Ich kann es dir nicht oft genug wiederholen, denke an dich, so lange es noch Zeit ist; entferne deinen Freund, ehe über euch geredet wird, komm dem aufkeimenden Verdachte zuvor, den seine Abwesenheit zuverlässig ersticken wird; denn was soll man endlich glauben, daß er hier macht? In sechs Wochen, in einem Monate ist es vielleicht zu spät. Wenn deinem Vater das kleinste Wort zu Ohren käme, zittre vor dem, was aus dem Zorn eines alten Soldaten, dem die Ehre seines Hauses im Kopfe steckt, und dem Ungestüm eines hitzigen jungen Mannes, der nichts erträgt, alles werden kann; aber fürs Erste müssen wir auf eine oder die andere Art den Handel mit Milord Eduard erledigen; denn du würdest deinen Freund nur aufbringen und dir eine gerechte Weigerung zuziehen, wenn du ihm von Entfernung sprächest, ehe derselbe abgemacht ist.
Siebenundfünfzigster Brief.
Von Julie.
Mein Freund, ich habe mich über das, was zwischen Ihnen und Milord Eduard vorgegangen ist, sorgfältig unterrichtet; gestützt auf die genaue Bekanntschaft mit den Thatsachen, will Ihre Freundin mit Ihnen untersuchen, wie Sie sich bei dieser Gelegenheit verhalten müssen, nach der Denkungsart, zu welcher Sie sich bekennen und mit welcher Sie, wie ich annehme, nicht blos eitlen Staat machen.
Ich will nicht danach fragen, ob Sie im Fechten geübt sind, noch ob Sie sich im Stande fühlen, es mit einem Manne aufzunehmen, der in Europa den Ruf hat, die Waffen mit Ueberlegenheit zu führen, und der bei fünf oder sechs Duellen, die er in seinem Leben hatte, jedesmal seinen Gegner getödtet oder verwundet oder entwaffnet hat: ich begreife., daß man in dem Falle, in welchem Sie sich befinden, nicht seine Geschicklichkeit zu Rathe zieht, sondern seinen Muth, und daß die rechte Art, sich an einem braven Manne, von dem man beleidigt ist, zu rächen, die ist, daß man sich von ihm tödten lasse; nichts weiter über eine so weise Maxime! Sie werden mir sagen, daß Ihre Ehre und die meinige Ihnen theurer sind, als das Leben. Dies ist also der Punkt, den wir ins Auge fassen müssen.
Fangen wir mit Ihnen an. Könnten Sie mir wohl sagen, worin Sie eigentlich persönlich beleidigt sind durch eine Rede, bei welcher es sich um mich allein handelte? Ob Sie sich bei dieser Gelegenheit meiner Sache anzunehmen hatten, werden wir sogleich sehen: vor der Hand werden Sie nicht leugnen können, daß der Streit mit Ihrer besonders Ehre gar nichts zu schaffen hatte, es wäre denn, daß Sie es für einen Schimpf hielten, wenn man Sie im Verdacht hat, von mir geliebt zu sein. Sie sind beleidigt worden, ich gebe es zu, aber erst nachdem Sie selbst mit einer schweren Beleidigung den Anfang gemacht hatten, und ich, die ich lauter Militaires in der Familie habe, ich, die ich so oft dergleichen fürchterliche Fragen verhandeln hörte, weiß recht gut, daß eine Beschimpfung, die einer Beschimpfung zur Antwort dient, diese nicht aufhebt, und daß der Erste, den man beschimpft, der einzige Beleidigte bleibt: es ist derselbe Fall, wie bei einem unerwarteten Angriff, wo der Angreifer der einzige Strafbare ist, und der, welcher zu seiner Selbstvertheidigung tödtet oder verwundet, nicht des Mordes schuldig ist.
Jetzt zu mir. Zugegeben, daß Milord Eduard's Aeußerung beleidigend für mich war, obgleich er mir eben nur Gerechtigkeit widerfahren ließ: wissen Sie wohl, was Sie damit thun, wenn Sie mich mit so vieler Wärme und Unbehutsamkeit vertheidigen? Sie verstärken seine Schimpfrede, Sie beweisen, daß er Recht hatte, Sie opfern meine Ehre einem falschen Ehrenpunkt, Sie bringen Ihre Geliebte in Schande, um höchstens damit den Ruf eines tüchtigen Raufdegens zu gewinnen. Bitte, zeigen Sie mir doch, was für ein Zusammenhang zwischen Ihrer Art, mich zu rechtfertigen, und meiner wirklichen Rechtfertigung besteht. Glauben Sie, daß der Eifer, womit Sie sich meiner annehmen, ein großer Beweis dafür sei, daß kein Verhältniß zwischen uns bestehe, und daß es genüge, wenn Sie sich tapfer zeigen, um zu beweisen, daß Sie nicht mein Liebhaber sind? Sein Sie überzeugt, daß alle Reden Milord Eduard's mir weniger schaden, als Ihr Betragen bei der Sache: Sie allein haben es über sich genommen, durch das Aufsehen, welches Sie davon machen, sie zu verbreiten und zu bestätigen. Er für sein Theil kann Ihrem Degen bei dem Zweikampfe entgehen, aber nie wird mein Ruf und vielleicht mein Leben dem tödtlichen Stoße entgehen, welchen Sie ihm versetzen.
Dies sind Gründe, die zu triftig sind, als daß Sie ihnen etwas entgegensetzen könnten; aber ich sehe es voraus, Sie werden die Vernunft mit dem Herkommen bekämpfen; Sie werden mir erwidern, daß es Verhängnisse giebt, welche uns wider unsern Willen fortreißen; daß man in jedem Falle eine Lüge, die einem vorgeworfen wird, nicht einsteckt, und daß, wenn ein Handel einmal bis auf einen gewissen Punkt gekommen ist, das Duell nicht vermieden werden kann, ohne daß man sich entehrt. Sehen wir denn!
Erinnern Sie sich einer Unterscheidung, die Sie mir einmal bei einer wichtigen Gelegenheit aufstellten, zwischen wahrer Ehre und scheinbarer Ehre? In welche von beiden Klassen werden wir diejenige stellen, um die es sich jetzt handelt? Ich in der That, ich sehe nicht, wie das auch nur eine Frage sein kann. Was hat der Ruhm, einen Menschen umzubringen, mit dem Zeugnisse eines guten Gewissens gemein? und was für eine Bedeutung kann die leere Meinung Anderer für die wahre Ehre haben, die doch mit allen ihren Wurzeln am Grunde des Herzens hängt? Wie? Vergeben die Tugenden, welche man wirklich besitzt, vor den Lügen eines Verleumders? beweisen die Beleidigungen eines betrunkenen Menschen, daß man sie verdient? Und wäre die Ehre des Weisen in der Gewalt des ersten besten groben Gesellen, auf den er stößt! Werden Sie mir sagen, das Duell beweise, daß man Herz hat, und dies genüge, um die Schande oder den Vorwurf aller übrigen Laster auszulöschen? Ich frage Sie: welche Ehre kann ein solches Urtheil fällen und welche Vernunft kann es rechtfertigen? Nach dieser Regel braucht sich ein Spitzbube nur zu schlagen und er ist kein Spitzbube mehr; die Reden eines Lügners werden zu Wahrheiten, sobald er sie mit der Degenspitze unterstützt; und wenn man Sie beschuldigte, einen Menschen getödtet zu haben, so würden Sie hingehen und einen zweiten tödten, um zu beweisen, daß es nicht wahr ist. Also: Tugend, Laster, Ehre, Schande, Wahrheit, Lüge, alles das kann sein Wesen aus dem Ausgange eines Zweikampfes nehmen; ein Fechtboden ist der höchste Gerichtshof; es giebt kein anderes Recht, als die Gewalt, keine andere Rechtfertigung, als den Mord; die ganze Genugthuung, die man Denen schuldet, welche man beschimpft hat, ist, daß man sie tödtet, und jede Beleidigung kann abgewaschen werden, gleichviel, ob in dem Blute des Beleidigers oder des Beleidigten. Sagen Sie, wenn die Wölfe raisonniren könnten, würden sie andere Grundsätze haben? Urtheilen Sie selbst, an dem Falle, worin Sie sich befinden, ob ich die Abgeschmacktheit derselben übertreibe. Um was handelt es sich hier für Sie? Um eine Lüge, die Ihnen bei einer Gelegenheit vorgeworfen wurde, wo Sie logen. Meinen Sie nun die Wahrheit zugleich mit Dem zu tödten, den Sie dafür strafen wollen, daß er sie gesagt hat? Bedenken Sie wohl, daß Sie, dem Schicksalsspruche eines Zweikampfs sich unterwerfend, den Himmel zum Zeugen für eine Falschheit anrufen, und daß Sie zu dem Richter der Kämpfe zu sprechen wagen: komm, und hilf der ungerechten Sache und laß die Lüge triumphiren? Liegt in dieser Blasphemie nichts, wovor Sie schaudern? in solcher Widersinnigkeit nichts, was Sie empört? O mein Gort, was für eine jämmerliche Ehre ist das, die nicht das Laster scheut, sondern den Vorwurf, und die von einem Andern nicht den Vorwurf der Lüge ertragen will, den das eigene Herz doch schon zuvor erhoben hat!
Sir,