Klaudias großer Schwarm. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788711719343
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oder irre ich mich da, Marie?“

      Frau May schüttelte lächelnd den Kopf.

      „Ist das Problem also gelöst. Wir sehen uns ‚Don Carlos’ an.“

      Klaudia war ganz blaß geworden. „Das könnt ihr mir doch nicht antun!“

      „Komm, komm, Klaudia“, mahnte die Mutter, „nun mach kein Drama daraus!“

      „Aber versteht ihr denn nicht!?“ rief Klaudia und stampfte mit dem Fuß auf. „Es ist für mich ein Drama … ach was, viel schlimmer … eine wahre Tragödie! Die ganze Woche habe ich mich auf Ben Simon gefreut … eine Einladung zu einer Party habe ich seinetwegen ausgeschlagen! Und nun macht ihr mir alles kaputt mit eurem blöden ‚Don Carlos’!“

      Dr. Mays Gesicht verdüsterte sich. „Das geht nun doch entschieden zu weit, Klaudia! Du wirst unverschämt!“

      „Das wollte ich nicht, bitte, verzeih mir, Vati … ach, versuch doch zu begreifen, daß es lebenswichtig für mich ist, Ben Simon zu sehen!“

      „Tut mir leid, ich begreife es nicht.“ Dr. May schlug die Programmzeitschrift zu und knallte sie auf den Kaffeetisch. „Ich finde dein Verhalten einfach hirnrissig. Wie kannst du eine gehaltlose Schlagersendung einem großartigen Theaterstück vorziehen?“

      „Aber es geht mir doch gar nicht um die Schlager, Vati … es geht mir um Ben Simon!“

      „Was ist denn dein Ben Simon anders als ein Interpret geistloser Schnulzen?! Ja, ja, zugegeben, ich habe diesen Burschen bisher weder gesehen und gehört, aber ich weiß genug über das Niveau des Schlagers von heute, um da mitreden zu können. Ich bin enttäuscht von dir, tief enttäuscht, Klaudia. Wenn du schon ein Idol brauchst, hätte ich von dir erwartet, daß du einen bedeutenden Mann wählen würdest … einen Erfinder, Gelehrten, wirklichen Künstler, kurzum einen Mann von Geist und keine hirnlose Nulpe.“

      „Du bist enttäuscht von mir, das tut mir leid“, erwiderte Klaudia eisig, „aber du ahnst ja nicht, wie enttäuscht ich von dir bin, Vater! Ich habe immer geglaubt, du hättest Verständnis für mich, und jetzt, wo ich dich zum ersten Mal in meinem Leben ernsthaft um etwas bitte, da schaltest du einfach auf stur. Du gibst Urteile über einen Menschen ab, von dem du bis heute nicht einmal den Namen gehört hast. Wenn du nur ein bißchen Vertrauen in mich hättest, so würdest du dir sagen: An dem jungen Mann muß doch etwas dran sein, sonst könnte er meiner Tochter nicht so gefallen!“

      „Mein liebes Kind, du benimmst dich wirklich nicht so, daß man auf deinen Geschmack bauen möchte.“

      Klaudia versuchte es noch einmal:

      „Ach, Vati, bitte, bitte, sieh ihn dir doch nur ein einziges Mal an!“

      „Genug, Klaudia“, mischte sich die Mutter ein, „die Ent-Scheidung ist gefallen, und damit basta. Du verdirbst uns noch den ganzen schönen Samstagnachmittag mit deinem dummen Theater. Wie wäre es, wenn wir das Krokett aufstellen?“

      „Au ja, fein!“ rief Sylvie und puffte die Schwester aufmunternd mit dem Ellbogen an.

      Aber Klaudia warf den Kopf in den Nacken. „Auf mich müßt ihr diesmal verzichten.“

      „Das wird uns leichter fallen, als du glaubst“, parierte ihr Vater, „verschwinde auf dein Zimmer und laß dich erst wieder blicken, wenn du zur Vernunft gekommen bist!“

      Klaudia hatte eine rasche Antwort schon auf der Zunge, aber dann hielt sie es doch für besser, den Vater nicht noch mehr zu reizen. Sie drehte sich nur stumm auf dem Absatz um und ging ins Haus zurück.

      Erst als sie ihr kleines Zimmer hoch unter dem Dach erreicht hatte, kamen die Tränen. Sie warf sich quer über ihre Bettcouch und weinte bitterlich.

      Natürlich war sie wütend, weil niemand in der Familie Verständnis für sie zeigte. Aber tiefer noch saß ihre Enttäuschung darüber, daß sie ihren geliebten Ben Simon nun nicht sehen durfte. Sie hätte ihrem Vater sofort alles verziehen, wenn er nur jetzt nachträglich seinen Entschluß noch geändert hätte. Aber sie kannte ihn zu gut; sie wußte, er würde das nie und nimmer tun. Sie mußte sich heute abend die Übertragung aus dem Residenztheater ansehen oder ganz auf das Fernsehen verzichten. Das war schrecklich.

      Vom Garten her tönten die fröhlichen Stimmen von Vater, Mutter und Schwester Sylvie herauf, das Klacken der Schläger gegen die Holzkugeln, und Klaudia, einsam und allein in ihrem Zimmer, fühlte sich unendlich verlassen.

      Sie hatte nur den einen Trost: Ben Simon.

      Während ihr noch die Tränen über die Wangen strömten, begann ein bunter Traum sie von der bösen Wirklichkeit zu erlösen. Sie träumte, wie ihre erste Begegnung mit Ben Simon ihr ganzes Leben verändern würde.

      Sie sah sich, wie sie inmitten einer Schar von Fans vor ihm stand und ihn um ein Autogramm bat. Ganz kurz blickte er auf, nachdem er seinen Namen auf sein Foto geschrieben hatte – und dieser eine Blick war entscheidend. Sie lächelte ihm zärtlich zu verschwand in der Menge.

      Aber von dieser Sekunde an war Ben Simon verändert. Er wandte sich an seinen Manager: „Wer war dieses zauberhafte blonde Mädchen? Laßt sie nicht gehn, um Himmels willen, haltet sie fest, ich muß sie kennenlernen!“

      Der Manager rannte zum Ausgang und erreichte Klaudia gerade noch – nein, besser, er erreichte sie nicht mehr. Es war schöner, diese Suche noch hinauszuziehen.

      Ben Simon bricht fast zusammen, als er erfährt, daß Klaudia verschwunden ist. Von nun an sucht er sie überall, sieht jedem blonden Mädchen ins Gesicht – aber keine, nicht eine, ist wie sie, Klaudia!

      Doch dann, eines Tages – An dieser Stelle riß der Traum, denn Klaudia schlief, ohne es selber zu merken, sachte ein.

      Sie wurde erst wach, als eine Hand sie sanft an der Schulter rüttelte. „Klaudia, du schläfst!“ rief die Mutter. „Am hellen Tag! Na so was!“

      Klaudia drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. „Es ist ja schon dunkel.“

      Die Mutter lachte. „Ja, inzwischen ist es dämmrig geworden, aber immer noch erst sieben Uhr. Bestimmt keine Zeit zu schlafen, falls man nicht zufällig ein Baby ist.“

      Erst ganz allmählich fiel Klaudia wieder ein, was passiert war, und mit einem Ruck setzte sie sich auf. „Hat Vati es sich anders überlegt?“

      Frau May verstand sofort. „Nein, Klaudia. Aber wir essen jetzt zu Abend. Willst du nicht herunterkommen?“

      „Nein, danke.“ Schon wieder war Klaudias Stimme von Tränen umflort.

      „Sei doch nicht dumm! Ich verstehe ja, daß dein Schwarm dich mehr interessiert als das Theaterstück. Aber wenn du jetzt bockst, schadest du doch nur dir selber.“

      „Ich habe einfach keinen Hunger.“

      Frau May setzte sich auf die Kante von Klaudias Couch. „Du hast da vorhin was von einer Party erzählt … ist dir das bloß so eingefallen, oder findet die wirklich statt?“

      „Glaubst du, ich lüge? Heide hat ein paar aus unserer Klasse eingeladen. Aber ich mußte doch absagen.“ Klaudia schluckte. „Wegen Ben Simon.“

      „Hör mal, warum stehst du dann jetzt nicht schnell auf, ziehst dich an und gehst doch noch hin? Da du deinen Ben Simon nicht sehen kannst, wäre es schön dumm, zu Hause herumzuhängen.“

      „Keine Lust.“

      „Was willst du denn?“

      „Einen eigenen Fernseher.“

      Frau May lachte. „Den kriegst du bei uns bestimmt nicht, bevor du erwachsen bist und selber Geld verdienst. Komm, steh auf. Diese Party wäre doch ein guter Anlaß, dein neues Maxi-Kleid anzuziehen. Findest du nicht?“

      „Doch … schon …“

      „Na also.“ Frau May ging zur Tür und knipste das Licht an. „Ich werde dich bei Vati entschuldigen. Aber sieh zu,