Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich von Kleist
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027220526
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Bist du befreit von allem, was dich bindet.

      AMPHITRYON:

       Schmachvoll, wie die Beleid'gung ist, die sich

       Mir zugefügt, ist dies das mindeste,

       Was meine Ehre blutend fordern kann.

       Daß ein Betrug vorhanden ist, ist klar,

       Wenn meine Sinn auch das fluchwürdige

       Gewebe noch nicht fassen. Zeugen doch

       Jetzt ruf ich, die es mir zerreißen sollen.

       Ich rufe deinen Bruder mir, die Feldherrn,

       Das ganze Heer mir der Thebaner auf,

       Aus deren Mitt ich eher nicht gewichen,

       Als mit des heut'gen Morgens Dämmerstrahl.

       Dann werd ich auf des Rätsels Grund gelangen,

       Und Wehe! ruf ich, wer mich hintergangen!

      SOSIAS:

       Herr, soll ich etwa –?

      AMPHITRYON:

       Schweig, ich will nichts wissen.

       Du bleibst, und harrst auf diesem Platze mein.

      Ab.

      CHARIS:

       Befehlt Ihr Fürstin?

      ALKMENE:

       Schweig, ich will nichts wissen,

       Verfolg mich nicht, ich will ganz einsam sein.

      Ab.

      Dritte Szene

       Inhaltsverzeichnis

       Charis. Sosias.

      CHARIS:

       Was das mir für ein Auftritt war! Er ist

       Verrückt, wenn er behaupten kann, daß er

       Im Lager die verfloßne Nacht geschlafen. –

       Nun wenn der Bruder kommt, so wird sich's zeigen.

      SOSIAS:

       Dies ist ein harter Schlag für meinen Herrn.

       – Ob mir wohl etwas Ähnliches beschert ist?

       Ich muß ein wenig auf den Strauch ihr klopfen.

      CHARIS: für sich. Was gibt's? Er hat die Unverschämtheit dort, Mir maulend noch den Rücken zuzukehren.

      SOSIAS:

       Es läuft, mein Seel, mir übern Rücken, da ich

       Den Punkt, den kitzlichen, berühren soll.

       Ich möchte fast den Vorwitz bleibenlassen,

       Zuletzt ist's doch so lang wie breit,

       Wenn man's nur mit dem Licht nicht untersucht. –

       Frisch auf, der Wurf soll gelten, wissen muß ich's!

       – Helf dir der Himmel Charis!

      CHARIS:

       Was? du nahst mir noch,

       Verräter? Was? du hast die Unverschämtheit,

       Da ich dir zürne, keck mich anzureden?

      SOSIAS:

       Nun, ihr gerechten Götter, sag, was hast denn du?

       Man grüßt sich doch, wenn man sich wieder sieht.

       Wie du gleich über nichts die Fletten sträubst.

      CHARIS:

       Was nennst du über nichts? Was nennst du nichts?

       Was nennst du über nichts? Unwürd'ger! Was?

      SOSIAS:

       Ich nenne nichts, die Wahrheit dir zu sagen,

       Was nichts in Prosa wie in Versen heißt,

       Und nichts, du weißt, ist ohngefähr so viel,

       Wie nichts, versteh mich, oder nur sehr wenig –

      CHARIS:

       Wenn ich nur wüßte, was die Hände mir

       Gebunden hält. Es kribbelt mir, daß ich's

       Kaum mäß'ge, dir die Augen auszukratzen,

       Und was ein wütend Weib ist, dir zu zeigen.

      SOSIAS:

       Ei, so bewahr der Himmel mich, was für ein Anfall!

      CHARIS:

       Nichts also nennst du, nichts mir das Verfahren,

       Das du dir schamlos gegen mich erlaubt?

      SOSIAS:

       Was denn erlaubt ich mir? Was ist geschehn?

      CHARIS:

       Was mir geschehn? Ei seht! Den Unbefangenen!

       Er wird mir jetzo, wie sein Herr, behaupten,

       Daß er noch gar in Theben nicht gewesen.

      SOSIAS:

       Was das betrifft, mein Seel! Da sag ich dir,

       Daß ich nicht den Geheimnisvollen spiele.

       Wir haben einen Teufelswein getrunken,

       Der die Gedanken rein uns weggespült.

      CHARIS:

       Meinst du, mit diesem Pfiff mir zu entkommen?

      SOSIAS:

       Nein Charis. Auf mein Wort. Ich will ein Schuft sein,

       Wenn ich nicht gestern schon hier angekommen.

       Doch weiß ich nichts von allem, was geschehn,

       Die ganze Welt war mir ein Dudelsack.

      CHARIS:

       Du wüßtest nicht mehr, wie du mich behandelt,

       Da gestern abend du ins Haus getreten?

      SOSIAS:

       Der Henker hol es! Nicht viel mehr, als nichts.

       Erzähl's, ich bin ein gutes Haus, du weißt,

       Ich werd mich selbst verdammen, wenn ich fehlte.

      CHARIS:

       Unwürdiger! Es war schon Mitternacht,

       Und längst das junge Fürstenpaar zur Ruhe,

       Als du noch immer in Amphitryons

       Gemächern weiltest, deine Wohnung noch

       Mit keinem Blick gesehn. Es muß zuletzt

       Dein Weib sich selber auf die Strümpfe machen,

       Dich aufzusuchen, und was find ich jetzt?

       Wo find ich jetzt dich, Pflichtvergessener?

       Hin auf ein Kissen find ich dich gestreckt,

       Als ob du, wie zu Haus, hier hingehörtest.

       Auf meine zartbekümmerte Beschwerde,

       Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen,

       Du sollst die Reisestunde nicht verschlafen,

       Er denke früh von Theben aufzubrechen,

       Und was dergleichen faule Fische mehr.

       Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen.

       Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend,

       Zu einem Kusse, wendest du, Halunke,

       Der Wand dich zu, ich soll dich schlafen lassen.

      SOSIAS:

       Brav, alter, ehrlicher Sosias!

      CHARIS:

       Was?