Die Amerikaner haben Milliarden von Dollars nach Puerto Rico hineingepumpt, mit dem Erfolg, daß die Sterblichkeit der Bevölkerung auf Ziffern herabsank, die man beinahe als „zivilisiert“ bezeichnen kann, während die Armut der Bevölkerung sich durch die Geburtenexplosion angeblich nicht veränderte. Wenn man sich aber San Juan betrachtet, weiß man, daß hier der Dollar rollt. Der Strand von San Juan kann beinahe mit Miami Beach konkurrieren, so viele elegante Hotels ziehen sich von der typisch spanischen Altstadt bis hin zum neuzeitlichen Flugplatz, unterbrochen von strahlenden Villen in tropischem Grün. Ergab sich früher das Staatseinkommen nahezu ausschließlich durch den Export von Zuckerrohr, so hat die Wirtschaft des Landes heute durch neue Fabrikanlagen, die von den USA unterstützt werden, andere Grundlagen erhalten.
Es ist kaum anzunehmen, daß Puerto Rico sich einmal von den USA trennen wird; zu tief steckt der Dollar im Land, zu viele Portorikaner wohnen in den Staaten, und zu viele Insulaner arbeiten für Amerikaner. Ebenso werden die amerikanischen Jungferninseln im Gegensatz zu den anderen Antilleninseln niemals ihre lukrativen Bande mit den USA durchschneiden: nirgends auf den Karibischen Inseln arbeiten die Eingeborenen so wenig und erhalten dennoch so viel Geld oder Unterstützung wie auf diesen ehemals dänischen Inseln.
Auf dem Konsulat der Dominikanischen Republik holten wir uns ein Visum, um Puerto Plata besuchen zu dürfen. Da es sich um viele Papiere handelte, mußten wir eigens einen Makler in Anspruch nehmen. Man war auf dem Konsulat sehr höflich, deckte uns mit Propagandaliteratur ein und wünschte uns eine gute Reise.
Revolution auf Bestellung
Die Fahrt verlief auch normal. Sobald wir im Norden der Dominikanismen Republik standen, wurden wir jeden Morgen von Militärflugzeugen kontrolliert. Nur unter Vorsegel liefen wir langsam in die Bucht von Puerto Plata und ankerten neben einer Mole für Küstenschiffe.
Sofort kam der Hafenkommandant mit zwei Soldaten an Bord, die mit Maschinenpistolen bewaffnet waren. Während er unsere Papiere prüfte, standen auf dem Vorschiff die beiden Posten mit Zeigefinger am Abdruck, ihre Gesichter so starr und teilnahmslos wie Stein. Der Hafenchef stieg nach unten, um unser Boot zu durchsuchen, aber als er die Propagandaschriften auf dem Kartentisch liegen sah – meine kluge Frau hatte sie deutlich sichtbar dort aufgestapelt –, verwandelte sich seine strenge Dienstmiene und machte einer freundlichen Neugierde Platz.
Und da wir zu unserem großen Glück zum ersten Mal auf dieser Fahrt konsularische Papiere besaßen (die im allgemeinen nicht erforderlich sind, wenn man einen Hafen auf eigenem Kiel anläuft), ließ der Kommandant uns nach Beratung mit dem Einwanderungsoffizier in die Stadt gehen.
Puerto Plata ist so arm wie Cuidad Trujillo, die Hauptstadt, reich ist. Hier schienen mir durch die Hintertür in das Land hineingeraten zu sein. Es gab keine Kanalisation, in den Kloakengewässern am Rande der holprigen Wege tummelten sich kleine Fische, Autos waren kaum zu sehen, und schmucke Villen konnten wir nicht entdecken.
Abgesehen von den Slums machte Puerto Plata einen hundertprozentig spanischen Eindruck. Der Marktplatz hätte aus Südspanien importiert sein können. Auf dem kleinen Rundgang durch die Vororte bekam Niña Mangos und Zuckerrohr geschenkt, das ich zu ihrem Entsetzen auf der Straße zu kauen begann – nach Tropensitte.
Die Dominikanische Republik war derzeit keine Republik, sondern ein scharf kontrollierter Polizeistaat, gelenkt durch eine Familie, durch Rafael Leonidas Trujillo1, den „Wohltäter des Vaterlandes“ und „Befreier der Nation“, und seine Brüder und Söhne. Sie war eine Diktatur, wie sie im Buche steht. Daß auf der anderen Seite in der Dominikanischen Republik in wirtschaftlicher Hinsicht mehr getan worden ist, als in den anderen westindischen Republiken zusammen genommen, muß der Gerechtigkeit halber erwähnt werden. Und wer sich politisch nicht betätigte, konnte ungestört arbeiten; Rassenprobleme kennt man kaum.
Am folgenden Morgen wurden wir durch ein tolles Geschieße aus dem Schlaf gerissen. Einige Kilometer im Westen von Puerto Plata wurden Napalm-Bomben geworfen; wir hörten Bazooka-Explosionen und Maschinengewehrfeuer. Sollte Fidel Castro eine kleine Invasion unternommen haben? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß er in der Dominikanischen Republik zu landen suchte, ganz zu schweigen von seinen Invasionsversumen in Panama oder Nicaragua.
Das ist Lateinamerika: für ein paar Pesos finden sich immer Männer bereit, die eine Revolution starten. In Kuba kann man ganze Schiffsladungen mit Revolutionären kaufen; sie gehen dorthin, wohin man sie befiehlt – für eine Handvoll Reis, poco dinero, und die Aussicht, ein Held zu werden. Man erzählt ihnen, sobald sie fremden Boden betreten, werde das Volk sie als Befreier feiern und ihnen zur Seite stehen …
Die Antwort der Dominikaner lag in der Luft; Jagdbomber sausten im Sturzflug immer wieder auf die Verblendeten herab, die ihr Abenteuer mit dem Leben bezahlen mußten. Bald kam ein dominikanisches Kriegsschiff an die Mole und entlud Verwundete.
Da wir eigentlich schon an diesem Tage abfahren wollten, meldete ich mich beim Kommandanten, der mir jedoch eröffnete, daß dies unmöglich sei. Ein Hurrikan sei im Anzug. Offensichtlich wußte er nicht, welche Rolle wir bei diesem kubanischen überfall spielten; waren wir wirklich rein zufällig hiet, oder sollten wir etwa Spione sein? Sicherheitshalber heftete er uns emen Detektiv an die Fersen, der uns überall hin begleitete.
Am Nachmittag schlenderten wir zum Marktplatz, wo wir im Bamboo-Hotel unseren Durst löschen wollten. Keine Seele war auf den Straßen zu sehen; aus Türeingängen und Fenstern stierte man auf uns, als wären wir furchterregende, seltene Tiere. Der Barbesitzer fragte neugierig, welche Nationalität wir hätten. Da er uns schon am vorherigen Tag gefragt hatte, gab ich ihm diesmal zur Antwort, wir seien Kubaner. Kurz darauf kam ein Sergeant, lud uns auf einen Jeep und brachte uns zurück zur Mole, wo wir einen schwer bewaffneten Soldaten auf unser Boot gesetzt bekamen.
Über das Städtchen war der Ausnahmezustand verhängt worden; der Kommandant gab uns zu verstehen, es täte ihm leid, daß er uns festhalten müsse, jedoch Befehle seien Befehle. Selbst am Spätnachmittag dauerte das Geschieße an, ein Zeichen, daß das kubanische Boot noch immer nicht versenkt war.
Beinahe gerammt!
Am nächsten Morgen ließ mich der Marinekommandant rufen. Ich war auf das Schlimmste gefaßt. Jedoch was wollte er? Ein Bild mit einem Autogramm! Er hatte inzwischen Erkundigungen über uns in Ciudad Trujillo ich hatte dort Bürgen – eingeholt und wußte nun, wer wir waren und daß unsere Pläne mit den kubanischen Absichten nichts zu tun hatten. So segelten wir ab, wir winkten sogar …
Kaum waren wir einige Seemeilen weit aufs Meer hinausgefahren, als es von neuem begann. Ein dominikanisches Kriegsschiff versuchte sich an uns. Wir hatten seine Flagge gesetzt, die deutsche natürlich auch. Niña riß mir die Mütze vom Kopf! Richtig, blonde Kubaner gibt es kaum! Aber das Kriegsschiff schaute nicht auf die Haare, es wollte sehen, ob wir segeln konnten.
Es kam von achtern bedrohlich nahe auf, wir gingen auf einen anderen Bug – das Kriegsschiff folgte und kam näher und näher. Erst unmittelbar vor dem messerscharfen Bug wechselten wir den Kurs wieder – ja, es herrschte Wind, und da konnte man segeln! Das Kriegsschiff brauste vorbei. Es war zwar noch mehr als eme Daumenbreite zwischen ihm und der LIBERIA, aber dennoch: uns langte es.
Eine befreundete, amerikanische Yacht, die „Eleuthera II“, war in Haiti von Geschossen durchlöchert worden, ein anderes größeres Boot war hier aufgebracht und nach Puerto Plata eingeschleppt worden, ein drittes vermißt. Es herrschte keine friedliche Stimmung in dieser Gegend; die leichtfertigen Unternehmungen kubanischer Revolutionäre hat manches unschuldige Boot teuer bezahlen müssen.
Unter diesen Umständen verzichteten wir darauf ‚Cap Haïtien‘ und das „Achte Weltwunder“, die Zitadelle, zu besuchen, wir verzichteten auf Kuba und segelten