Anrücken der viertausend gute Nachricht erhalte.
Der Ritter versprach, sich nach kurzer Rast wieder auf den Weg zu machen, wünschte aber Anweisungen für die Hauptleute zu erhalten, um ihren Eifer anzuspornen. Der Komtur hatte sich während dieser Verhandlung völlig angekleidet und überließ nun das Zimmer seinem Bruder, damit er sich bequem ausruhe. Gegen Abend müsse er in der Nachbarschaft herumreiten, sagte er, und die Eidechsen zum nächsten Tage nach Buchwalde berufen. Er selbst wolle zu Niklas von Renys, mit ihm alle nötige Abrede zu halten.
Als der Komtur in den Schloßhof hinabkam, wurde er benachrichtigt, daß einige Leute von Thorn angelangt seien, die auf einem Bauernfuhrwerk ein Faß brächten, das sie nur ihm übergeben wollten. Er wußte, um was es sich handelte. Bei seiner letzten Anwesenheit in Thorn hatte er ermittelt, daß vor dem Kriege für den Orden ein Faß mit sehr kostbaren Zobelfellen angekommen und im Keller des Rathauses aufbewahrt sei. Er hatte es nun sofort mit Beschlag belegt und den Transport nach Rheden angeordnet. Die Ware hatte großen Wert und war fast so gut wie Bargeld. Dem Rat freilich hatte er eine schriftliche Anweisung zurücklassen müssen.
Er gab Befehl, das Faß in die Schatzkammer zu schaffen, und ließ es nicht aus den Augen, bis es in Sicherheit war. Als er die Leute ablohnte, fand sich, daß einer von den Begleitern sich der Fuhre nur angeschlossen hatte und nicht mit derselben zurückzukehren beabsichtigte. Der Mann sprach gebrochen Deutsch und war seinem Ansehen nach ein Pole. Er bat den Komtur um ein Wort beiseite, sagte ihm, daß der Bischof von Kujawien ihn schicke, und steckte ihm heimlich einen Brief zu.
Georg von Wirsberg hieß ihn nach einem abgelegenen Gemach in einem der hinteren Türme folgen. Dort las er den Brief. Der Bischof schrieb ihm: »Der Euch diesen Brief überbringt, ist mein Diener Liszek, ein Mann, den ich vielfach erprobt und treu befunden habe. Er behauptet, etwas zu wissen, das Euch von großem Nutzen sein könnte. Der Erfolg bleibt unsicher, wenn wir nicht unsern Hauptgegner beseitigen. Kann's geschehen, ohne daß man unsere Hand dabei bemerkt, um so besser. Höret also, was der Mann Euch zu sagen hat, und schenkt ihm Vertrauen.« Die Unterschrift fehlte, aber es war ein Siegel beigedrückt, das dem Komtur wohl bekannt sein mochte. Er faßte den Boten scharf ins Auge und fragte: Nun, was bringst du mir, Bursche? Du bist mir von deinem Herrn gut empfohlen.
Liszek verneigte sich, faßte den Zipfel seines Rockes und hielt ihn an seine Lippen. Hochwürdigster Herr, antwortete er, nicht können wissen armer Mann, was sein wichtig für große Herren oder nicht. Will ich aber erzählen, was ich weiß von dem Herrn Hochmeister und von einem alten Mann, der auf ihn geschossen hat in einem Walde nicht weit von hier, und der ihm sehr nach dem Leben trachtet. Mag das sein mißfällig Ew. Gnaden zu hören oder angenehm, das geht mich nichts an. Aber müssen gehorchen meinem gnädigen Herrn Bischof und sagen alles.
Der Komtur lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit. Was der Bischof im Sinne hatte, war ihm sofort klar geworden. Das Blut schoß ihm ins Gesicht; er wandte sich einen Augenblick dem Fenster zu, um sich dem Boten nicht zu verraten. Nur einen Augenblick, dann wußte er sich wieder Herr seiner Mienen. Lächelnd sagte er: Ich bin begierig, zu erfahren, was das für eine Neuigkeit ist, die einen so weiten Ritt lohnt. Kann ich etwas dazu tun, meinen gnädigsten Herrn vor bösen Anschlägen zu bewahren, so soll es an mir nicht fehlen.
Liszek blinzelte verschmitzt mit den Augen und stülpte seinen Filzhut aus, den er in beiden Händen hielt. Er unterdrückte jede Bemerkung auf des Komturs fromme Rede und begann sogleich zu erzählen, was im Herbst am Melno-See geschehen war, als Heinrich von Plauen dorthin von der Engelsburg zur Jagd kam.
Und wer war der alte Mann? erkundigte sich der Komtur mit mühsam unterdrücktem Eifer.
Ein