Die Jungens selber sind alle drei im Garten und hüten das Schwein. Sie sind jeder zwei Fuß hoch. Sie tragen dreieckige Stülphüte, purpurrote Westen, die bis auf die Schenkel reichen, hirschlederne Kniehosen, rotwollene Strümpfe, schwere Schuhe mit großen Silberschnallen und lange Überröcke mit mächtigen Perlmutterknöpfen. Jeder hat ferner eine Pfeife im Mund und eine kleine, dicke Uhr in der rechten Hand. Er tut einen Zug und einen Blick und einen Blick und einen Zug. Das Schwein ist dick und faul und abwechselnd damit beschäftigt, die von den Kohlköpfen abgefallenen Blätter zu fressen und mit dem Hinterfuß nach der goldschimmernden Uhr zu stoßen, welche die Bengels auch ihm an den Schwanz gebunden haben, damit es ebenso hübsch aussehe wie die Katze.
Dicht an der Haustür, in einem hochlehnigen, lederbezogenen Armstuhl mit krummen Beinen und zierlichen Füßen, gleich denen der Tische, sitzt der alte Hausherr selber. Er ist ein sehr aufgeblasener alter Herr mit großen runden Augen und einem Doppelkinn. Sein Anzug gleicht dem der Knaben, und ich brauche nichts weiter darüber zu sagen. Der ganze Unterschied ist, daß seine Pfeife etwas größer ist als ihre und er mehr Rauch ausstoßen kann. Gleich ihnen hat er eine Uhr, aber er trägt sie in der Tasche. Die Wahrheit zu gestehen: er hat auf Wichtigeres als auf seine Taschenuhr zu achten, und was das ist, will ich gleich berichten. Er sitzt mit übergeschlagenen Beinen, macht ein ernstes Gesicht und hat wenigstens das eine seiner Augen unentwegt auf einen gewissen bemerkenswerten Gegenstand im Mittelpunkt des Tals gerichtet.
Dieser Gegenstand befindet sich im Turm des Rathauses. Die Stadträte sind alle sehr kleine, rundliche, ölige, kluge Männer mit großen Glotzaugen und Doppelkinn und tragen viel längere Überröcke und viel größere Schuhschnallen als die gewöhnlichen Einwohner von Vondervotteimittis. Seit meinem Aufenthalt in dem Burgflecken hatten sie einige geheime Sitzungen, in denen sie folgende drei bedeutsamen Resolutionen angenommen haben:
»daß es falsch ist, den guten alten Lauf der Dinge zu ändern«,
»daß es außerhalb von Vondervotteimittis nichts Angenehmes gibt« und
»daß wir bei unsern Uhren und unsern Kohlköpfen sitzen bleiben wollen.«
Über dem Sitzungssaal des Rathauses ist der Turm, und in dem Turm ist der Glockenstuhl, in dem sich seit unvordenklichen Zeiten der Stolz und das Wunder des Ortes befindet: die große Turmuhr des Burgfleckens Vondervotteimittis. Und das ist gerade der Gegenstand, auf den die Augen der alten Herren gerichtet sind, die in den lederbezogenen Armstühlen sitzen.
Die große Turmuhr hat sieben Zifferblätter – eins auf jeder der sieben Seiten des Turms – so daß es von jedem Stadtteil gesehen werden kann. Diese Zifferblätter sind groß und weiß, und ihre Zeiger schwer und schwarz. Da ist ein Turmwächter, dessen einziges Amt es ist, die Uhr zu bedienen; dieses Amt aber ist die angenehmste aller Sinekuren – denn bisher war an der Turmuhr von Vondervotteimittis noch nie etwas in Unordnung gewesen. Bis vor kurzem hätte fast schon diese Vermutung für ketzerisch gegolten. Seit den entlegensten Zeiten, deren die Archive Erwähnung tun, hat die große Glocke die Stunden ordnungsmäßig geschlagen. Und dasselbe war der Fall mit allen den andern großen und kleinen Uhren im Städtchen. Nie wieder gab es einen so pünktlichen Ort. Wenn der große Klöppel es für angebracht hielt, »zwölf Uhr!« zu sagen, so gingen alle seine gehorsamen Nachfolger gleichzeitig ans Werk und gaben den Ruf wie ein richtiges Echo zurück. Kurz: die guten Bürger liebten ihr Sauerkraut, auf ihre Uhren aber waren sie stolz.
Alle Leute, die ein Amt haben, werden mehr oder weniger respektiert, und da der Turmwächter von Vondervotteimittis die beste aller Sinekuren hat, ist er der bestangesehene Mann von der Welt. Er ist der Hauptwürdenträger des Burgfleckens, und sogar die Schweine blicken mit einer Art Ehrfurcht zu ihm auf. Sein Rockschoß ist viel länger – seine Pfeife, seine Schuhschnallen, seine Augen und sein Magen sind viel größer als jene der andern alten Herren im Ort; und was sein Kinn anlangt, so ist es nicht nur doppelt, sondern dreifach.
So habe ich also die glückliche Zeit von Vondervotteimittis gemalt – ach, daß ein so schönes Bild auch seine Kehrseite haben muß!
Es war lange die Rede unter den weisesten Bürgern gewesen, daß »von jenseits der Höhen nichts Gutes kommen kann«; und es schien wirklich, als hätten die Worte prophetischen Geist in sich. Es war vorgestern, und es fehlten noch fünf Minuten bis zwölf, als auf dem östlichen Höhengipfel ein merkwürdiger Gegenstand auftauchte. Solch ein Ereignis erregte natürlich allgemeine Aufmerksamkeit, und jeder kleine alte Herr im lederbezogenen Armstuhl wandte eins seiner Augen mißbilligend auf die Erscheinung, während er das andere immer noch auf die Turmuhr gerichtet hatte.
Als nur noch drei Minuten an zwölf fehlten, erkannte man den fraglichen seltsamen Gegenstand als einen winzigen, fremdländisch aussehenden jungen Mann. Er kam den Hügel in großer Hast herunter, so daß jedermann ihn bald gut sehen konnte. Er war tatsächlich das winzigste Persönchen, das je in Vondervotteimittis gesehen worden war. Sein Antlitz war tabakbraun, und er hatte eine lange, krumme Nase, kleinrunde Augen, einen großen Mund und ein prächtiges Gebiß, welches er gern zu zeigen schien, denn er grinste von einem Ohr zum andern. Vor lauter Schnurr-und Backenbart konnte man von seinem Gesicht nichts weiter sehen. Sein Kopf war unbedeckt, und sein Haar sorgfältig in Papilloten aufgewickelt. Sein Anzug bestand aus einem enganliegenden schwalbenschwänzigen schwarzen Rock (aus dessen einer Tasche ein sehr langer, weißer Taschentuchzipfel heraushing), schwarzen Kaschmir-Kniehosen, schwarzen Strümpfen und klobigen Schuhen mit riesigen Schleifen aus schwarzem Atlasband. Unter dem einen Arm trug er einen mächtigen Hut und unter dem andern eine Geige, fast fünfmal so groß wie er selbst. In seiner linken Hand hielt er eine goldene Schnupftabaksdose, aus der er, der mit phantastischem Hoppschritt den Hügel herunterstolperte, unablässig mit höchst selbstzufriedener Miene schnupfte. Guter Gott! war das ein Anblick für die ehrenwerten Bürger von Vondervotteimittis!
Offen gesagt, der Kerl hatte ungeachtet seines freundlichen Grinsens ein verwegenes und bösartiges Gesicht; und wie er da geradewegs mitten ins Dorf hereinkurbettierte, erregte die seltsam klobige Form seiner Schuhe beinahe Verdacht; und manch einer der Bürger, der ihn damals sah, hätte wohl eine Kleinigkeit dafür gegeben, einen Blick unter das weiße Taschentuch tun zu dürfen, das da so aufdringlich aus der Tasche seines Schwalbenschwanzes herausbaumelte. Was aber hauptsächlich geradezu Entrüstung hervorrief, war, daß der schurkische Windbeutel hier einen Wirbel und da einen Fandango drehte, aber nicht die leiseste Ahnung von dem zu haben schien, was man »Takt halten« nennt.
Die guten Leutchen der Stadt hatten jedoch kaum Zeit, ihre Augen wirklich aufzusperren, als – es fehlte gerade noch eine halbe Minute bis Mittag – der Kerl mitten unter sie sprang. Er machte ein »chassez« hier und ein »balancez« da, eine »pirouette« hier und einen »pas de zéphyr« da und schwang sich dann mit einem Satz hinauf in den Glockenstuhl des Rathauses, wo der erstaunte Turmwächter ängstlich und entrüstet schmauchte. Doch der kleine Kerl packte ihn sofort an der Nase, zwickte sie und zerrte an ihr, stülpte dem Mann den großen Hut auf den Kopf und trieb ihn ihm bis auf den Mund hinunter. Dann hob er die riesige Fiedel und schlug ihn damit so lange und gründlich, daß die hohle Fiedel und der fette Turmwächter gemeinsam einen Lärm hervorbrachten, daß ihr darauf geschworen hättet, ein Regiment von Paukenschlägern bringe droben auf dem Glockenstuhl des Rathauses von Vondervotteimittis dem Teufel einen Zapfenstreich.
Es ist nicht festzustellen, zu welch verzweifeltem Racheakt dieser ruchlose Angriff die Bürger getrieben hätte, wenn nicht nur