„Unsere Wirtschaft braucht Innovationen und Investitionen! Das kommt nicht durch schwerfällige und bürokratische Konzernstrukturen, sondern durch Gründer jeden Alters, die bereit sind, ihr wohlbehütetes Gehaltsschema zu verlassen, um etwas Neues aufzubauen!“ Dagmar Wöhrl ist voll in ihrem Element, wenn es um das Thema Unternehmensgründung geht – und das nicht erst, seit sie in einer Unterhaltungsshow rund um Start-ups zu sehen ist.
„Leider ist die Gründermentalität in Deutschland nicht gerade sehr ausgeprägt.“, bedauert die ehemalige Politikerin, die 23 Jahre im Bundestag war und u. a. als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und zuletzt als Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fungierte. Nach ihrem Ausstieg aus der Politik im Jahr 2017 kam überraschend die Anfrage, ob sie Investorin in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ werden wollte: „Ich habe gerne zugesagt, denn dieses Fernsehformat rückt die Gründungsproblematik in den Fokus. Sie gibt der Selbstständigkeit ein Gesicht und inspiriert und ermutigt andere, es selbst zu probieren.“
Leider ist die Gründermentalität in Deutschland nicht gerade sehr ausgeprägt
Basisthemen für Gründer
Ganz gleich ob im TV-Studio oder im realen Leben als Investorin oder Beraterin: Die Themen, die sie bei Gründerinnen und Gründern zur Sprache bringt, sind identisch.
Es geht immer um das Produkt oder die Dienstleistung: Ist es innovativ? Löst es ein Problem? Vereinfacht es das Leben? Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal?
Die Zielgruppe muss klar definiert sein! Wo sind die Nutzer und Käufer zu finden?
Vertrieb, Marketing und Kommunikation sind wichtig: Was nützt das beste Produkt oder eine Dienstleistung, wenn die Kunden davon nichts wissen!
Außerdem geht es um Ziele, die erreicht werden wollen. Diese spiegeln sich im Businessplan wider. Kein erfolgreiches Unternehmen funktioniert planlos!
Zahlen, Zahlen, Zahlen
Die Frage, die bei Gründern meistens gar nicht gut ankommt, ist laut Dagmar Wöhrl diese: „Kennen Sie Ihre Zahlen? Für viele Gründer ist z. B. die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) eher eine lästige und zeitraubende Angelegenheit und ich höre dann sehr oft, dass sie sich doch um ihre potenziellen Kunden kümmern müssten. Dabei verkennen sie, dass nur ein Unternehmer, der seine Zahlen kennt, auch ganz genau weiß, wo es noch Nachbesserungen bedarf, wo der größte Kostenfaktor zu finden ist, wo der Erfolgshebel angesetzt werden kann. Zahlen lügen nie“. Die engagierte Unternehmerin bedauert außerdem, dass es keine zentralen Beratungsstellen gibt, die Gründern helfen, Fördergelder auf EU-, Bundes- und Landesebene, zu beantragen. Dieser Bürokratiedschungel stellt für viele Start-ups ein Problem dar.
Dagmar Wöhrl sieht aber nicht nur das Rationale, wenn es um Gründungen geht: „Für mich als Investor ist der Mensch immens wichtig, der hinter dem Produkt steht. Ist er überzeugt von dem, was er macht, ist er bereit, Opfer zu bringen? Der Funke zum Gründer muss überspringen, denn immerhin sitzt man über eine lange Zeit gemeinsam in einem Boot. Das Produkt kann man notfalls verändern, der Mensch aber bleibt! Auch Teamfähigkeit ist ein wichtiger Punkt.“
Gemeinsam erfolgreich
Nur gemeinschaftlich ist der Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens für Dagmar Wöhrl zu stemmen. „Ich bin ein Fan gemischter Teams. Männer streben eher nach der Weltherrschaft, Frauen bringen vieles schneller auf den Punkt, sind aber leider nicht so oft risikobereit. Optimal ist, wenn ein Team komplementär aufgestellt ist“. Ihr eigenes Familienunternehmen ist dafür das beste Beispiel.
Als Investorin bei „Die Höhle der Löwen“ macht sie immer wieder deutlich, dass sie nicht als einzelne Unternehmerin dort sitzt, sondern stellvertretend für ihren Mann Hans Rudolf und Sohn Marcus Maximilian. Während Wöhrl Senior ein in Wirtschaftskreisen namhafter, erfahrener Unternehmer ist mit außerordentlichem Wissen und Gespür, fühlt sich der Junior den Gründern am nächsten, hat er doch selber 2013 die Hotelkette DORMERO gegründet und somit vorgelebt, wovon die meisten Gründer träumen. Dass er von Anfang an von den unternehmerischen Kenntnissen seiner Eltern profitieren konnte, steht außer Frage. Aber für den Sohn gilt dasselbe, was Dagmar Wöhrl auch den Gründern sagt, in die sie investiert: „Wir stehen mit unserer Erfahrung zur Seite – abrufen müssen sie sie schon selber. Ein Investor soll beraten, aber nicht bevormunden.“
Scheitern ist nicht als Manko zu sehen, sondern als Lerneffekt.
Marcus Maximilian, Dagmar und Hans Rudolf Wöhrl
Irrtümer und Erfahrungen
Dagmar Wöhrl kann es sogar verstehen, wenn Start-upler bei ihren eigenen Entscheidungen bleiben und nicht auf die Mentoren mit großem Fachwissen hören: „Der Gründer hat eine absolute Affinität zu seinem Produkt und sieht jede Veränderung mitunter als persönlichen Misserfolg an.“, gibt die Geschäftsfrau zu. „Davon muss man sich natürlich frei machen, um am Ende erfolgreich zu sein. Gleichzeitig finde ich es aber auch nicht schlimm, Fehler zu machen, Untätigkeit schon. Wer Pleiten ausschließen will, darf nicht Gründer werden. Von Thomas Alva Edison, dem innovativen Erfinder, stammt der Satz: ‚Erfahrung nennt man die Summe aller unserer Irrtümer.‘ Scheitern ist nicht als Manko zu sehen, sondern als Lerneffekt.“
Auch wenn Misserfolge dazu gehören, so setzt Dagmar Wöhrl mit ihrem Team natürlich alles daran, dass ihre Schützlinge mit ihren Produkten oder Dienstleistungen erfolgreich sind. Das gönnt die sympathische Fränkin übrigens allen, die den Mut haben, sich auf das „Abenteuer Unternehmensgründung“ einzulassen. Damit das gelingt, gibt sie ganz kompakt
5 Tipps zum Erfolg:
• „Mentoren suchen, immer wieder nachfragen – und sich auch mal was sagen lassen.
• Netzwerke aufbauen und nutzen. Besonders für Frauen ist das wichtig.
• Teamplayer sein, gute Mitarbeiter einstellen, bloß hier nicht sparen.
• Qualität liefern
• Immer den Kunden im Auge behalten!“
Dagmar Wöhrl • www.dagmar-woehrl.consulting
KAPITEL 1
Vom Angestellten zum eigenen Chef
Stephanies Schokowelt
„Ich habe es einfach gemacht!“
Stephanie Ziegler (*1990) und ihr ungeplanter Weg in die Selbstständigkeit
„Bestellen Sie eine kleine Menge Schokoladentäfelchen mit Firmenlogo!“ Mit diesem eigentlich unspektakulären Auftrag begann für die Bürokommunikationskauffrau Stephanie Ziegler im Frühjahr 2014 ein völlig neuer Lebensabschnitt. Die damals 24-Jährige stellte schnell fest, dass es zwar reichlich Anbieter für das gewünschte Werbeprodukt gab, dass die Mindestabnahme aber durchweg bei 1000 Stück lag. Das war einfach zu viel für ihren damaligen Chef. Plötzlich kam ihr der Gedanke: „Das ist eine Marktlücke! Das ist meine Chance!“.
Schon länger war die junge Mutter