Dreh’ dich um! Mit dem Rücken zu mir! gebot Pawlowitsch. Ich muss dir doch richtig vorführen können, wie du ihn rasch fesseln kannst.
Der Junge tat, wie ihm geheißen, und legte auch seine Hände auf den Rücken, als Pawlowitsch es verlangte. Sofort zog der Alte die Schlinge um das eine Handgelenk des Jungen fest, wand den Strick ein paarmal um das andere Handgelenk und machte ein paar straffe Knoten.
Sowie nun Jack gefesselt war, änderte sich mit einem Schlage die ganze Haltung des Alten. Er stieß einen entsetzlichen Fluch aus, riss seinen Gefangenen herum, stellte ihm ein Bein, schleuderte ihn heftig zu Boden und stürzte sich auf die Brust des Niedersinkenden. Vom Bett her kam sofort die Antwort des Affen, der unter wildem Geknurr an seinen Fesseln zerrte. Jack schrie nicht …, und diese Selbstbeherrschung mochte er von seinem wilden Vater ererbt haben, der es in den langen Jahren seines Dschungellebens nach dem Tode seiner Pflegemutter Kala, der großen Menschenäffin, erfahren hatte, dass doch niemand dem einmal Unterlegenen zu Hilfe kam.
Pawlowitschs Finger tasteten sich an die Gurgel Jacks heran, sein Gesicht war zu einem breiten höhnischen Grinsen verzerrt, als er jetzt in das Gesicht seines Opfers starrte.
Dein Vater hat mich ruiniert, stieß er hervor. Das will ich ihm heimzahlen. Er wird meinen, dass der Affe es tat …, und ich werde es ihm auch so sagen. Ha, ich werde ihm erzählen, dass ich den Affen ein paar Minuten allein ließ, und dass du dich da gerade hereinstahlst … und vom Affen getötet wurdest. Ich werde deinen Körper dort aufs Bett werfen, wenn ich dich erwürgt habe; bringe ich dann deinen Vater hierher, so wird er sehen, dass der Affe auf deiner Leiche hockt! Von den Wänden des kleinen Zimmers hallte das Geschrei des rasenden Riesenaffen wider. Jack wurde zwar blass, doch lag nichts in seinen Zügen, was auf Furcht oder gar auf panischen Schrecken hingedeutet hätte. Er war eben ganz Tarzans Sohn. Die Finger seines Gegners griffen immer fester um seinen Hals; kaum dass er noch atmen konnte. Er keuchte, er rang nach Luft …
Der Affe zerrte wütend an dem starken Strick, der ihn ans Bett fesselte. Dann drehte er sich um, wand den Strick um seine Hände, wie es ein Mensch in gleicher Lage getan haben würde, und riss ihn mit voller Wucht nach oben. Seine gewaltigen Muskeln schwollen hoch. Ein Krach … es klang, wie wenn Holz in tausend Splitter zerbarst: Der Strick war ganz geblieben, aber dafür hatte ein Teil vom Bettuntergestell daran glauben müssen.
Pawlowitsch blickte auf, sein von wilden Leidenschaften durchwühltes Gesicht wurde augenblicklich leichenblass, Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen: Der Affe hatte sich losgerissen, das Tier war frei …
Mit einem einzigen Sprung stürzte sich das Ungeheuer über ihn. Ein Aufschrei, und die Bestie riss ihn vom Körper des Jungen weg. Scharfe Krallenfinger gruben sich tief ins Fleisch, ein Rachen gespickt mit furchtbaren gelblichen Zähnen gähnte ihm weitgeöffnet entgegen. Wohl suchte er sich mit Händen und Füßen zu wehren, doch was half es! Die Seele Alexei Pawlowitschs wanderte hinüber in das Reich der Teufelsgeister, die schon lange auf ihn gewartet hatten.
Jack raffte sich mit Akuts Unterstützung langsam in die Höhe. Zwei volle Stunden mühte sich der Affe, nach den Weisungen seines jungen Freundes dessen Handfesseln zu lösen. Endlich war der Affe hinter das Geheimnis des Knotens gekommen: Jack war wieder frei. Er entfernte zunächst den Strick, der noch um den Leib des Affen geschlungen war; dann öffnete er eines seiner Pakete und brachte daraus verschiedene Kleidungsstücke hervor. Er hatte alles großartig ausgedacht und vorbereitet. Der Affe wurde natürlich gar nicht erst groß gefragt; er tat auch alles, was ihm geheißen wurde. Dann schlichen sie sich beide aus dem Hause davon. Und mochte ihnen auch hier und da unterwegs jemand begegnen: Niemand merkte, dass der einer der beiden Passanten ein Affe war.
Eine tolle Fahrt
Die Ermordung des greisen Russen Michael Sabrov, der keinerlei Freunde und Verwandte hinterließ, durch seinen großen dressierten Affen war eine Sensation, die ein paar Tage in allen Zeitungen lebhaft erörtert wurde.
Lord Greystoke las natürlich auch von der Sache, und während er besondere Vorkehrungen dafür traf, dass sein Name keinesfalls irgendwie in unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Affäre gebracht wurde, hielt er sich ständig bei der Polizei über das Ergebnis der Nachforschungen nach dem Verbleib des Menschenaffen auf dem laufenden.
Allgemein bekannt war, dass er sich bei der ganzen Angelegenheit in erster Linie nur für das rätselhafte Verschwinden des Mörders interessierte, wenigstens so lange, bis er einige Tage nach der Tragödie erfuhr, dass sein Sohn Jack nicht nach Dover zur Schule zurückgekehrt sei, wohin man ihn doch mit jenem Nachmittagszuge sicher unterwegs geglaubt hatte. Aber selbst dann konnte sich der Vater das Verschwinden seines Sohnes nicht so erklären, dass er irgendwie mit den mehr oder weniger wahrscheinlichen Gerüchten über das Wo und Wohin des Affen auf einer Linie lag. Nach einem Monat hatten indessen sorgfältige Nachforschungen das Dunkel schon mehr gelichtet: Es stand fest, dass der Junge den Zug noch vor der Abfahrt von der Londoner Station verlassen hatte. Man hatte schließlich auch den Droschkenkutscher herausbekommen, der ihn nach der Wohnung des alten Russen gefahren, und so kam der Affen-Tarzan denn auch zu der Überzeugung, dass Akut irgendwie etwas mit dem Verschwinden Jacks zu tun haben musste.
*
Am Tage nach dem Tode Alexei Pawlowitschs hatte sich ein Junge in Begleitung seiner kränklichen Großmutter eingeschifft. Die alte Dame war dicht verschleiert und musste, da sie durch allerlei Altersbeschwerden und Krankheiten zu sehr geschwächt war, in einem Krankenfahrstuhl an Bord des Schiffes gebracht werden.
Der Junge schob den Fahrstuhl selbst und duldete keinerlei Unterstützung. Mit eigenen Händen war er ihr auch beim Verlassen des Fahrstuhls behilflich und geleitete sie fürsorglich in die gemeinsame Kabine. Dies war übrigens das einzige Mal, dass Personal und Passagiere des Dampfers die alte Dame zu sehen bekamen, ehe sich beide wieder ausschifften; denn der Junge ließ es sich auch nicht nehmen, alle Arbeiten, die an sich dem Kabinensteward zufielen, selbst zu erledigen, da, wie er angab, seine Großmutter unter schweren nervösen Anfällen litt, die sich in Gegenwart Fremder nur verschlimmerten und für sie verhängnisvoll werden könnten.
Was der Junge in seiner Kabine trieb, wusste niemand an Bord. War er nicht dort, führte er sich jedenfalls wie jeder andere gesunde und normale englische Junge auf. Er knüpfte Bekanntschaften mit den übrigen Passagieren an, war bald bei den Offizieren des Dampfers sehr beliebt und schloss mit mehreren einfachen Matrosen