Sie zuckte zusammen. Ihr Dad saß im Dunkeln im Vorraum des Geschäftsbereichs und starrte nach draußen, das Gewehr griffbereit neben sich.
»Hast du mich erschreckt. Was machst du hier?« Sie stellte sich neben ihn und sah ebenfalls raus, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen.
»Konnte nicht schlafen. Zu viele Gedanken, die nie zur Ruhe kommen.« Er deutete mit dem Zeigefinger rotierend auf seinen Kopf.
Das kannte sie gut. »Was beschäftigt dich?«
»Nichts womit ich dich belasten möchte. Darüber hinaus frage ich mich, ob es nicht das Beste ist, das Haus zu vermieten und die Stadt zu verlassen.«
»Ich hoffe, es ist wichtig«, knurrte Savior angefressen, als Thug und Dom ins Büro kamen. Er zündete sich eine Zigarette an, obwohl er die letzte gerade erst im überfüllten Aschenbecher ausgedrückt hatte. Wer sollte sich daran stören? Es gab schließlich niemanden mehr, der ihn deswegen belehren würde.
Dom und Thug ließen sich auf die zwei Stühle vor Saviors Schreibtisch nieder und verschränkten fast synchron die Arme vor der Brust. Davon ausgehend, dass sie es in den letzten Tagen viel zu oft getan hatten, wenn sie in sein Büro gekommen waren, bedeutete das nichts Gutes. Sie hatten diese widerlich entschlossenen Gesichtsausdrücke.
»Wie fühlst du dich?«
»Gut.« Savior sah Dom misstrauisch an. Was hatte das jetzt zu bedeuten? Würden sie als Nächstes Backrezepte austauschen, nachdem sie einen Gefühlsstriptease hingelegt hatten?
»Wenn sie dir fehlt, warum gehst du nicht einfach zu ihr? Sag ihr, dass du sie liebst und vermisst. Anschließend fickt ihr ´ne Runde und alles ist wieder gut.«
Dom sah Thug kopfschüttelnd an. »Das verstehst du unter vorsichtig und einfühlsam?«
Savior lehnte sich zurück und betrachtete die beiden genervt. Er hatte jetzt schon die Schnauze voll von dem Gespräch.
»Wir können das abkürzen, ich vermisse sie nicht und ich liebe sie nicht. Thema beendet, ihr könnt gehen.«
»Deswegen verbreitest du auch schlechte Laune und fickst alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Nein, Boss, da muss eine Lösung her.«
»Wer bist du – Sigmund Freud?« Saviors Geduld hing ohnehin schon am seidenen Faden, Dom verbesserte die Situation nicht gerade.
»Überlege doch nur mal, wie Abby sich fühlen würde, wenn sie dich jetzt sehen könnte.«
Er atmete tief durch. Ausrasten würde niemandem helfen. Aber zur Hölle, die beiden brachten seinen sehr dünnen, sehr kurzen Geduldsfaden gefährlich nahe ans Reißen. »Wenn sie mich jetzt sehen könnte, hätten wir dieses Gespräch nicht, oder? Das würde nämlich bedeuten, sie wäre noch hier und nicht abgehauen.«
Dom nickte zufrieden und beugte sich etwas vor. »Jetzt kommen wir dem Ganzen doch schon ein großes Stück näher. Wie fühlst du dich, seit sie weg ist? Was empfindest du, wenn du ihren Namen hörst?«
Thug prustete los. »Sag mal, was stimmt nicht mit dir? Hast du irgendwelche Psychoratgeber zum Frühstück gefressen?«
»Über seine Gefühle zu reden, ist eine anerkannte Methode«, behauptete Dom beleidigt. Durch die vielen Narben im Gesicht und am Hals würde niemand darauf kommen, dass er feinfühlig sein konnte und sich immer Gedanken um andere machte. Erst kamen die anderen und dann kümmerte er sich um sich selbst.
»Ich werde garantiert nicht meine Gefühle vor euch auf den Boden kotzen.« Entschieden schüttelte Savior den Kopf. »Als Nächstes bekomme ich noch meine Periode und fange an, Blumen zu pflanzen und Gedichte zu schreiben.«
»Schön, du willst nicht reden? Dann friss den Mist in dich hinein. Aber fang endlich an, dich wieder wie ein Anführer zu benehmen. Macs Frau ist immer noch wegen des Veilchens angefressen, das du ihm verpasst hast, nur weil er Abbys Namen in den Mund genommen hat.«
Thug brummte zustimmend. »Außerdem verbreitet Hailey schlechte Laune, weil du ständig irgendwelche Weiber fickst und sie Abbys Freundin ist.« Er hob eine Augenbraue. »Mir ist das ja prinzipiell egal, aber wenn sie schlechte Laune hat, darf ich nicht ran. Dadurch bekomme ich schlechte Laune. Das ist ein Teufelskreis.«
Savior würde jetzt nicht darüber nachdenken, warum die beiden ihre zum Scheitern verurteilte Affäre wieder aufgenommen hatten. Zumal seine Schwester Cassy immer noch hier wohnte und mit Sicherheit alles andere als begeistert darüber war. Das war doch ein super Beispiel dafür, dass Beziehungen und Liebe im Allgemeinen scheiße waren und zu nichts als Ärger führten.
»Davon mal abgesehen, dass Abby die Club-Matratzen garantiert einen Kopf kürzer machen würde, sollte sie das jemals erfahren.«
Savior blickte nachdenklich nach draußen. Der böse Teil in ihm wollte, dass Abby von den vielen Frauen erfuhr. Nur deshalb machte er diesen Scheiß überhaupt. Nicht, weil er in sein Leben vor Abby zurückwollte oder er Spaß daran hatte, jeden Tag andere Weiber zu ficken. Nein – er wollte, dass sie sich genauso beschissen fühlte wie er. Sie sollte leiden, ihre Entscheidung bereuen und auf Knien angekrochen kommen, darum bettelnd, dass er sie zurücknahm. In seinem Kopf klang das alles logisch und ergab einen Sinn. Er würde sie zunächst zappeln lassen und am Ende wäre sie wieder hier – bei ihm im Clubhaus und in seinem Bett.
Bis heute konnte er nicht verstehen, warum sie gegangen war. Er hatte Teddy beseitigt – na und? Eine Sorge weniger. Wo lag das verdammte Problem? Es war ja nicht so, als hätte er von Abby verlangt, den Abzug zu drücken und im Anschluss ein Loch zu graben, um die Leiche zu entsorgen.
So ungern er es auch zugab, aber Gina, BigTits, hatte recht. Abby passte nicht in ihre Szene, in den Club und dieses raue Leben. Sie war behütet aufgewachsen und nicht wie viele andere hier mit Schlägen und Misshandlungen. Wie sollte sie also verstehen, dass er handeln musste, wie er es getan hatte? Gina verstand ihn. Sogar sehr gut. Sie hatte ihm damals gedankt, als er ihren Mann aus dem Weg geräumt hatte. Und was war Abbys Dank gewesen? Sie war abgehauen und hatte dann ihren Daddy geschickt, damit der ihre Sachen abholte.
Shopping war gut für die Seele. Hatte Abby jedenfalls mal gehört. Noch konnte sie das nicht beurteilen, obwohl sie lauter Tüten mit sich herumschleppte, die sie mittlerweile in ungeahnte Höhen hätten befördern müssen. Ihre Kreditkarte war bereits heiß gelaufen. Höchstwahrscheinlich hatte sie sich schon in den finanziellen Ruin gestürzt. Und wofür? Für sexy Unterwäsche, die niemand sehen würde, und einen Haufen Klamotten, der sie mehr nach einem Sinners-Flittchen, als nach einem normalen Menschen aussehen ließ.
Vielleicht wirkten die Glückshormone des Shoppens auch nicht, weil sie frustriert war, dass ihr Dad die Stadt verlassen wollte. Sie verstand seine Beweggründe. Er wollte was anderes sehen und die Erinnerungen loslassen, die ihn hier immer wieder heimsuchten – seine Exfrau Francine, die mit ihrem Club, den Raiders, kurzzeitig Abby gefangen gehalten und nicht davor gescheut hatte, ihrer eigenen Tochter Schaden zuzufügen. Er wollte raus, neu beginnen und Abby sollte ihn begleiten.
Und sie? Abby fühlte sich wohl hier. Sie hatte ihr Tattoostudio und ihre Stammkunden. Wollte sie an einem anderen Ort von vorne anfangen?
Eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter.
Sie riss erschrocken den Kopf herum. »Damian?«
Er lächelte sie kurz an und suchte dann mit den Augen ihre nähere Umgebung ab. »Das ist ja ein riesiger Zufall. Erst gestern habe ich an dich gedacht und mich gefragt, was du machst und wie es dir geht.«
Sie stellte die Tüten auf dem Boden ab und lächelte unverbindlich zurück. »Dich hätte ich in einem Einkaufszentrum am wenigsten erwartet.«
Verlegen zuckte er die Schultern. »Momentan ist viel