Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11. Inger Gammelgaard Madsen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inger Gammelgaard Madsen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726094862
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da das Profil seit Iris’ Verschwinden nicht in Benutzung war. Es wurde von der Familie gelöscht, nachdem es drei Wochen lang kein Lebenszeichen von ihr gegeben hatte. Allerdings ist es erst vor Kurzem vollständig aus dem Netz verschwunden, aber das ist offenbar normal, wenn ein Facebook-Konto geschlossen wird.“

      Roland wusste nicht besonders viel über so etwas. Er war nicht bei Facebook. Seine Enkelin Marianna schon und sie war die ganze Zeit mit ihren Updates, Statusmeldungen oder, wie auch immer sie das nannte, beschäftigt.

      „Was ist mit dem Handy? Heutzutage kann ja kein Jugendlicher ohne leben, also muss sie doch eins gehabt haben“, behauptete Liam.

      „Es ist leider trotz intensiver Suche in der Umgebung nicht aufgetaucht. Hafid und ich sind gestern Abend noch mal ihr Zimmer durchgegangen, als wir mit ihren Eltern gesprochen haben. Ihr Vater, August Bøgh Lykkegaard, ist Augenarzt und hat eine Klinik hier in Aarhus. Seine Frau hilft in der Klinik als Sekretärin. Sie waren nicht der Meinung, dass es notwendig wäre, dass wir das Zimmer ihrer Tochter sehen, da es schon untersucht wurde, als sie vor zwei Monaten verschwand, aber wir bekamen trotzdem die Erlaubnis. Hat leider nichts gebracht.“

      Hafid schüttelte den Kopf. „Es sah aus, als hätte sie die wichtigsten Dinge bei sich. An der Wand hingen fast nur ihre eigenen Zeichnungen. Offenbar war sie ziemlich talentiert.“

      Roland nickte.

      „August Bøgh Lykkegaard?“, wiederholte Emily. „Ist das nicht der, der neulich wegen der Erforschung der Regenbogenhaut im Fernsehen war?“

      „Ja, stimmt. Er forscht in Iridologie.“

      „Iridologie? Was soll das sein?“, fragte Hafid.

      Kim räusperte sich. „Diese Technik lässt sich bis ins 17. Jahrhundert zurückführen; doch Mitte des 19. Jahrhunderts machte ein ungarischer Junge eine Entdeckung bei einer Eule. Ihr linker Flügel war gebrochen und er bemerkte einen Strich im entsprechenden Auge. Als der Flügel verheilt war, verschwand der Strich im Auge. Dieses Erlebnis vergaß er nie. Als er später Mediziner geworden war, fing er an, menschliche Augen zu untersuchen, um herauszufinden, ob man anhand der Iris Krankheiten erkennen konnte.“ Kim rückte seine Brille zurecht. „Das nennt man auch Irisanalyse.“

      Roland schmunzelte unmerklich. Manches in der Abteilung hatte sich nicht verändert; Kim Ansager war immer noch das allwissende Orakel des Polizeipräsidiums.

      „Ja, ich weiß das nur, weil meine Oma Heilpraktikerin ist und diese Methode auch nutzt“, fügte Kim beinahe verlegen hinzu.

      „Irisanalyse, und dann nennt er seine Tochter Iris – ist das nicht ein bisschen …?“ Emily gestikulierte mit der Hand vor sich in der Luft und kam nicht auf das Wort.

      „Also kein Handy“, fasste Liam zusammen.

      „Nein, aber wir haben auch noch nicht den Tatort gefunden. Sie wurde nicht im Boot getötet, meinen die Techniker. Wir wissen nicht, ob es derselbe Täter ist wie der, der Martha Bæk getötet hat. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Iris ging auf die Askholt Privatschule. Wir müssen mit all ihren Klassenkameraden reden. Sie hat auch einen Bruder.“ Roland schaute wieder in die Unterlagen. „Er heißt Jakob, ist 24 Jahre alt und Geschäftsführer bei ‚Security Scan‘, einer Firma, die fortschrittliche Sicherheitssysteme unter anderem für Flughäfen und das Militär entwickelt.“

      „Ganz schön jung, um Geschäftsführer in so einer Firma zu sein“, fand Emily.

      Roland nickte. Das hatte er auch gedacht.

      Kapitel 3

      Zwei lokale Morde brachten die Redaktion von TV2 Ostjütland zum Kochen. Das blaue Hemd des Nachrichtenchefs hatte dunkle Schweißflecken unter den Armen, als er die Anzugjacke auszog, und er gab so schnell und fieberhaft Anweisungen, dass man glauben konnte, er fürchtete, die Morde würden aufgeklärt werden, bevor sie es schafften, sie in den Nachrichten zu erwähnen.

      Anne Larsen reagierte etwas gelassener. Sie kannte die Arbeit der Polizei und wusste, dass ein Mord selten innerhalb einer Stunde aufgeklärt wurde. Jetzt war zwar Roland Benito ins Polizeipräsidium zurückgekehrt, sogar mit einem neuen Titel, Hauptkommissar, aber trotzdem. Bei dem Gedanken lächelte Anne in sich hinein. Sie hatte das Gefühl, dass sie in den Jahren, in denen er in der Polizeibehörde gearbeitet hatte, ein engeres Verhältnis zueinander entwickelt hatten, deswegen rechnete sie auch damit, dass er ihr gegenüber offener mit Informationen sein würde als früher. Bei dem Interview zu seiner neuen Stellung war er jedoch etwas reserviert gewesen. Natürlich hatte die Moderatorin Jytte Thomsen es geführt. Irgendwie war es ihr gelungen, den Redaktionsleiter und den Nachrichtenchef davon zu überzeugen, dass Anne nicht dazu geeignet war, hochrangige Persönlichkeiten zu interviewen, weil sie mit ihrer etwas zu freimütigen Art sicher irgendwem auf den Schlips treten würde. Anne verstand den Sinn dahinter nicht, aber als sie das zu Jytte sagte war die Antwort, dass diese Entscheidung genau deshalb getroffen worden war.

      „Die Eltern haben zugestimmt, vor die Kamera zu treten. Wir haben die Erlaubnis, sie vor der Gedenkfeier heute Abend zu interviewen, über die wir selbstverständlich auch berichten. Hast du Zeit, Anne?“

      Anne tat überrascht.

      „Ich? Ja, aber ist August Bøgh Lykkegaard denn nicht eine bedeutende Persönlichkeit? Eine von denen, in deren Nähe ich nicht kommen darf?“, fragte sie spöttisch und sah Jytte übertrieben fragend an.

      „Anne!“, wies der Nachrichtenchef sie zurecht. „Jetzt sei mal nicht so kleinkariert. Du kriegst es doch wohl hin, mit den Hinterbliebenen zu sprechen, ohne einen Skandal zu verursachen, oder?“

      Anne zuckte bloß die Schultern und starrte Jytte weiter an, die tat, als ob sie es nicht mitbekäme, und wie eine Verrückte auf ihren Notizblock schrieb.

      „Wenn du mit den Eltern sprichst und später zusammen mit Flash an dem Gedenkgottesdienst teilnimmst, können Noa Marie und Ninna zu Martha Bæk nach Hause fahren. Von ihren Kindern und Enkeln will niemand ins Fernsehen. Sie sind viel zu schockiert. Es ist noch nicht lange her, dass sie ihren Vater und Opa verloren haben, daher sind sie schwer getroffen, aber wir brauchen trotzdem einen Beitrag über den Mord. Denk auch daran zu erwähnen, dass ihr Hund vor ihren Augen getötet wurde. Ihr könnt auch an die Stelle beim Norsminde Fjord fahren, wo es passiert ist. Das kriegt ihr allein hin, oder, Noa Marie?“

      Die Journalistin nickte.

      „Okay, dann mal los.“

      Anne sah sich nach Flash um. Er hatte es nicht mehr zum Meeting geschafft, nachdem er mit einem der anderen Journalisten nach Aarhus West gefahren war, wo es wieder Unruhen gab, und keiner der anderen Kameraleute war frei. Sie begann zu fürchten, dass Flash von einem Querschläger getroffen wurde. Der Bandenkonflikt da draußen schwelte unter der Oberfläche.

      Als sie sich auf ihren Stuhl setzte, sah sie ihn aus dem Aufzug aus der Tiefgarage kommen. Er begab sich an seinen Platz und war mit dem Computer beschäftigt.

      „Hast du Zeit, Flash?“, fragte sie.

      Er antwortete, ohne sie anzusehen. „Ich muss erst noch diese Aufnahmen sichten. Die Lage in Gellerup eskaliert, wenn nicht eingegriffen wird. Da geht es bald zu wie im Wilden Westen.“

      Anne wartete geduldig.

      Zehn Minuten später stand er auf und war startklar.

      „Was liegt an?“ „Wir sollen nach Malling. Mit Iris Bøgh Lykkegaards Eltern sprechen. Sie wollen gerne bei einer Reportage heute Abend dabei sein, wo wir auch über die Gedenkfeier für ihre Tochter berichten. Da kommen wohl richtig viele Menschen zu einem Fackelumzug.“

      „Okay.“ Flash hatte in einen Apfel gebissen und kaute, als ob er fast vor Hunger stürbe. Er nickte mit vollem Mund. „Ich habe keine anderen Verpflichtungen“, nuschelte er.

      Die Dämmerung war angebrochen, als sie nach etwas mehr als einer halben Stunde in Malling ankamen. Die Straßenverhältnisse waren nicht die besten wegen des frisch gefallenen Schnees, der sich auf die vereisten Wege gelegt hatte, sodass Anne sich