Der Majoratsherr. Band II.. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711487426
Скачать книгу
so! Der Junge hat es dir verraten?!“ lachte Pia leise, und es war, als atmete sie dabei recht tief und erleichtert auf. „Womit begründete er seine Ansicht?“

      „Mit den allgemeinen Merkmalen; er hatte den Assessor wohl beobachtet und schloss von seinem ernsten, gesetzten Wesen auf den Familienvater, na — und wie du ja zugibst, nicht mit Unrecht. Es wäre ja auch gar zu toll gewesen, wenn du mit einem unverheirateten Jüngling so mutterseelenallein und solo auf der Chaussee herumgebummelt wärest!“

      Aha! das war wieder der eifersüchtige Klang in der Stimme!

      Pia wollte scherzend entgegnen, aber ein leises Platschen im Wasser, welches hinter ihnen ertönte, nahm Fränzchens Aufmerksamkeit bereits in Anspruch.

      Sie schnellte herum und sah voll höchsten Interesses, dass einer der Eseltreiber sich damit amüsierte, Steine zu sammeln, um auf dem Wasser „Häschen“ zu werfen.

      Das schien just etwas für Fränzchens Geschmack.

      Ihr Arm, welcher die Cousine so eifersüchtig an sich drückte, lockerte sich merklich und, halb rückwärts gehend, beobachtete die Komtesse das Spiel, bis sie schliesslich von der Passion übermannt wurde, Pia hastig losliess und mit wenigen Schritten an der Seite des Eseltreibers stand.

      „Viel flacher werfen — sonst springt er im Leben nicht!“ —

      Der Junge grinzte ein Gemisch von Hochachtung und Vergnügen.

      „Das ist mal nicht so leicht, wie’s aussehen thut!“ renommierte er. „Auf drei Würfe kann man nur einen als sicher rechnen! —“

      Fränzchen hatte die Hände rückwärts zusammengelegt und lächelte geringschätzig: „Na, noch mal und dann komme ich dran!“

      „Aber Kind!“ entsetzte sich Pia, und Vater Willibald drehte sich herum, brach jählings sein Gespräch ab und lachte fröhlich vor sich hin: „Na, da muss der Wildfang wieder mitmachen! Natürlich! Haha — in Lugano war dies „Häschenwerfen“ allgemeiner Sport und Francis, welche überhaupt sehr sportlich passioniert ist, hat diesem Vergnügen ehrlich gefröhnt!“

      Wohlgefällig schmunzelnd versenkte er die Hände in die Taschen seines weiten Beinkleides und trat den Leistungen einen Schritt näher.

      Der Assessor benutzte den Augenblick und kehrte an Pias Seite zurück. Man blieb stehen und ergötzte sich an den eifrigen, meist vergeblichen Anstrengungen der Treiber.

      „Na — nun mal her mit einem Geschoss!“ — fuhr die Komtesse schliesslich voll Ungeduld dazwischen, überflog mit scharfem Blick die umliegenden Steine des Ufergerölls und wählte einen recht flachen, glatt gewaschenen Kiesel.

      „Hm — gut!“ nickte der Papa Beifall.

      Und Fränzchen bog sich kunstgerecht in der Taille, holte weit und energisch aus, und — hopp — hopp — hopp — saust der Stein über den kräuselnden Wasserspiegel.

      Ein Hurra der Treiber und ein unverständliches Grunzen des Grafen belohnte die Leistung.

      „Brillant, mein gnädiges Fräulein!“ nickte auch der Assessor überrascht und dann wandte er sich im Flüsterton an seine Nachbarin.

      „Es ist ganz merkwürdig, wie Ihr Fräulein Cousine die Sache handhabt; noch nie im Leben sah ich eine Dame, welche derartig, möchte sagen — ‚jungenhaft‘ — die Steine wirft! Beobachten Sie einmal, diese Armbewegung ist ausgesprochene Eigenart der Knaben! Fräulein Fränzchen ist die erste junge Dame, welche ich derart werfen sehe!“

      „Die Kleine ist ja in all ihren Bewegungen und Manieren leider sehr derb, ich möchte sagen, etwas verwildert! Sie ahmt nach, was ihr imponiert und fragt nicht, ob es sich für sie passt oder nicht!“

      „Die Kleine? Ich dächte, Ihr Fräulein Cousine wäre auffallend stramm und gross für ihr Alter!“ lächelte Hellmuth.

      „Das allerdings! Es sieht aber alles so ungeschickt und tollpatschig an ihr aus, und mit dem Diminutivum „klein“ will ich auch mehr den Begriff „jung“ ausdrücken!“

      „Ich würde Mr. Luxor sowohl wie seine Tochter nie für Engländer gehalten haben, — auch Sie nicht Miss Lilian!“

      Pia wandte sich sehr weit zur Seite, um einer vorüberschreitenden Winzerin nachzusehen.

      „Nicht Engländer, — Deutsch-Amerikaner!“ verbesserte sie schnell. „Sie wundern sich über unser korrektes Deutsch?“

      „Ich habe das Deutsch nie so fliessend und gut von Ausländern sprechen hören!“ —

      „Wir verdienen diese Bezeichnung eigentlich auch nicht, denn meine Verwandten leben seit langen Jahren in Deutschland. — Übrigens“, Pia brach kurz ab und trat mit reizend vertraulichem Lächeln einen Schritt näher zu ihm heran, „ich habe vorhin einen spasshaften Irrtum bemerkt! Fränzchen bildet sich ein, in Ihnen einen verheirateten Mann und Familienvater zu sehen, und wollen wir uns doch den Scherz machen, sie in diesem Glauben zu erhalten!“

      „Verheiratet, ich?“ — Der Assessor lachte leise auf. „Noch vor vier Wochen war es mein sehnlichster Wunsch, und heute möchte ich es als höchstes Glück preisen, dass ich noch frei bin!“ —

      „Solche traurige Erfahrungen haben Sie seit jener Zeit an dem ewig Weiblichen gemacht?“

      Welch ein Blick, der wiederum ihr Auge traf!

      „Sie missverstehen mich, mein gnädiges Fräulein! Ich preise darum das Glück, „mein Herz noch zu besitzen“, weil es mir dadurch möglich ist, es rettungslos noch verlieren zu können!“ Lauter Jubel unterbrach ihn.

      Fränzchen hatte ein ganz phänomenales Häschen springen lassen und freute sich selbst über diese Kunstleistung so innig, dass sie einen Siegestanz ausführte, welcher den Zuckungen eines Hampelmannes am Bindfaden verzweifelt ähnlich sah.

      Und dann wurde den stalleslüsternen Eselein das Warten zu langweilig.

      Sie setzten sich sanftmütig aber konsequent in Bewegung und nötigten ihre Gebieter, wohl oder übel des grausamen Spiels genug sein zu lassen und ihnen zu folgen.

      Fränzchens Wangen glühten, sie sah sehr animiert aus und war vortrefflicher Laune, was dem Assessor besonders zu statten kam. Sie belegte zwar Pias Arm wieder mit Beschlag, kommandierte aber den neuen Freund an ihre andere Seite und unterhielt ihn so vortrefflich von den feinen Nüancen des Sports „Häschen werfen“, dass Hellmuth gar nicht dankbar genug für die Belehrung sein konnte.

      „Haben Sie zu Hause bei sich auch Wasser in der Nähe?“ —

      „Leider nur einen kleinen Karpfenteich!“

      „Genügt ja vollkommen! Wenn Sie also wieder heim kommen, können Sie Ihren Kindern die Sache beibringen. Wieviel Stück haben Sie eigentlich?“

      „Karpfenteiche?“

      „Unsinn! Nachwuchs meine ich!“ —

      Der Assessor hielt die Hand schattend über die Augen, er schien von der Sonne geblendet und mit dem Niessen zu kämpfen.

      „In meinem Hause atmen sieben Seelen!“ sagte er endlich feierlich.

      „Donnerwetter! da können Sie ja bald Kegel schieben mit den Rangen“, erwiderte Fränzchen und machte ein sehr anerkennendes Gesicht. „Warum haben Sie denn Ihre Frau und die ganze Lämmerherde nicht mit auf die Reise genommen?“

      Hellmuth zuckte sehr ernst die Achseln. „Das war aus verschiedenen Gründen absolut unmöglich.“ Komtesschen blinzelt ihn verständnisinnig an: „Aha, weil das Kleingeld nicht langte?“ nickte sie mit unumwundenster Offenheit, und als der Assessor und Pia in ein schallendes Gelächter ausbrachen und Vater Willibald aus seinem Nachdenken emporfuhr und nach der Ursache forschte, fühlte sein Töchterchen sich sehr geschmeichelt, wie stets, wenn man einen Witz von ihr belachte, wandte sich zu dem Grafen und erzählte ihm die schöne Unterhaltung.

      „Diese unverdiente Würde lastet entsetzlich auf mir, mein gnädiges