»Das glaube ich nicht«, hauchte sie entsetzt und schüttelte ungläubig den Kopf. Warum sollte Savior diesen Typen einfach gehen lassen? Er stellte eine Gefahr dar. Das würde Savior nicht in Kauf nehmen, oder doch? Und was bedeutete das für sie? War sie noch in Gefahr oder hatte Savior das Problem gelöst, genau wie er es mit Teddy getan hatte?
»Geht es dir gut? Du siehst blass aus.«
»Ich muss nach Hause«, stammelte sie, griff ihre Taschen und rannte los, um das Einkaufszentrum zu verlassen. Damians Rufe ignorierte sie dabei gekonnt.
Sie achtete nicht auf den Weg oder die Menschen auf den Straßen. Abby hatte sich gar keine Gedanken um Francine und die anderen gemacht und war automatisch davon ausgegangen, dass Savior sich darum gekümmert hatte.
Wie naiv sie doch war!
Wie hatte sie sich nur auf jemand anderen verlassen können? Das sah ihr doch gar nicht ähnlich.
»Dad?«, rief sie beim Eintreten in das Haus und stellte ihre Taschen auf dem Boden ab. »Wir müssen auf der Stelle reden!«
Sie musste wissen, was der wahre Grund für seinen Umzug war und wieso es niemand für nötig gehalten hatte, ihr von den verschwundenen Personen zu erzählen. Immer wurde sie wie ein kleines Kind behandelt, aber damit war Schluss. Es ging genauso um ihr Leben, wie um das der anderen. Abby war nicht weniger wert. Auch wenn sie sich bitter eingestehen musste, dass die Sinners bei Savior nun mal über jedem standen.
Sie stieß die Tür zur Küche auf und blieb wie erstarrt stehen. Ihr Dad saß mit Cutter und Dom ganz harmonisch zusammen, eine Kanne Kaffee und Kekse auf dem Tisch. Das war ein Anblick, mit dem sie im Leben nicht gerechnet hätte. Was sie natürlich sogleich misstrauisch machte.
»Hey Krümel, du hast Besuch.«
»Das sehe ich. Was macht ihr hier?«
Cutter grinste. Er sah noch leicht lädiert aus, sein Schneidezahn war jedoch ersetzt worden. Nur wer genau hinsah, konnte den Farbunterschied zwischen den Zähnen erkennen. Für Abby blieb er trotzdem eine Augenweide.
»Das mit der freundlichen Begrüßung üben wir aber noch mal, Süße.«
»Stimmt. Entschuldige.« Sie umarmte die beiden Männer und setzte sich zu ihnen an den Tisch.
Ihr Dad stand auf und verabschiedete sich.
Abby freute sich ehrlich, Dom und Cutter zu sehen, glaubte aber nicht daran, dass sie nur zufällig in der Gegend waren und nach ihr schauen wollten.
»Wir wollten sehen, wie es dir geht.« Dom knabberte an einem Schokokeks. »Immerhin haben wir schon seit Wochen nichts mehr von dir gehört.«
Der Vorwurf traf sie hart. Sie hatte angenommen, dass die Jungs nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten, nachdem sie einfach gegangen war. »Ich war beschäftigt und der Meinung, ihr würdet keinen Kontakt mehr wollen. Aber ich habe ein paar Mal mit Hailey telefoniert.«
»Bullshit! Du bist doch eine von uns. Hailey hat davon gar nichts erzählt. Oder wusstest du davon?« Dom sah Cutter fragend an.
»Wir hatten nicht viel Kontakt in letzter Zeit.«
»Redet ihr immer noch nicht miteinander?« Abby seufzte. »Das ist doch langsam albern. Ihr seid beste Freunde – wie Pech und Schwefel und so weiter.«
»Hailey war ständig unterwegs und ich auch. Ende vom Lied. Erzähl mir mal lieber, warum du einfach abgehauen bist!«
Abby kaute innen auf ihrer Wange herum. Das war ein Thema, über das sie nicht reden wollte. Also zuckte sie einfach nur mit den Schultern und musterte die Fliesen auf dem Küchenboden.
»Wie geht es denn Cassy?«, fragte sie stattdessen und sah unverwandt Dom an, von dem sie hoffte, er würde sie nicht mit bohrenden Fragen nerven.
»Ganz gut, ihr Bauch wächst und Thug fährt sie regelmäßig zu den Arztterminen. Sie zickt immer noch oft herum, die meisten gehen ihr aus dem Weg.«
Cutter schnaubte. »Für mich ist immer noch unbegreiflich, wie jemand überhaupt auf die Idee kommen konnte, sie zu ficken.«
»Sie ist schon heiß, dagegen kann nichts gesagt werden«, warf Abby ein.
»Ihr Charakter macht sie hässlich.«
»Was ist denn mit ihrem Verlobten, kann der sie nicht fahren?«
Dom und Cutter tauschten einen kurzen Blick. Dom antwortete: »Der ist wohl noch im Haus von Savior und darf das Gelände vom Club nicht betreten. Kontakt zu Cassy hat er anscheinend auch nicht.«
»Wieso denn das? Er ist immerhin der Vater des Kindes, da sollte er seine Verlobte schon zum Arzt fahren und besuchen dürfen.« Ihr fiel noch etwas anderes ein und sie äußerte süßlich: »Die Gefahr ist doch gebannt, warum kann sie nicht zurück ins Haus?«
Wieder wurden Blicke getauscht.
Cutter räusperte sich. »Das entspricht leider nicht ganz der Wahrheit, Süße.«
»Krümel?«, rief plötzlich ihr Dad. »Hier ist Besuch für dich.«
Auf einmal raste ihr Herz. War Savior gekommen? Warum sonst sollte ihr Dad jemanden ankündigen? Sie befeuchtete sich die Lippen und stand auf. Lagen ihre Haare oder sah sie wie eine Vogelscheuche aus? Weshalb hing hier kein Spiegel?
Abby zauberte ein kleines Lächeln in ihr Gesicht … das prompt in sich zusammenfiel, als sie sah, wer durch die Tür kam.
»Was will der denn hier?«, knurrte Dom.
»Ich bringe Abby nur ihre Unterwäsche. Die hat sie vorhin vergessen.« Damian hielt eine kleine Tüte hoch und schwenkte sie siegesgewiss am Zeigefinger.
Dom zog sein Smartphone aus der Hosentasche. »Was gibt’s, Boss?« Er gab ein paar zustimmende Geräusche von sich. »Ich bin mit Cutter unterwegs. Geht klar, ich setze ihn dort ab und komme im Anschluss zu dir.« Er beendete das Gespräch und sagte zu Cutter: »Auf geht’s, Prinzessin. Du sollst ins Triple D und ich muss in eins der neuen Laufhäuser.«
Abby kniff die Lippen fest zusammen. Warum war Savior in einem Bordell? Ihr wurde schlecht. Trotzdem lächelte sie tapfer, während die beiden Männer sich verabschiedeten.
»Savior ruft springen, und alle fragen wie hoch«, spottete Damian, setzte sich wie selbstverständlich an den Tisch und mampfte ihre Kekse auf.
Dabei wäre sie mit ihrem Selbstmitleid jetzt viel lieber alleine gewesen.
KAPITEL 2
Savior blickte skeptisch an dem Gebäude hoch, nachdem er es einmal komplett umrundet hatte. Hier sollte sich das beste Bordell der Raiders befinden? Er rümpfte die Nase. Das Haus sah ja noch heruntergekommener aus, als das Triple D. Und das wollte was heißen!
Er stieß die Tür auf und trat in das Innere des Gebäudes. Abermals rümpfte er die Nase, diesmal aus einem anderen Grund. Es stank nach abgestandenem Schweiß, billigem Parfüm und Sex. Die wenigen Frauen, die sich im Vorraum herumtrieben, zuckten bei seinem Anblick ängstlich zusammen. Zwei von ihnen klammerten sich hilfesuchend aneinander. Savior verschaffte sich einen Überblick. Verschlissene Möbel, abgewrackte Nutten und billiger Schnaps in den Regalen. Was machte diesen Ort zu einer der besten Einnahmequellen der Raiders?
»Wo sind die anderen Frauen?«, fragte er und stemmte die Hände in die Hüften.
Eine zierliche Blonde deutete zitternd auf den Gang, der zu den Hinterräumen führte.
»Holt alle her, selbst wenn sie gerade einen Kunden haben. Sagt denen, dass die Runde aufs Haus geht. Ich will mich nicht wiederholen müssen.« Er war jetzt schon genervt,