Colours of Life 2: Rosengrau. Anna Lane. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Lane
Издательство: Bookwire
Серия: Colours of Life
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958693753
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vor wie eine tratschende Kosmetikerin, »wieso hat Cam seine Meinung geändert?«

      »Er hat sich dafür entschuldigt, nicht für mich dagewesen zu sein. Es könnte ihn nicht weniger kümmern, dass Carter ihm verboten hat, bei mir zu sein.«

      »Wieso sollte Carter das tun?«, frage ich skeptisch. Seien wir ehrlich – haben Männer nicht immer die gleiche Ausrede? Ich sollte das wissen. Ich bin einer von diesen Typen. Man will immer, aber man kann nicht/ist verhindert und muss stattdessen die Welt retten/die Menschheit beschützen und natürlich ist man immer, immer von allumfassender Liebe verzehrt. Dabei will man sich einfach nur irgendwo in Ruhe betrinken.

      Mit Tequila.

      Und dem nächsten schmucken Anhängsel bereits am Arm.

      »Ich könnte Cam ablenken?«, entgegnet Crys, hört sich dabei ziemlich unsicher an. Da glaubt wohl jemand selbst nicht, was sie sagt.

      Ein grunzendes Lachen entfährt mir. Die Masche mit der Ablenkung, schon klar.

      »Ich dachte nicht, dass du eines dieser Mädchen bist, die springen, wenn ein Typ es ihnen befiehlt.«

      »Und ich dachte nicht,« erwidert Crys schnippisch, »dass du einer dieser Stars bist, die in der Wirklichkeit genau die Ärsche sind, die sie vorgeben zu sein.«

      »Touché. Jetzt erreichen wir mit dieser Unterhaltung ein Niveau, das mir gefällt.« Ich grinse breit und betrachte mein Werk. Ihre Wimpern sind unglaublich lang und umrahmen ihre wässrig-grünen Augen wie Seetang. Crys’ Strange Eyes. Wäre ein guter Songtitel.

      »Ich mochte dich echt nicht«, sage ich.

      »Das hast du mich auch spüren lassen. Und jetzt?«

      Ich starre sie an, dann zucke ich mit den Schultern. Mit gekräuselten Lippen betrachte ich sie, als müsste ich ernsthaft meine Antwort abwägen. »Nah, kann man jemanden wie dich überhaupt mögen?«

      »Bin mir deswegen auch nicht so sicher.« Crys lächelt und steht auf, um sich im Spiegel zu betrachten. »Ich mag dieses Blau«, sagt sie und dreht sich ein wenig umher, damit das Kleid schwingt.

      »Taubenblau, um genau zu sein. Die Farbe steht dir. Und der Schnitt auch.«

      Die Ärmel reichen bis zu ihren Ellenbogen hinab, die Hässlichkeit des Tattoos, das Crys als Einzige von uns behalten wollte, bleibt verborgen.

      »Danke, Sebastian«, sagt sie und dreht sich um. Auf ihren Lippen liegt der Anflug eines Lächelns. »Genau so wollte ich bei meiner ersten Verabredung aussehen.«

      »Immer gern zu Diensten. Die süßen Schnürstiefel passen perfekt zum Outfit. Welch großartiges Trendsetter-Genie hat diese Kreation wohl zusammengestellt?« Ich fächele mir Luft zu. Jetzt lacht Crys, zum ersten Mal seit Langem, und verschwindet aus der Tür.

      Ich schüttle amüsiert und ein wenig verwundert den Kopf, dann schalte ich auf den Fernsehsender mit dem Wunder-Wellensittich.

      2

      Whereat the withered flower, all content,

      Died as they die whose days are innocent;

      While he who questioned why the flower fell

      Caught hold of God and saved his soul from Hell.

      The Answer

      Cameron

      Verstohlen werfe ich Crys einen Seitenblick zu, als die Ampel gerade auf Rot schaltet. Ihr Kopf ist kaum merklich geneigt, und die offenen Haare verdecken die Sicht auf ihre Züge. Langsam wandern meine Augen tiefer. Ihr Kleid ist überraschend kurz. Nicht, dass mir der Anblick nicht gefallen würde.

      »Du siehst mich an«, stellt Crys fest und wendet sich mir zu. Ihre Haare wellen sich über die Schultern. Zu gern würde ich mein Gesicht in ihrer Mähne vergraben und den Duft einatmen. Ihre Augen sind müde, trotzdem geht mir ein elektrischer Stoß durch Mark und Bein. Was ich für Crys empfinde, macht einen Idioten aus mir. Ich kann nur noch an sie denken. Das Gefühl ist neu. Ungewohnt. Zum ersten Mal seit langer Zeit bin ich verwundbar. Aber verdammt, ich liebe es so sehr.

      »Sollte ich nicht?«, frage ich. Es wird Grün, ich gebe Gas. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie sie mit den Schultern zuckt.

      »Wo fahren wir überhaupt hin?« Ihre Stimme ist höflich, wie zuvor in der Küche – bis auf den Moment, als sie mich angeschrien hat.

      »Ins Kino.« Wenigstens für diesen Abend will ich das Gefühl haben, wir wären zwei normale Teenager bei einem Date.

      »Habe nicht gewusst, dass irgendwo auf der Welt noch Filme produziert werden. Wenn man von den ganzen kriegsverherrlichenden Streifen mal absieht.«

      »Es gibt auch keine neugedrehten Filme mehr. Aber dieser wird für dich neu sein, da bin ich mir sicher.«

      Wir sind an unserem Ziel angekommen, ein unscheinbares, kleines Kino, dessen Lichter die ganze Straße erleuchten. Ein paar Autos stehen vor der Tür, und ausgedrückte Zigaretten liegen auf dem Gehsteig herum.

      Ich parke und ziehe den Autoschlüssel ab. Eigentlich gehört der Wagen Helena, aber sie hat Hausarrest. Schon wieder. Carter hat sie angeschrien, ihr den Schlüssel weggenommen und mir ausgehändigt. Ich bin mir sicher, sie ignoriert Carters nächtliche Ausgangssperre mit voller Absicht. Wie ich heute Abend.

      Crys beugt sich vor, ihre Haare sind länger geworden in den letzten Monaten. Wie das ganze wunderbare Chaos, das sie eben ist, verändert sie sich stetig. Nur ich fühle mich, als wäre die Zeit für mich schon lange stehen geblieben. Das Einzige, was sich immer mal ändert, sind meine Kämpfe. Doch es bleiben Kämpfe. Immer, an jedem Tag meines Lebens, muss ich mich wehren. Und das ist verdammt nochmal mühsam.

      »Ich war noch nie im Kino«, sagt sie und schnallt sich ab. »Dort, wo ich herkomme, gibt es so was nicht. Gab. Es gab so was nicht«, korrigiert sie sich. Sie seufzt leise und steigt aus, ihr Kleid ist etwas zerknittert.

      Ich halte noch einen Moment inne und schüttle den Kopf. Am liebsten würde ich sie berühren, sie in meine Arme schließen und ihr versichern, dass alles gut werden wird. Dass ihr Leben jetzt erst richtig anfängt und dass sie nie, nie wieder einen Gedanken an ihr altes Leben vor und ihr Leiden in der Anstalt verschwenden muss. Ich will ihre Haare zurückstreichen und ihr ins Ohr flüstern, dass ich sie jeden Tag vermisse, auch wenn ich da bin. Weil es nicht mehr so ist, wie es zuvor war. Wie es im Wald war.

      Aber kann es jemals wieder so sein?

      Ich bin kein guter Mensch. Ich bin schlecht, und ich lüge. Ich lüge zu viel. Und das ist unverzeihlich. Dabei will ich gut sein. Nicht mal für die Welt. Auf die kann ich verzichten, weil sie mir alles genommen hat. Aber für Crys wäre ich gerne anständig. Ehrlich. Weil sie so jemanden verdient.

      »Komm.« Nach dem Aussteigen reiche ich ihr die Hand. Etwas zögernd nimmt sie sie, und ich öffne ihr die Tür zum Kino. Das Licht ist unglaublich gelb, Zigarettenrauch steht dick in der Luft. Die Tapete rollt sich in den oberen Ecken von der Wand ab und ist ein wenig ausgeblichen, es sind nicht viele Leute hier. Ein paar Typen in unserem Alter stehen rauchend in einer Ecke und pfeifen, als Crys an ihnen vorbeigeht. Sie grinsen wie dämliche Vollidioten. Als ihr Blick auf mich fällt und ich finster zurückstarre, widmen sie sich schnellstens wieder ihren Zigaretten. Schützend lege ich einen Arm um Crys.

      Sie sieht mich verwundert an. Ihre Augen glänzen, dieses Hellgrün lässt mich für einen Moment alles vergessen. Alle anderen Frauen sind nicht wichtig, Vivien ist nicht wichtig. Genauso wenig wie das, was ich tue und die Gefahren, die es mit sich bringt. Carter hat recht, Crys lenkt mich ab. Und wie.

      »Zwei Mal bitte«, sage ich zu der Kartenverkäuferin, und sie schiebt mir die Karten entgegen, bevor sie das Geld nimmt, das ich ihr hinlege.

      »Möchtest du Popcorn?«, frage ich Crys.

      »Ich … weiß nicht?«

      »Sag bloß, du hast noch nie Popcorn probiert?«

      Sie zieht