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Deine Clara
Marc starrte ungläubig auf den Bildschirm. Was hatte er getan, dass diese Fremde ihm so vertrauensvoll das Herz ausschüttete? Er horchte in sich hinein. Es schmeichelte ihm, dass er nur durch die Art und Weise, wie er schrieb, für diese Frau ein Vertrauenspartner geworden war. Und wie hatte er diese Andeutungen zu verstehen? War sie auf ein Abenteuer mit ihm, einem Wildfremden, aus? Er schaute in sich hinein. Vor ein paar Tagen, die Sache mit Dorothee Melzer, das war doch eine selten günstige Gelegenheit gewesen, mal wieder zu vögeln. Sie war vielleicht nicht unbedingt sein Traum von einer Frau gewesen, aber zumindest war sie doch anziehend genug, um ein wenig Spaß zu haben. Aber seine Libido war offenbar komplett eingetrocknet, abgesehen von den immer wieder auftauchenden feuchten Träumen, in denen ihm Juliette erschien. Wenn sie ihn reizte und aufgeilte, ohne dass es ihm jemals gelang, zur Erfüllung zu kommen, denn immer wenn er glaubte, sie endlich bei sich zu haben, verschwand sie wie eine Fata Morgana. Marc fragte sich, wie die Person, die hinter dieser Clara steckte, wohl aussehen mochte. Er stellte sich das Bild von Clara Schumann als junge, hübsche, dunkelhaarige Frau vor, so wie sie auf dem einstigen Hundertmarkschein zu sehen gewesen war. Es gelang ihm auch nicht, ein anderes Bild von ihr in seinen Kopf zu bekommen. Vielleicht war sie ja ganz anders? Vielleicht war sie gar nicht hübsch und zart, sondern eher kräftig und burschikos? Vielleicht war das Ganze ja auch eine Falle. Man hörte ja so viel von Internetbetrügereien, in denen leichtgläubigen Opfern die haarsträubendsten Geschichten erzählt wurden, um sich deren Vertrauen zu erschleichen. Möglicherweise war Clara nicht einmal eine Frau, sondern das Pseudonym eines einsamen Mannes, eines Schwulen vielleicht. Er konnte es sich nur schwer vorstellen, denn ihre Beiträge im Forum zeugten von so viel Herz, Witz und Engagement – das wäre für ihn nicht stimmig. Er beschloss dennoch, vorsichtig zu sein. Solange er nicht mehr von sich preisgab, konnte ihm ja nichts passieren. Aber es reizte ihn, dieses Spiel weiterzutreiben. Ja, nicht nur mitzuspielen, er wollte sehen, wie weit sie ihm vertrauen würde. Ein aufregendes Kribbeln bemächtigte sich seiner, als er die nächste Antwort an Clara formulierte.
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