Worauf die Affen warten - Krimi. Yasmina Khadra. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Yasmina Khadra
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726355086
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Die Freiheitskämpfer haben mich wie einen Helden begrüßt ... Heute noch frage ich mich, was wohl aus mir geworden wäre, wenn Emma mich anders behandelt hätte. Eines ist sicher: ich hätte keinen Grund gehabt, mich den Widerstandskämpfern anzuschließen. Vermutlich hätte ich bis heute hinter meinem schmierigen Tresen gestanden und Bierflaschen entkapselt. Umgeben von einem Harem kreischender Huren und schüchterner Wichser, deren Selbstwertgefühl keine Freundin in freier Wildbahn hergibt.«

      »Warum erzählen Sie mir diese Geschichte, Hadsch?«

      »Damit ich Sie später nicht daran erinnern muss, was ich alles für Sie getan habe. Ich möchte meine Tage friedlich auf meinem Greisenbett beschließen, umgeben von meinen Trophäen und den treuesten meiner Höflinge.«

      »Ich würde es niemals wagen, die Hand gegen Sie zu erheben.«

      »Ich fürchte, Ihr Arm reicht nicht an mich heran. Aber ich habe viel erlebt. Und ich weiß, dass eine Viper keinen großen Anreiz braucht, um großes Unheil anzurichten.«

      »Ich bin in Ihren Augen bloß eine Viper?«

      »Wenn Sie ein Orang-Utan wären, würde man das sehen!«

      Ed Dayem steckt den Hieb gelassen weg. Drei Jahrzehnte auf Tuchfühlung mit den Dinosauriern der Republik waren nicht genug, um ihm Eintritt zu dieser Kaste zu verschaffen. Sein kolossales Vermögen, das exorbitante Netz seiner Beziehungen reichten nicht aus. Der Kreis der Rboba ist ein eigener Kosmos. Für jeden Nichteingeweihten ein fatales Labyrinth. Und Ed kennt sie alle, kennt ihre Karrieren, die gepflastert sind mit menschlichen Gerippen, tödlichen Fallen und heimlichen Schätzen. Er kennt ihre Methoden und ihre Ruchlosigkeit: der ihrer Feinde immer einen Schritt voraus. Und doch ist es ihm nicht eine Sekunde lang geglückt, ihr Vertrauen zu erringen. Eifersüchtig hüten sie ihre Macht und ihre blickdichten Logen. Lassen ihn nie in den Hexenkessel ihrer Komplotte blicken. Nehmen seine Dienste nur sporadisch in Anspruch und nur, um die eigenen Pfründe zu sichern. Um ihn danach wie einen gemeinen Handlanger wieder zu entlassen.

      Ed Dayem hasst es, so behandelt zu werden, doch die Angst, die ihm die Alleinherrscher über Algier einflößen, lässt für Gefühlsregungen oder narzisstische Anwandlungen keinen Platz. Nur wer das kleinere Übel geduldig erträgt, bleibt von Schlimmerem verschont. Eine Woche, bevor er sich in der Irrenanstalt erhängte, in die seine Rechtschaffenheit ihn geführt hatte, hat ein namhafter Gewerkschafter Folgendes an die Wand seiner Zelle geschrieben: Ich gebe auf. Die Rboba von Algier werden nie krepieren. Wenn es keine Sterne mehr am Himmel gibt, wenn die Sonne erloschen sein wird, die Götter ihre Seele ausgehaucht haben, werden die Rboba noch immer da sein, über der Asche einer verschwundenen Welt werden sie thronen und ihre Intrigen gegen die Finsternis schmieden, ihr eigenes Echo belügen, mit der linken Hand die rechte bestehlen und hinterrücks ihren eigenen Schatten erdolchen.

      »Sie sind ungerecht, Hadsch.«

      »Wir haben immer mit offenen Karten gespielt.«

      »Was erwarten Sie von mir?«

      »Endlich mal eine vernünftige Frage.«

      Hamerlaine greift nach einer Zeitung auf seinem Schreibtisch und schleudert sie seinem Besucher entgegen:

      »Da, schon wieder dieser Idiot von Amar Daho ...«

      Ed Dayem fängt die Zeitung auf und überfliegt sie in fiebernder Hast. Amar Dahos Foto prangt auf der Titelseite, dazu ein zweispaltiger Leitartikel.

      »Ich dachte, ich hätte Sie gebeten, den Herausgebern nahezulegen, dass dieser Mistkerl totgeschwiegen wird.«

      »Es steht ihnen doch frei, welche Orientierung sie ihren Zeitungen geben wollen. Das sind nicht unsere Freunde, das ist unsere Konkurrenz. Und alle sind sie auf Polemik und Skandale angewiesen, um ihre Blätter an den Leser zu bringen. Nur so funktioniert es.«

      »Das ist nicht mein Problem. Sehen Sie zu, dass kein Mensch diesem Mistkerl mehr ein Forum gibt.«

      »Dann wird man sie schmieren müssen.«

      »Dann schmieren Sie sie, so viel Sie können, bis es ihnen zu den Ohren rauskommt. Hauptsache, dass dieser Daho nirgends mehr einen Fuß auf den Boden bekommt. Ich will nicht den leisesten Atemzug mehr von ihm hören.«

      »Aber er ist doch nur ein Holzkopf. Seine Stimme trägt nicht weiter, als er spucken kann. Er ist es noch nicht mal wert, dass man sich an ihm die Schuhe abwischt. Er ist nur ein Furz auf einem Tennisplatz.«

      »Der mir die Luft verpestet.«

      »Logisch bei einem Aas, das bis heute nicht beigesetzt ist. Er war Minister, und Sie haben ihn vom Thron gestürzt. Er war vermögend, und Sie haben ihn ruiniert. Er hatte seine Netzwerke, und Sie haben ihm nichts als seine Tränen gelassen. Selbst mit dem modernsten Tauchgerät käme man nicht in die Abgründe, in die Sie ihn gestoßen haben.«

      »Aber das reicht mir nicht. Ich will, dass man ihm ein für alle Mal das Maul stopft. Vor einer Woche hat er einen Artikel in einem Magazin im Ausland publiziert und war Gast in einer Polit-Talkshow in Al-Dschasira. Zwei Tage später kommt er mit einer donnernden Anklageschrift und trompetet überall herum, dass er ein Opfer seiner Kompetenz und Redlichkeit geworden ist, und dass die ganze Intrige um seine Person nur dazu dient, ihn in der Öffentlichkeit anzuschwärzen, damit er nicht bei den Senatswahlen antritt. Er hat sogar angekündigt, jetzt erst recht zu kandidieren und allen Kontrahenten zu zeigen, wo der Hammer hängt. Und dann hat der Dreckskerl es gewagt, meinen Namen zu nennen. Er sagt, ich sei es, der auf seinen Skalp scharf ist.«

      »Da hat er nicht mal gelogen.«

      »Irrtum, Eddie. Wenn ich auf jemandes Skalp scharf bin, dann ziehe ich ihm das Fell bei lebendigem Leib über die Ohren. Ich wollte ihm nur eine Lektion erteilen. Aber er hat offenbar nichts daraus gelernt. Und diesmal werde ich wirklich seinen Skalp als Fußmatte verwenden.«

      »Wie das?«

      »Die Presse, das sind Sie! Unter Ihrer Regie laufen sechs Tageszeitungen, zwei Wochenzeitungen und eine Webseite. Das ist mehr als genug, um jedes beliebige räudige Schaf zu skalpieren.«

      »Mediales Mobbing hat seine Grenzen. Wenn man übertreibt, werden die Leute misstrauisch. Sie nehmen nicht alles für bares Geld, was ihnen aufgetischt wird.«

      »Bare Münze«, korrigiert Hamerlaine.

      »Wieso bare Münze? «

      »Man nimmt etwas für bare Münze.«

      »Ist doch egal, wie man sagt, Hauptsache, man versteht, was gemeint ist.«

      »Eddie, wir haben Sie einbestellt, damit dieser Hurensohn ein für alle Mal verstummt. Durchforsten Sie sein Leben, jeder hat irgendwo eine Leiche im Keller. Und wenn Sie keine finden, dann packen Sie ihm eine rein, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Ich will, dass er im Schlamm versinkt, in einem solch stinkenden Schlamm, dass sogar der Todesengel sich davor ekelt, ihn holen zu kommen.«

      Ratlos dreht und wendet Ed Dayem die Zeitung in seinen Händen. Er weiß, dass sein Schicksal besiegelt ist. Dass das, was ein Rboba anordnet, getan werden muss. Krampfhaft schluckt er seinen Speichel hinunter, atmet ein, atmet aus, wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Das Surren der Klimaanlage tost in seinen Schläfen wie ein böser Wind.

      »Glauben Sie, dass ...«, stammelt er.

      »Ich glaube überhaupt nichts, Eddie. Wer die Meinung beherrscht, beherrscht die Wahrheit, und es muss keine heilsame Wahrheit sein. Denken Sie nur an unsere Devise, als das Parteikomitee Ihnen die Leitung unserer medialen Streitmacht anvertraut hat: Wahrheit ist das, was die Leute für wahr halten. Jede noch so heilige Wahrheit, die nicht hiebund stichfest ist, ist bloße Behauptung, und jede Ungeheuerlichkeit, die unwiderlegbar ist, ist absolute Wahrheit.«

      Ed Dayem nickt unschlüssig:

      »Ich will sehen, was sich tun lässt.«

      »Für mich ist es schon getan. Ich warte nur noch auf die Bestätigung ... Sie können jetzt gehen. Ich muss gleich zur Dialyse. Mein Chauffeur bringt Sie in die Stadt.«

      »Bemühen Sie ihn