Sie tritt aus der Hütte.
Vorfrühlingszeit! Draußen atmet alles Ruhe und Frieden. Die Sterne leuchten in wundervoller Klarheit, und der Mond steht hell am Himmel.
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Die Bewohner der fünf Kirchspiele Königsbüll, Volsbüll, Bopslut, Bopsee und Boptee wußten nicht, was sie sagen und denken sollten. Von Haus zu Haus hatte sich die alte Meike geschleppt und verkündet, daß der Untergang Nordstrands bevorstehe. Eine ungeheure Angst spiegelte sich in ihren Zügen, und sie sprach wie eine Prophetin.
Die meisten lachten über sie, deuteten auf die Stirn und meinten, sie habe ihren Verstand jetzt vollkommen verloren. Andere waren der Ansicht, es sei ihr schlechtes Gewissen, das ihr solche Bilder vorgaukelte. Aber so selbstsicher sie auch auftraten, sie konnten sich doch einer geheimen Furcht nicht erwehren; denn jedermann im Koog wußte, daß sie den nahen Tod schon manchem Bauern und mancher Bäuerin vorhergesagt hatte, und daß ihre Voraussagungen sich stets erfüllten.
Von Harde zu Harde sprang die Schreckensbotschaft, Angst und Unruhe verbreitend. Die Deichgrafen ritten die Dämme ab, überall fanden sie etwas auszusetzen, und es gab Arbeit und Mühe vollauf.
Längst war die schlimme Prophezeiung auch auf dem festen Lande bekannt geworden. Die meisten Landhelfer weigerten sich daher, auf der Insel Dienst anzunehmen. Aus Jütland wurden Saisonarbeiter herangezogen; aber auch diese erfuhren von der Weissagung und kehrten zum größten Teil nach kurzem Aufenthalt in ihre Heimat zurück.
Eines Nachts lud Take Küten seine geringen Habseligkeiten auf einen Handwagen, und am anderen Morgen fanden Nachbarn sein Häuschen leer und verlassen.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht im Kooge.
Bald darauf siedelten noch mehrere kleine Katenbesitzer nach der Pellwormharde über.
Nun verließen auch Knechte und Mägde, die schon seit vielen Jahren auf den Höfen dienten, die Insel. Sie waren weder durch Geld noch gute Worte zu halten.
Mangel an Arbeitskräften machte sich bemerkbar.
Mit Ingrimm betrachteten die Hofbesitzer ihre hohen Halden, ihre ‚goldenen Ringe‘, die Festungswällen gleich jeden Koog umgürteten und schützten.
Wahnsinn war es, an die Hirngespinste der alten Meike zu glauben! Wohin sollte es führen, wenn diese Landflucht noch weiter um sich griff?
Es gab nur ein einziges Mittel; man mußte die Alte zwingen, zu widerrufen.
Eine stürmische Thingversammlung wurde abgehalten. Meike weigerte sich, auch nur ein einziges Wort von dem, was sie gesagt hatte, zurückzunehmen, und beschwor jeden, dem sein Leben lieb sei, auf ihren gut gemeinten Rat zu hören.
Per Godbersen verlangte, man solle sie zu Gottorp in den Turm werfen lassen, denn sie sei eine Hexe und werde auf der Folter schon gestehen, daß sie mit dem Teufel ein Bündnis geschlossen habe und solche tollen Gerüchte nur aussprenge, um die reichen Hofbesitzer, die sie hasse, zu schädigen.
Erk Knudsen trat ihm entgegen. Sie seien freie Friesen und benötigten weder die Hilfe holsteinischer Herzoge noch der Pfaffen, um Recht zu sprechen. Meike werde einen schweren Traum gehabt und diesen für Wahrheit gehalten haben. Sie sei in der guten Absicht zu den Leuten gekommen, Unheil abzuwenden, und unmöglich könne man sie hierfür strafen.
Die Versammelten gingen in Uneinigkeit auseinander.
Der Glaube, daß die Alte eine Hexe sei, fand wieder reiche Nahrung; und es waren nicht wenige, die ihr nach dem Leben trachteten.
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Frühling und Sommer gingen vorüber, und der Herbst hielt seinen Einzug.
In einer wolkenschweren, finsteren Septembernacht findet Frauke keine Ruhe. Sie verläßt ihr Lager, wirft sich notdürftig Kleidung über und setzt sich an das Bettchen ihrer kleinen Jongbon. Friedlich schlafend liegt das Kind; ein glückliches Lächeln umspielt seine Lippen. Vielleicht träumt es von der Himmelswiese und sieht sich von Englein umgeben.
Ein furchtbarer Schmerz preßt das Herz der jungen Mutter zusammen. Wer weiß, wie bald vielleicht schon der Traum zur Wahrheit werden wird.
Ihr deucht es, als werde ein Licht angezündet und gleich darauf wieder ausgelöscht. Nun wiederholte sich die merkwürdige Erscheinung.
Frauke blickt zum Fenster hinaus. — Was ist das? — Dort hinten, in weiter Ferne, färben sich die Wolken rot. Ein gespenstischer, flackernder Schein geistert durch die Finsternis. Ein unheimliches Bild! Immer weiter breitet sich die Helle aus; blutrot erscheint der Himmel. Plötzlich ist der Spuk verschwunden. Noch ein paar Mal zuckt es auf wie ein im Verlöschen befindliches Feuer; dann liegt da draußen wieder alles in undurchdringliche Nacht gehüllt.
Blitzartig kommt es der jungen Frau in den Sinn, der Brand müsse zwischen dem Binnensee und dem Deiche gewütet haben. Aber dort befand sich ja nur Meikes Hütte!
Wie eine Bestätigung des Gedankens erschallt unvermittelt ein lautes Knacken. Frauke läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie entzündet ein Licht. Die Uhr zeigt auf zwei. Sie ist stehen geblieben, ihr eifriges Ticken verstummt. Eine lähmende, beängstigende Stille erfüllt den Raum.
Schreiend erwacht das Kind. Die junge Mutter nimmt es an sich und legt schützend den Arm um die kleine Jongbon.
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Im ersten Morgengrauen verlassen Erk und Frauke die Wurft. Ein trüber, bleigrauer Himmel liegt über der Insel. Rüstig schreitet das junge Paar vorwärts. Kein Wort wird gesprochen. Wie ein Alp lastet es auf den beiden Menschen.
Nun haben sie das Ufer des Sees erreicht, und bald darauf befinden sie sich im Unterholz. Je mehr sie sich der Behausung der alten Meike nähern, ein um so unerträglicherer Brandgeruch schlägt ihnen entgegen.
Endlich befinden sie sich am Ziel.
Erschüttert bleiben sie stehen.
Glimmendes Buschwerk, am Boden hinkriechende, gelbgraue Rauchschwaden, verkohltes Holz und ein unentwirrbarer Trümmerhaufen, um den noch immer, Kobolden gleich, kleine Flammen hüpfen, und dem ein stickiger, dichter Qualm entsteigt, bietet sich ihren Blicken.
Mit vieler Mühe haben sie sich einen Weg gebahnt. Ganz hinten, im äußersten Winkel der Erdhöhle liegt Meikes Körper, von den Flammen halb verzehrt. Welche Qualen mußte die Ärmste erlitten haben, ehe sich der Tod ihrer erbarmte!
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Der Hardesvogt hat festgestellt, daß ohne Zweifel Mord und Brandstiftung vorliegen. Der Täter ist mit unerhörter Grausamkeit zu Werke gegangen. Blinder, fanatischer Haß nur konnte der Beweggrund gewesen sein.
Ein Schrei der Entrüstung geht über die Insel. Selbst die, die Meike eine Hexe genannt, sie verwünscht und zu ihren Lebzeiten schreckliche Drohungen gegen sie ausgestoßen haben, sind jetzt, da das Entsetzliche geschehen ist, ernüchtert und hassen den feigen Mordbuben.
Niemand hätte sagen können, woher das Gerücht gekommen ist, und wer es zuerst in Umlauf setzte; aber bald flüsterte man von Mund zu Mund, kein anderer als Per Godbersen habe Meike umgebracht. Wo er sich sehen läßt, meidet man ihn. Lauter und lauter erschallt der Ruf nach Sühne. Auch dem Hardesvogt kommen diese Reden zu Ohren. Er ist ein gewiegter Beamter; aber so geschickt er es auch anstellen mag, er bringt bei seinem Verhör nichts aus Per heraus, was eine Festnahme gerechtfertigt hätte. Trotzdem ist er fest davon überzeugt, den Täter vor sich zu haben.
In Pers Augen liegt ein unruhiger, lauernder Ausdruck wie bei einem Menschen, dessen Gewissen mit einer schweren Schuld belastet ist, und der dauernd darauf bedacht sein muß, sich keine Blöße zu geben.
Im Dorfkrug hocken die Bauern dicht an einander gepfercht. Wie Gewitterschwüle lagert es über den Versammelten.
Da wird die Tür aufgerissen. Ein vierschrötiger Mann mit schneeweißem Gesicht tritt ein. Seine schwarzen Haare hängen ihm wirr über