28. Wie es nach dem Siege Sullas herging und wie für die Grausamkeit des Marius Rache genommen wurde.
Der darauffolgende Sieg des Sulla, die Rache für diese Grausamkeit, war schon mit reichlichem Bürgerblut erkauft worden; aber dieser Sieg wütete nach Beendigung des Kampfes im Frieden, da die Feindschaft fortlebte, noch grausamer. Auch gesellten sich nun zu den Blutbädern, die der ältere Marius früher und neuerdings angerichtet hatte, noch ärgere von Seiten des jüngeren Marius und des derselben Partei des Marius angehörigen Carbo, die beim Anmarsch Sullas nicht nur am Siege, sondern selbst an ihrer Rettung verzweifelten und sinnlos weiter mordeten. Denn außer den weit und breit an verschiedenen Orten verübten Metzeleien wurde auch der Senat belagert und man führte die Väter direkt von der Kurie wie von einem Gefängnis weg zur Hinrichtung. Der Oberpriester Mucius Scävola wurde vor dem Altar der Vesta ermordet, den er umklammert hatte, weil bei den Römern nichts für so heilig galt als der Tempel der Vesta, und beinahe hätte er mit seinem Blute das Feuer erstickt, das durch die ununterbrochene Mühewaltung der Jungfrauen stets brannte. Darauf zog Sulla als Sieger in die Stadt ein, nachdem er in der öffentlichen Villa[186] , und zwar nicht mehr während des kriegerischen Wütens, sondern als bereits der Friede die Herrschaft angetreten hatte, 7000 Mann nach erfolgter Kapitulation [also natürlich waffenlose Leute], nicht im Kampfe, sondern durch einen Befehl dem Tode geweiht hatte. In der Stadt aber übten die Anhänger Sullas Mord, wo und an wem sie nur gerade wollten, so daß man die Leichen wegen ihrer Menge nicht mehr zählen konnte, bis man Sulla beibrachte, man müsse einige am Leben lassen, damit doch jemand da sei, über den die Sieger ihrer Herrschaft ausüben könnten. Nunmehr wurde die Mordfreiheit, die sich entfesselt hierhin, dorthin ohne Wahl kehrte, eingedämmt; es erschien unter großem Beifall die bekannte Liste, in der 2000 Angehörige der obersten Stände, des Ritter- und des Senatorenstandes, zur Hinrichtung und Ächtung verzeichnet waren. Man war entsetzt über die Zahl, und empfand es doch tröstlich, daß nur überhaupt Schranken gesetzt wurden. Die Trauer über den Fall so vieler Edlen war nicht so groß als die Freude über die Sicherstellung der übrigen. Aber bei manchen, über die der Tod verhängt war, nötigten doch die ausgesuchten Todesarten denen, die sich grausam genug über ihre Sicherstellung freuten, allgemeines Mitleid ab. Einer wurde ohne Werkzeug mit den bloßen Händen, in Stücke gerissen, ein Vorgang, bei dem die Menschen mit einem lebenden Menschen entsetzlicher verfuhren als wilde Tiere, wenn sie Leichname zerreissen. Einem andern wurden die Augen ausgestochen und die Glieder eines ums andere abgehauen, so daß er unter diesen heftigen Qualen lange leben oder vielmehr lang sterben mußte. Auch wurden einige bekannte Städte, gerade als waren sie Landhäuser, öffentlich versteigert; in einer andern ließ man, wie wenn man einen einzelnen Verbrecher zur Hinrichtung führte, die gesamte Einwohnerschaft niedermetzeln. Das geschah im Frieden, nach dem Kriege, nicht damit man den Sieg rascher erringe, sondern damit der errungene Sieg nicht unterschätzt werde. Ein Wettstreit zwischen Krieg und Frieden um die Grausamkeit und die Palme trug der Friede davon. Denn der Krieg mähte Bewaffnete nieder, der Friede Wehrlose. Im Kriege konnte vielleicht der Verwundete einen Gegenschlag führen, im Frieden war man dem Tode durchaus nicht entronnen, sondern mußte ihn nur ohne Widerstand über sich ergehen lassen.
29. Vergleich des Einbruches der Goten mit den schweren Schlägen, die die Römer von den Galliern und von den Anstiftern der Bürgerkriege erlitten haben.
Wann haben auswärtige Feinde eine solche Wut, wann Barbaren eine solche Wildheit an den Tag gelegt, wie sie hier bei dem Siege von Bürgern über Bürger entfesselt wurde? Was war für Rom verhängnisvoller, entsetzlicher, bitterer, der Einbruch der Gallier und kürzlich der der Goten oder das grausame Wüten, das Marius und Sulla und andere hervorragende Männer, ihre Parteigänger, gleichsam die Augen Roms wider dessen Glieder, in Szene setzten? Die Gallier haben zwar die Senatoren niedergemetzelt, soviele sie ihrer in der Stadt allüberall mit Ausnahme des Kapitols antrafen, das allein, so gut es ging, gehalten wurde, aber denen, die sich auf dem genannten Hügel befanden, liessen sie um Gold wenigstens das Leben, das sie zwar nicht im Kampf ihnen hätten nehmen, aber doch durch Belagerung hätten aufreiben können; die Goten aber übten gegen soviele Senatoren Schonung, daß daneben die Tötung einzelner fast als eine Ausnahme gelten kann. Sulla dagegen hat noch bei Lebzeiten des Marius eben das Kapitol, das vor den Galliern sicher war, als Sieger zum Erlaß von Morddekreten besetzt und sprach, als Marius durch Flucht entkommen war — er sollte wiederkommen, wilder noch und blutgieriger —, auf dem Kapitol eben durch einen Senatsbeschluß vielen Leben und Besitz ab; und was wäre erst der Partei des Marius, als Sulla ferne war, heilig und schonungswürdig gewesen, da sie nicht einmal dem Mucius, ihrem Mitbürger, Senator und Oberpriester, Schonung gewährte in dem Moment, als er den Altar, an dem, wie es heißt, das Schicksal Roms hängt, in kläglicher Hilflosigkeit umklammerte? Die letzte Liste Sullas endlich, um andere unzählige Morde zu übergehen, schlachtete mehr Senatoren ab, als die Goten auch nur zu berauben vermochten.
30. Der Zusammenhang der zahlreichen und blutigen Kämpfe, die der Ankunft Christi vorhergingen.
Was ist es also für eine Frechheit und Unaufrichtigkeit, was für eine Unverschämtheit und Einsichtslosigkeit oder vielmehr Albernheit, all dies Unheil ihren Göttern nicht zuzuschreiben, wohl aber das gegenwärtige unserm Christus aufzubürden? Die grausamen Bürgerkriege, die nach dem Eingeständnis ihrer eigenen Schriftsteller schrecklicher sind als alle Kriege mit auswärtigen Feinden und die den Staat, wie man urteilte, nicht nur bedrängten, sondern völlig zugrunde richteten, sind lang vor der Ankunft Christi ausgebrochen und haben sich durch Verkettung unseliger Ursachen fortgesponnen vom Krieg zwischen Marius und Sulla zu den Kriegen zwischen Sertorius und Catilina [jener von Sulla geächtet, dieser von ihm gefördert], dann zu dem Kriege zwischen Lepidus und Catulus [der eine wollte die Maßnahmen Sullas rückgängig machen, der andere sie aufrecht erhalten], dann zu dem Kampf zwischen Cäsar und Pompejus [dieser ein Anhänger Sullas und ihm an Machtfülle gleich oder sogar noch überlegen, Cäsar ein Gegner der Machtfülle des Pompejus, aber nur weil er selbst sie nicht besaß; nach der Besiegung und Ermordung des Nebenbuhlers vereinigte er in sich eine größere], endlich zu dem andern Cäsar, der nachmals Augustus benannt wurde, unter dessen Regierung Christus geboren ward. Denn auch Augustus führte eine Reihe von Bürgerkriegen und in diesen fanden ebenfalls viele der hervorragendsten Männer den Tod, darunter auch Cicero, der Meister in rednerischen Ergüssen über Staatsregierung. Gaius Cäsar nämlich, der Sieger über Pompejus, der jedoch den Sieg mit Milde ausnützte und seinen Gegnern Leben und Würde beließ, fiel als Streber nach der Königskrone unter dem Vorwand der Freiheit der Republik der Verschwörung einiger vornehmen Senatoren zum Opfer und wurde in der Kurie selbst ermordet. Das Erbe seiner Macht schien dann Antonius, an Charakter sehr verschieden, ein Ausbund aller Laster, antreten zu sollen, dem ebenfalls im Namen der sogenannten Freiheit des Vaterlandes Cicero heftigen Widerstand entgegensetzte. Damals war der andere Cäsar aufgetaucht, der, wie gesagt, später Augustus benannt wurde, ein Jüngling von seltener Begabung, der Adoptivsohn Gaius Cäsars. Diesen jungen Cäsar begünstigte Cicero, um dessen Macht wider Antonius zu stärken, in der Hoffnung, er werde nach Beseitigung und Unterdrückung der Herrschaft des Antonius die Freiheit der Republik wieder herstellen, so blind und kurzsichtig war Cicero, während doch dieser Jüngling, dessen Ansehen und Macht er zu heben suchte,