Lübeck, die Stadt, von der Enea Silvio Piccolomini einst sagte, ihr Reichtum und Einfluß sei so gewaltig, daß große Länder auf ihren Wink gewärtig seien, Könige einzusetzen und abzusetzen, trat immer mehr hinter Hamburg zurück, und was es an Ansehen bewahrte, war ein mit Anstrengung festgehaltenes Gut, das die Gegenwart nicht mehr speiste. Die Herrschaft über Ost- und Nordsee war für die Hanse verloren, sie wurde von der neuen Großmacht Schweden ausgeübt, die sich, nach Gustav Adolfs Plan, an der deutschen Küste festgesetzt hatte. Holland, Dänemark, Rußland waren ihre Nebenbuhler. Brandenburg, das ein Anrecht auf Pommern hatte, das aber wie die übrigen protestantischen Reichsstände Schweden nicht reizen durfte, da sie ohne seine Unterstützung ihre kirchlichen Ansprüche nicht durchsetzen konnten, behielt sich die Wiedererringung des Meerlandes in künftigen Kämpfen vor.
Ausklang
Die hohe Flut des dramatischen Jahrhunderts versiegte, die leidenschaftlichen Gespräche mit Gott verstummten. In einem unvergleichlichen Aufschwung war das Gewölk aufgerissen, das die Erde vom Himmel trennt, und die Völker fühlten sich angerufen von der Stimme des Ewigen. Nachdem der Himmel sich wieder geschlossen hatte, blieb die Erinnerung des großen Erlebnisses zurück, aber sie ging nicht mit der Kraft des Wirklichen in die Herzen ein. Die Tatsache Gott erfüllte noch das Bewußtsein; aber es war für viele nicht der persönliche Gott, zu dem Luther betete, der Vater und Richter, dessen Antlitz über seinem Volke leuchtet. Auf den protestantischen Kanzeln tobte die Schlacht der Theologen, die sich wegen der Ubiquität oder wegen der Verderblichkeit der guten Werke gegenseitig verdammten; für sie war Gott eine von ihnen zu lösende Streitfrage. Von den Denkenden, die Gott glaubten und Gott suchten, begriffen ihn viele als die Weltseele, die Harmonie des Weltalls, die Musik der Dinge, die sie zum Ganzen fügt, nicht als Person. Das war eine geistige Ermattung; aber es war auch das Bedürfnis, das Bild dessen, den keine Namen nennen, nach einer Richtung zu ergänzen, die die vorausgegangenen Geschlechter übersehen hatten. Jene hatten den Herrn angebetet, der zum Menschen spricht: du sollst heilig sein, denn ich bin heilig, der fordert und richtet; nun sehnte man sich nach dem Gott, den man im Rauschen der Bäume, im Zuge der Wolken, in der Ordnung der Sterne anschauend ahnt. Der Pantheismus griechischer Naturphilosophie wurde begierig ergriffen. Spinoza, der klassische Philosoph des Pantheismus, ging von der metaphysischen Gottesidee aus, der er zwei Eigenschaften zuschrieb, das Denken und die Ausdehnung, in die er insofern die Natur einbezog. Die Laien folgten in der Regel den strengen, mathematisch bedingten Gedankengängen des einsamen jüdischen Scholastikers nicht, ihr Pantheismus war eine Vergöttlichung der Natur. Nachdem Gott lange als sittliche Macht im Gewissen verherrlicht worden war, wollten sie in der göttlich-mütterlichen Natur ruhen, sich eins mit ihr fühlen, in ihr untergehen.
Als eine wundervolle Frucht dieses gefühlsmäßigen Pantheismus entstand um die Wende des 16. Jahrhunderts die Landschaftsmalerei; es ist kein Wunder, daß sie hauptsächlich in Holland, der Heimat Spinozas, gepflegt wurde. Zuerst erschien die Landschaft als eine Beigabe zu dargestellten Menschen. Auf den Porträts des 15. und 16. Jahrhunderts blickte man wohl am Antlitz des Mannes oder der Frau vorüber durch ein Fenster auf einen ein Tal durchströmenden Fluß oder auf eine einen Felsen krönende Burg, die auf des Dargestellten Beziehung zur heimischen Erde deutete. Auf den Bildern des 1578 in Frankfurt geborenen Adam Elsheimer, Wunderwerken kleinen Formats, die die Zeitgenossen entzückten, war die Landschaft der hauptsächliche Gegenstand, den der Mensch begleitete. Ob er die Predigt des Täufers oder eine mythologische Szene, eine antike Idylle malte, die Personen waren gleichmäßig verschlungen in Wäldern und Gewässern und bläulicher Ferne. Die handelnden Figuren seiner Geschichte sind eigentlich die Bäume, Urväter der Menschen, ehrwürdige Häupter, die überwunden haben, was jene noch quält. Der feierliche Choral ihrer Stimme voll unaussprechlicher Weisheit rauscht über dem bunten Geschick der Menschen hin, ihre Drangsal beschwichtigend, ihre Lust und Freude auslöschend. Das Aufblinken eines Teiches, eine Blume, die aufblüht oder sich entblättert, das Lodern einer Flamme ist wesentlicheres Geschehen als die Tragödien der Menschheit. Daß die Menschen auf diesen Bildern oft mit leichtem Fuß vorübereilen wie Joseph und Maria auf der Flucht nach Ägypten oder Tobias mit dem Engel, scheint darauf hinzudeuten, daß die Natur das Dauernde, der Mensch etwas Unstetes, Vorübergleitendes ist. Architektur kommt auf Elsheimers Bildern fast nur in Gestalt von Ruinen vor, Menschenwerk, das allmählich wieder in die Natur zurückbröckelt.
Manchmal, besonders wenn auf der Wiedergabe die Farbigkeit dieser Bilder wegfällt, möchte man Elsheimer einen Vorläufer Rembrandts nennen, jenes großen germanischen Künstlers, der vier Jahre vor Elsheimers Tode geboren wurde, obwohl er, ganz verschieden von Elsheimer, der