Verbal hatten wir das als engagierte Christen eigentlich längst drauf, hätten eine schöne Bibelarbeit darüber halten können. So richtig verstanden und erfahren haben wir es aber erst, als wir mit aller Kraft große Ziele bewegen wollten, sicher auch vieles bewegten – aber uns am Ende eben eingestehen mussten, dass geistliche Frucht nicht aus eigener Kraft wächst, sondern angeschlossen sein muss an die Quelle lebendigen Wassers, die aus Gott selbst sprudelt.
Insofern beginnt wirkliche Gottesbegegnung meist mit dem Eingeständnis, dass wir arm sind, hungrig und bedürftig. Dass wir Gott brauchen und von seiner Versorgung her leben. »Doch meine Kraft erlahmte vor der Zeit; was selbst lief, blieb auch selber steh’n«, so sagt Manfred Siebald es in seinem Lied Wollte ich nicht. Und genau so hatten wir es auf je eigene Weise erfahren. Und konnten uns dann nach und nach auf einen neuen, holprigen und kurvigen Weg machen, als wir von diesem Punkt eigener Armut aus neu zu Gott aufbrachen.
Holprig und kurvig? Ja, lockere Höhenflüge und zielstrebige Erfolgswege sind uns auch mit ihm nicht einfach sicher. Frust und Niederlagen und Irrwege bleiben. Aber es lohnt sich, immer wieder neu aus dieser Einsicht heraus zu leben: Gott will zuerst einmal mich – will mir begegnen. Und erst daraus fließt alles andere. Wächst alle Frucht in guten Gemeinden, engagierten Projekten, erfüllten Beziehungen und hingegebener Arbeit.
Eben deswegen und in der Folge dieser Erfahrungen kam es zur Gründung von AUFATMEN. Und deswegen ist auch dieses Buch so wichtig: Um sich ermutigen zu lassen durch die Einsichten und Erfahrungen anderer, die auf dem gleichen Weg sind. Um mit guter neuer Lebensenergie und gestärktem Vertrauen weiter durch die Mühen des Alltagsdschungels zu gehen – hinter Jesus her.
Ulrich Eggers
MARTIN GUNDLACH
Gefordert und getragen – Die Gottes-Linien und Gottes-Zumutungen in meinem Leben
Als AUFATMEN 1995 startete, war ich gerade zum Bundes- Verlag gekommen. Ich hatte meinen Job als Lehrer in Bayern (zum Entsetzen vieler!) hinter mir gelassen und in dem kleinen Verlag angeheuert, in dem damals gut ein Dutzend Menschen beschäftigt war. Dort übernahm ich die Redaktionsleitung der Jugendzeitschrift DRAN in Witten. Als Neueinsteiger im Zeitschriftenmachen beobachtete ich aus der Ferne, wie Uli Eggers und sein Team zeitgleich in unserem Verlagshaus (aber in der Redaktion in Cuxhaven) das Magazin AUFATMEN gründeten. Der Untertitel wurde damals festgelegt und hat sich bis heute nicht geändert: »Gott begegnen. Authentisch leben.«
Ich war damals ein Freund der zweiten Hälfte dieser Zeile: authentisch leben. Aufgewachsen in der frommen Landschaft hatte ich an vielen Stellen erlebt, dass Worte und Taten nicht immer übereinstimmten. Dass Nächstenliebe gelegentlich nur bis an die Grenze des eigenen Gemeindehauses ging und dass hinter manch einer frommen Fassade auch ganz viel Menschliches steckte: Neid, Missgunst oder Machtgelüste. Aber jetzt: authentisch leben, überzeugend leben. Worte und Taten in Übereinstimmung bringen, den Weg bahnen für einen neuen Lebensstil. Das fand ich aufsehenerregend.
Das Vorangesetzte »Gott begegnen« empfand ich damals, Ende zwanzig, als die etwas lahmere erste Hälfte des Slogans. Gott begegnen – das war die fraglos nötige fromme Anbindung des Titels AUFATMEN, der sonst weltanschaulich nicht identifizierbar gewesen wäre. Hier und heute beschreibe ich, warum sich die Gewichtung im Lauf der Jahre für mich verändert hat.
Zum Glück ist »authentisch leben« heute keine exotische Vorstellung mehr, sondern hat sich in den letzten Jahren als Stil in weiten Teilen (nein, nicht überall!) durchgesetzt. Gerade für die jüngere Generation gilt: »Authentisch leben« ist die Grundvoraussetzung für – alles. Nur wer als Person stimmig lebt und erscheint, der wird überhaupt gehört.
Zum anderen hat sich mein Bild von »Gott begegnen« komplett verändert. Wer von klein auf in einer christlichen Familie aufwächst und die Geschichten der Bibel früh hört, wer als Dreijähriger lernt, selbst laut zu beten – der ist gesegnet mit Eltern, die für ihr Kind das Beste wollen. Gesegnet – das war ich, das bin ich bis zum heutigen Tag, und ich verdanke meinen Eltern viel. Sie brachten mir Gott nahe.
Lange war Gott für mich wie ein weiteres Familienmitglied. Nicht zu sehen, aber es wurde immer von ihm und mit ihm gesprochen. Sein guter Ruf eilte ihm voraus, für all die Segnungen in unserem Leben war er der Zuständige. Er war wie der größere Bruder von Papa oder Mama, noch ein wenig stärker, noch ein wenig mächtiger und noch zuverlässiger als sie. Kindliche Gottesvertrautheit nenne ich diesen Zustand, in dem sehr viel Positives liegt.
Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.
Denn in dieser Gottesvertrautheit liegt immer auch die Gefahr, Gott und die Gottesbegegnungen zu banalisieren oder zu instrumentalisieren.
Nach meiner Kindheit begegnete Gott mir manchmal auch völlig unerwartet, komplett unvorhersehbar, schwer verstehbar. Er berief mich hinein in Möglichkeiten, die ich mir kaum zutraute. Und er warf mich hinein in Lernfelder, die ich mir nie ausgesucht hätte.
Gott begegnet mir … in einer überraschenden Chance
Ich habe von klein auf viel geschrieben und Dinge dokumentiert. Als Siebenjähriger habe ich 1972 die Ereignisse der Olympischen Spiele in München gemalt – in Form von laufenden, springenden und kämpfenden Menschen. In der Schule liebte ich es zu schreiben. Meine Mutter erzählt, dass ich ihr schon als Grundschüler von meinem Plan erzählt hätte, ein Buch zu schreiben.
So schrieb ich eigentlich immer: Tagebuch. Die Berichte unserer Handball-Mannschaft für die Lokalzeitung. Briefe. Dann irgendwann mal einen Zeitschriftenartikel, später eine Serie für ein Kindermagazin. Es war für mich naheliegend, Deutschlehrer zu werden, zu schreiben, zu lehren, zu korrigieren.
Während des Referendariats kam aber plötzlich die Anfrage, als Redakteur zu einem kleinen Verlag zu gehen – für mich eine Gottesoption mit Rückweg-Garantie (denn ich konnte in den folgenden fünf Jahren in den Bayerischen Staatsdienst zurückkehren. Diese Karte habe ich aber nie gezogen …). Also habe ich 1995 in Witten angefangen zu arbeiten – und bin dort noch heute.
Im Rückblick sehe ich einen roten Faden. Gott ist mir begegnet und ist mit mir einen Weg gegangen. Er hat mir in frühester Kindheit Freude und Leidenschaft für eine ganz besondere Ausrichtung gegeben, eine Spur, auf der ich seitdem unterwegs bin. Diesen roten Faden zu finden und diese Reise Gottes mit mir durch mein Leben zu sehen, war für mich eine spannende Entdeckung.
Heute bin ich Redaktionsleiter im Bundes-Verlag. Wir geben 18 Zeitschriften heraus und erreichen eine Viertelmillion Menschen durch gedruckte Materialien. Wir betreuen und befüllen diverse Internetportale und versuchen, christliche Inhalte auf den allgemeinen Marktplatz zu bringen. Wir haben noch viele Ideen und Vorhaben. Das ist »plötzlich« (in den letzten 25 Jahren) ein großes Projekt geworden. Die Gottesbegegnungen in diesem Job sind oft Gottesbestätigungen, wenn Leserinnen und Leser uns zurückmelden, wie hilfreich, aufbauend oder glaubensfördernd unsere Inhalte für sie waren.
Diesem Kahn die Richtung zu geben, empfinde ich als große Freude, vor allem auch als große Verantwortung. Den richtigen Weg zu finden zwischen einfachen, leicht verständlichen Wahrheiten auf der einen Seite und differenzierten Sichtweisen auf der anderen – das ist nicht einfach. Beiträge zu theologischen und lebenspraktischen Fragen für diese Breite so unterschiedlicher Menschen, so unterschiedlicher Überzeugungen und Frömmigkeitsstile herauszugeben – eine echte Herausforderung. Innerlich frei zu bleiben und sich nicht den Erwartungen der Leserinnen und Leser zu unterwerfen – nicht einfach.
Zum Glück gibt es den Blick nach