Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean Jacques Rousseau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837929
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den natürlichen Gebüschen, welche diesen reizenden Garten schmücken, ist eines noch reizender als die anderen, wo ich mir noch mehr gefalle und wo ich deshalb meinem Freunde eine kleine Ueberraschung bereiten will. Es soll nicht heißen, daß er immer nur unterwürfig ist und ich nie großmüthig. Dort will ich ihn fühlen lassen, den gewöhnlichen Vorurtheilen zum Trotz, wie viel größern Werth das hat, was das Herz giebt, als das, was die Frechheit raubt. Damit sich übrigens Ihre lebhafte Einbildungskraft nicht ein wenig zu sehr in Unkosten setze, muß ich Ihnen vorher sagen, daß wir das Gebüsch mit einander nicht ohne die unzertrennliche Cousine besuchen werden.

      Bei der Cousine will ich gleich erwähnen: es ist beschlossen, wenn es euch nicht zuwider ist, daß ihr uns Montag besuchen sollt. Meine Mutter wird ihre Kalesche zu meiner Cousine schicken; gehen Sie um zehn Uhr hin; sie wird Sie mitnehmen, Ihr sollt den Tag bei uns zubringen und am Dienstag nach dem Essen werden wir alle zusammen zurückfahren.

      So weit war ich mit meinem Briefe, als mir einfiel, daß ich ihn Ihnen hier nicht mit derselben Leichtigkeit zustellen kann wie in der Stadt. Ich hatte zuerst daran gedacht, Ihnen durch Gust, des Gärtners Sohn, eines Ihrer Bücher zurückzuschicken, es in Papier einzuschlagen, und den Brief in dem Einschlag zu verstecken. Aber abgesehen davon, daß Sie vielleicht nicht darauf gefallen wären, ihn da zu suchen, wäre es doch auch ein unverzeihlicher Leichtsinn, dergleichen Zufällen unser Lebensglück Preis zu geben. Ich will mich also begnügen, Ihnen einfach durch ein Billet das Montag-Rendezvous anzuzeigen, und hebe diesen Brief auf, um ihn Ihnen selber zu geben. Auch würde ich doch ein wenig Sorge gehabt haben, daß Sie sich über das Mysterium des Gebüsches zu viel Gedanken machen möchten.

      Vierzehnter Brief.

       An Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Was hast du gethan! Ach, was hast du gethan, meine Julie! Du wolltest mich belohnen und du hast mich zu Grunde gerichtet. Ich bin trunken, nein, ich bin unsinnig. Meine Sinne sind mir verrückt, alle meine Lebenskräfte in Aufruhr durch diesen tödtlichen Kuß, Du wolltest meine Pein lindern! Grausame, du steigerst sie, Gift habe ich von deinen Lippen gesogen; es siedet, es verbrennt mein Blut; es bringt mich um, und dein Erbarmen mordet mich.

      O unvergängliches Andenken dieses Augenblicks voll Täuschung, Wahn, Zauberei! nie, nie wirst du meiner Seele entschwinden, und so lange in ihr Juliens Reize eingedrückt sein werden, so lange dieses zitternde Herz Empfindungen und Seufzer hergeben wird, wirst du die Marter und die Wonne meines Lebens sein.

      Ach! ich genoß einer scheinbaren Ruhe; ich hatte mich deinem oberherrlichen Willen unterworfen, ich murrte nicht mehr über ein Geschick, dessen Leitung du übernommen hattest. Ich hatte den wilden Flug meiner verwegenen Einbildungskraft gebändigt; ich hatte meine Blicke mit einem Schleier bedeckt und meinem Herzen Fesseln angelegt; meine Wünsche wagten nur noch halb hinauszuschlüpfen; ich war so zufrieden, als ich es nur sein konnte. Ich erhalte dein Billet, ich fliege zu deiner Cousine; wir fahren nach Clarens, ich sehe dich, mein Herz klopft; der süße Ton deiner Stimme versetzt es in neue Aufregung; ich nähere mich dir wie bezaubert und ich hatte die Dazwischenkunft deiner Cousine sehr nöthig, um deiner Mutter meine Verwirrung zu verbergen. Es wird im Garten umhergegangen, ruhig gegessen, du steckst mir heimlich deinen Brief zu, den ich vor der furchtbaren Zeugin nicht zu lesen wage: die Sonne fängt an zu sinken; wir suchen alle Dreie Zuflucht vor ihren letzten brennenden Strahlen im Gehölz und in meiner seligen Einfalt dachte ich gar nicht daran, daß es einen süßeren Zustand geben könnte, als den, worin ich mich befand.

      Als wir uns dem Gebüsche näherten, bemerkte ich nicht ohne ein inneres Zittern, daß ihr einander zuwinktet, lächeltet und daß deine Wangen sich höher färbten. Wir traten ein; mit Erstaunen sah ich deine Cousine zu mir treten und mit komisch bittender Miene einen Kuß fordern. Ohne zu wissen, was dahinter steckte, umarmte ich die anmuthige Freundin, und so liebenswürdig, so reizend sie ist, habe ich doch niemals mehr gefühlt, daß die sinnlichen Empfindungen nichts sind, als was das Herz aus ihnen macht. Aber wie ward mir, als einen Augenblick darauf ich fühlte, .... die Hand zittert mir .... einen süßen Schauder .... deinen Rosenmund .... Juliens Mund am den meinigen gelegt, gepreßt, meinen Leib umspannt von deinen Armen. Nein! das Feuer vom Himmel ist nicht verzehrender, nicht rascher als jenes, das mich im Augenblick in lichte Flammen setzte. Mein ganzes Ich floß in Einen Punkt zusammen bei dieser himmlischen Berührung. Die Glut strömte mit unsern Seufzern von den brennenden Lippen, und mein Herz war erdrückt von Wollust da sah ich dich plötzlich erbleichen, deine schönen Augen schließen, dich auf deine Cousine stützen und in Ohnmacht sinken. So löschte der Schreck die Lust aus und mein Glück war nur ein Blitz.

      Kaum weiß ich, wie mir seit jenem verhängnißvollen Augenblick geschehen ist. Der tiefe Eindruck, den er mir hinterlassen hat, ist unverlöschlich. Eine Gunst! .... o grausame Qual .... Nein, behalte deine Küsse; ich kann sie nicht ertragen .... sie sind zu scharf, zu durchdringend; sie durchbohren, sie brennen bis ins Mark .... sie würden mich zur Raserei bringen. Ein einziger, ein einziger schon hat mich in ein Irresein gestürzt, von dem ich nicht wieder zu mir kommen kann. Ich bin nicht mehr der Nämliche, du scheinst mir nicht die Nämliche mehr. Ich sehe dich nicht mehr wie sonst verweisend und strenge vor mir; sondern ich fühle und fasse dich unaufhörlich an meinen Busen geschmiegt, wie du einen Augenblick warst. O Julie, welches Schicksal mir das tobende Gefühl, das ich nicht mehr bemeistern kann, ankündige, welche Behandlung deine Strenge mir bestimme, ich kann nicht mehr in dem Zustand leben, in welchem ich bin, und ich fühle, daß ich endlich zu deinen Füßen meinen Geist aushauchen muß .... oder in deinen Armen.

      Fünfzehnter Brief.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist von Wichtigkeit, mein Freund, daß wir uns für einige Zeit trennen, und dies wird die erste Probe von dem Gehorsam sein, den Sie mir gelobt haben. Wenn ich ihn bei dieser Gelegenheit in Anspruch nehme, glauben Sie, daß ich dazu sehr starke Gründe habe; sie müssen es sein, das wissen Sie nur zu gut, wenn ich mich dazu entschließen soll: was Sie betrifft, so brauchen Sie keinen anderen als meinen Willen.

      Sie haben schon lange eine Reise nach dem Wallis zu machen. Ich wünschte, daß Sie sie jetzt anträten, bevor die Kälte kommt. Der Herbst ist zwar hier noch recht angenehm, aber Sie sehen, daß die Spitzt des Dent-de-Jamant [Berg im Waadtlande.] schon weiß wird, und in sechs Wochen würde ich Sie die Reise in ein so rauhes Land nicht unternehmen lassen. Sehen Sie es zu machen, daß Sie gleich morgen abreisen können: Sie werden mir unter der Addresse schreiben, die ich Ihnen schicke, und werden mir von Sion aus die Ihrige aufgeben.

      Sie haben mir über Ihre Verhältnisse nie etwas sagen wollen, aber Sie sind nicht zu Hause; ich weiß, daß Sie wenig Vermögen daheim haben und daß es durch Ihren hiesigen Aufenthalt nur in Unordnung kommt, den Sie nicht fortsetzen würden, wenn ich nicht wäre. Ich kann also annehmen, daß sich ein Theil Ihrer Casse in der meinigen befindet, und ich schicke Ihnen eine kleine Abschlagszahlung in einer Börse, welche das beifolgende Kästchen enthält, das Sie nicht in Gegenwart des Ueberbringers eröffnen dürfen. Ich hüte mich wohl, den Schwierigkeiten entgegen zu laufen; ich schätze Sie zu sehr, als daß ich Sie für fähig halten sollte, es zu thun.

      Ich verbiete Ihnen, nicht nur ohne meine Ordre zurückzukommen, sondern auch uns Adieu zu sagen. Sie können an meine Mutter oder an mich schreiben, einfach um uns zu benachrichtigen, daß Sie durch ein unvorhergesehenes Geschäft genöthigt sind, auf der Stelle abzureisen, und mir, wenn Sie wollen, einige Anweisung geben, was ich bis zu Ihrer Rückkunft lesen soll. Das alles müssen Sie ganz natürlich einrichten und ohne irgend etwas Geheimnißvolles durchblicken zu lassen. Adieu, mein Freund! Vergessen Sie nicht, daß Sie Juliens Herz und Ruhe mitnehmen.

      Sechzehnter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis